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Haessler

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WM-Qualifikation: Über Wales zum Titel

Die Mauer war gefallen. Der Berliner musste aber zum Spiel. Wie Thomas Häßler die Deutschen gegen Wales zur WM 1990 schoss – und dort den Titel holte.

Demnächst kann man Thomas Häßler für die Tribüne buchen. Als Conferencier für neureiche Edelfans, die für ihr reichlich vorhandenes Geld mehr haben wollen als Flanken und Tore und Grätschen. 1000 Euro kostet der VIP-Service, den der frühere Nationalspieler Thomas Allofs unter dem schönen Namen „Profis hautnah“ anbietet: ehemalige Fußballspieler, die immer noch gern die Anekdoten von früher erzählen. Ein paar hundert Altstars hat Allofs laut Eigenwerbung im Angebot. Als prominentesten preist er an: Thomas Häßler, 101 Länderspiele, Weltmeister von 1990.

Für den Samstag und das deutsche EM-Qualifikationsspiel im Millenium Stadium zu Cardiff kommt die neue Geschäftsidee ein bisschen spät. Schade. Wäre eine schöne Sache gewesen, mit dem kleinen Kölner aus Berlin über Wales zu plaudern. Häßler ist nicht gerade als Plaudertasche bekannt, aber zu diesem Thema hätte er einiges zu erzählen. Über „dieses Tor, das ich nie vergessen werde“. Dieses 2:1 in Köln gegen Wales, das der deutschen Nationalmannschaft den Weg zur Weltmeisterschaft in Italien geebnet hat. Ohne Häßlers Siegtor wäre Deutschland acht Monate später in Italien nicht Weltmeister geworden. (Weil Häßlers Hang zur Berliner Mundart bekannt ist, wird im Folgenden auf Ickes und Knorkes und Weeßtenochs verzichtet).

Der 15. November 1989 ist ein Mittwoch. Vor sechs Tagen ist in Berlin die Mauer gefallen. Häßler ist in ihrem Schatten aufgewachsen, im Norden Berlins, wo die Bezirke Reinickendorf, Wedding und Pankow aufeinander stoßen. Das Wohnhaus der Familie in der Letteallee ist kurz nach dem Krieg gebaut worden. Der kleine Thomas spielt beim Weddinger Klub Meteor 06 an der Osloer Straße, wo auch Hertha BSC trainiert. Weil der Bundesligist den Jugendnationalspieler ignoriert, wechselt Häßler 1983 zum 1. FC Köln. Als am 9. November 1989 die Mauer fällt, ist der Berliner Häßler nur als Fernsehzuschauer dabei. Später hat er gesagt, er sei in der Vorbereitung auf das Spiel gegen Wales immer in Gedanken in Berlin gewesen.

Für die Deutschen geht es um alles oder nichts. Nur ein Sieg hilft weiter. Die Waliser sind längst raus, sie können befreit aufspielen und gehen schon nach elf Minuten durch Allen in Führung. Völler gleicht eine Viertelstunde später aus, aber das reicht noch nicht. Zur Halbzeit steht es immer noch 1:1. Häßler gelingt nicht viel. Ist er in Gedanken immer noch in Berlin?

Franz Beckenbauer lässt ihn weitermachen, und wie fast immer hat der Teamchef auch mit dieser Entscheidung Recht. Drei Minuten sind gespielt in der zweiten Halbzeit. Pierre Littbarski, auch er ein Berliner, geboren in Schöneberg, flankt in den Rücken der langen Waliser. Der kleine Häßler lässt sich zur Seite fallen und drischt den Ball mit seinem schwächeren linken Fuß zum 2:1 ins Tor.

Thomas Häßler beschert Deutschland die WM-Teilnahme und sich selbst die Aufstellung im Finale gegen Argentinien. Sein Stammplatz im Mittelfeld ist 1990 keineswegs so sicher, wie man heute glauben möchte. Für das Endspiel konkurrieren noch Uwe Bein und Olaf Thon um den Platz im kreativen Mittelfeld. Beckenbauer vergibt ihn an Häßler und führt als Begründung dafür ausdrücklich dieses Tor an. Das 2:1 gegen Wales, sechs Tage nach dem Fall der Berliner Mauer.

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