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Manaus ist der exotischste WM-Standort aller Zeiten,

© picture alliance / dpa

WM 2014 - Italien gegen England in Manaus: Gekommen, um zu schwitzen - ein Selbstversuch

90 Minuten Manaus: Das ist eine Herausforderung für WM-Teams, etwa heute Italien und England. 40 Grad, fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit – unser WM-Reporter Sven Goldmann hat ausprobiert, was allein beim Gehen passiert.

Am schönsten ist es, wenn die Lkw vorbeirasen auf der Avenida Constantino Nery, sie führt von der Altstadt direkt zum Stadion. Die Lkw sind laut und stinken, und wenn ein Fußgänger die Avenida überqueren will und darauf hofft, dass einer der Lkw anhalten würde ... nun ja. Aber was wäre Manaus am Nachmittag ohne seinen Schwerlastverkehr? Ohne den Fahrtwind, den die Lkw produzieren und der dem Spaziergänger ein wenig Kühlung verschafft in dieser Millionenstadt im tropischen Regenwald. So ein Nachmittag in Manaus wird erst durch den Fahrtwind erträglich.

Nun treten Italien und England an zum ersten von vier Weltmeisterschaftsspielen in Manaus. Keine Lkw werden ihre Runden durch die Arena da Amazonia drehen. Was die künstliche Kühlung betrifft, hätten sie mal nachfragen können in Katar, aber das ist bei der Fifa im Augenblick ein diffiziles Thema. Wenn in Manaus das Vorrundenspiel der Gruppe D angepfiffen wird, ist in Deutschland schon Mitternacht und Sonntag, in Manaus aber sechs Uhr nachmittags. Anlass für einen kleinen Selbstversuch im Spaziergängertempo.

Die 90 Minuten von Manaus beginnen in der Altstadt, unten am Hafen, wo sich die Amazonas-Schiffe drängen und tatsächlich so etwas wie WM-Stimmung herrscht. Alle paar Meter bieten Low-Budget-Boutiquen zu Kampfpreisen von drei, vier Euro gelbe und blaue und blau-gelbe Brasilien-Trikots an, und sie werden reichlich gekauft, vor allem von Einheimischen. Ein ähnlich gutes Geschäft machen nur die vielen Kneipen. Nicht, dass Manaus eine Stadt von Säufern wäre. Aber ohne Flüssigkeit geht hier nichts.

Ohne Flüssigkeit geht in Manaus nichts

Englands Trainer Roy Hodgson hat im Dezember vor der Auslosung erzählt, ihm sei eigentlich alles egal, nur Manaus würde er ganz gern umgehen. Das hat nicht ganz geklappt. In Britannien brach darauf das große Zetern über die Strafexpedition in ein „crime-ridden hellhole“ nach „murderous Manaus“ aus. Brasiliens Sportminister Aldo Rebelo veranlasste das zu der Bemerkung, in Irak und Afghanistan hätten junge britische Männer doch auch keine Probleme mit der Hitze.

Manaus ist der exotischste WM-Standort aller Zeiten. Eine Stadt mitten im Urwald, der Äquator ist drei Breitengrade entfernt und der Atlantik 1700 Kilometer. Bei Temperaturen um 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von annähernd 100 Prozent schwitzt der unbedarfte Europäer schon im Stehen und die Schritte des Spaziergängers werden nach einer halben Stunde beim Verlassen der Altstadt bedenklich schwer.

Werner Herzog hat das Teatro Amazonas in "Fitzcarraldo" berühmt gemacht

Aber es geht weiter, vorbei an Manaus’ berühmtestem Bau, dem urwaldbunten Teatro Amazonas, Werner Herzog hat es mit seinem Film „Fitzcarraldo“ weltberühmt gemacht. Noch einen Hügel hinauf, vorbei an Autohäusern, Fabriken und Supermärkten, dann ist die erste Halbzeit endlich rum. Gelegenheit zum Trikottausch, er ist dringend nötig, was hier aus ästhetischen Gründen nicht weiter vertieft werden soll.

Längst ist es stockdunkel, aber die Hitze drückt, als wäre es noch immer 12 Uhr mittags. Eigentlich war das Spiel zwischen England und Italien ja für 21 Uhr angesetzt, zur für Europa eher fernsehungünstigen Zeit nachts um drei, und das wollte die Fifa ihren Sponsoren dann doch nicht zumuten. Immerhin spielen sie diesmal nicht um 12 Uhr mittags wie 1986 in Mexiko. Eine Viertelstunde vor Schluss ist die Arena da Amazonia erreicht. Zeit genug für eine Runde um das Stadion, dessen Design die Bauherren mal als schlafende Schlange angepriesen hatten. Das ist sehr fantasievoll formuliert für geschlängelten Beton, der im Gewerbegebiet nur auffällt, weil er noch größer und noch wuchtiger ist als die umliegenden Silos. Das Stadion braucht hier eigentlich niemand, weil der beste Klub in Manaus nur in der dritten Liga spielt. Aber die WM soll halt eine gesamtbrasilianische Veranstaltung sein, deswegen muss auch der Urwald mitspielen, und zum Bespielen der Arena verpflichtet der brasilianische Verband während der Meisterschaft öfter mal Mannschaften.

Nach der Stadionrunde ist auch die Nachspielzeit überstanden, mit schwerem Atem und Stolz auf die Weitsicht, einen zweiten Trikottausch eingeplant zu haben. Um kurz vor acht steht die Hitze immer noch wie eine Wand, und wären da nicht die himmlischen Lkw ...

37 Grad war die Höchsttemperatur beim Generalprobenspaziergang, zur WM-Premiere an diesem Samstag wird es aber kühler. Zum Anpfiff um 18 Uhr verheißt der Wetterbericht 33 Grad im Schatten, wenn es denn mal welchen geben sollte.

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