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Blatter gab zunächst den Ausrichter für die WM 2018 bekannt. Hier setzte sich Russland gegen England und die Doppelbewerber Spanien/Portugal bzw. Niederlande/Belgien durch.

© AFP

Update

WM-Vergabe: Die Fifa überrascht mit Russland und Katar

Die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 finden in Russland bzw. Katar statt. Das entschied der Weltverband Fifa am Donnerstag in Zürich. England ging damit genauso leer aus wie die USA oder Australien.

Wladimir Putin verlor keine unnötige Zeit. Nachdem die Entscheidung gefallen war, machte er sich sofort auf den Weg in die Schweiz, noch am Abend wollte er bei einer Pressekonferenz sprechen. Russlands Premierminister hatte sein persönliches Erscheinen bei der Vergabe der WM-Endrunden 2018 und 2022 kurzfristig storniert, für den Fall einer Entscheidung pro Russland aber wolle er sich doch noch nach Zürich, an den Sitz des Weltfußballverbandes Fifa, begeben, und zwar „mit Vergnügen“, wie Putin gesagt hatte. Ob er wohl selbst damit gerechnet hatte? Russland galt nicht unbedingt als Favorit für die Weltmeisterschaft 2018, obwohl das Land der Fifa die höchsten Gewinne in Aussicht gestellt hatte – diesem Argument hat sich der Weltverband noch nie verschließen können. Was sich viele in ihren Albträumen nicht haben vorstellen können, ist gestern in Zürich Wirklichkeit geworden.

Sepp Blatter, der Präsident der Fifa, machte es noch ein wenig spannend. Er hob hinter den beiden Mikrofonen beschwörend die Hände, redete eindringlich wie ein Pfarrer bei seiner Sonntagspredigt, doch als er die beiden Umschläge mit den Namen der Gewinner öffnete, legte sich eine seltsame Stille über das Auditorium in der Messe Zürich. Erst Russland 2018 und dann – eine noch größere Überraschung – Katar 2022, das kleinste Land, dem je die Ausrichtung einer WM zugesprochen wurde. Belgien/Holland, Portugal/Spanien und England (für 2018) sowie die USA, Japan, Südkorea und Australien waren auf der Strecke geblieben. "Wir betreten Neuland, denn die WM war noch nie in Osteuropa und dem Mittleren Osten", sagte Blatter. "Deswegen bin ich ein glücklicher Präsident."

Glücklich war Blatter zuletzt selten. Korruptionsvorwürfe überschatteten die Vergabe der WM-Turniere. Wählen durften statt 24 Mitglieder der Exekutive gestern nur 22. Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) waren wegen Verletzung des Ethik-Codes suspendiert worden, nachdem sie verdeckten Reportern angeboten hatten, ihre Stimmen zu verkaufen. Zudem gibt es Vorwürfe gegen Ricardo Texeira (Brasilien), Nicolas Leoz (Paraguay) sowie Issa Hayatou, Präsident des afrikanischen Kontinentalverbandes, die jedoch alle Vorwürfe bestreiten und gestern mit abstimmen durften.

Durch die Vergabe der beiden Endrunden an Russland und Katar dürfte die Fifa ihren zweifelhaften Ruf eher noch gefestigt haben. In ihrem Evaluierungsbericht hatten beide Länder nicht besonders gut abgeschnitten. So wurde das russische Verkehrskonzept als sehr riskant eingeschätzt. Zug- und Flugverbindungen sind schlecht. Und auch wenn die 64 Spiele alle im europäischen Teil Russlands stattfinden, so beträgt die Entfernung zwischen Kaliningrad an der Ostsee und Jekaterinburg am Ural rund 3000 Kilometer. Zudem müssen von den 16 Spielstätten in 13 Städten 13 Stadien erst noch gebaut oder komplett umgebaut werden. Die veranschlagten Kosten liegen bei 3,82 Milliarden Dollar.

Der Transport für Fans soll gratis sein und die Visumpflicht für Ausländer ausgesetzt werden. "Die WM wird viel Gutes tun in diesem Teil der Welt", sagte Blatter. Für Russland ist die WM das zweite sportliche Großereignis innerhalb kurzer Zeit. 2014 finden im Badeort Sotschi an der Schwarzmeerküste die Olympischen Winterspiele statt. Russland werde alles finanziell stemmen, versicherte Finanzminister Alexej Kudrin: "Die WM wird billiger als Olympia, wo alles kompliziert in die Berge des Kaukasus gebaut werden muss."

Mit finanziellen Fragen muss sich Katar nicht beschäftigen. Das Emirat am Persischen Golf ist dank ausgiebiger Öl- und Gasvorkommen einer der reichsten Staaten der Welt. Und gerade im Sport sieht es sich als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Obwohl Katar nicht mal so groß ist wie Schleswig-Holstein und nur knapp anderthalb Millionen Einwohner hat, hat das Emirat in den vergangenen Jahren etliche bedeutende Sportveranstaltungen ausgerichtet: im Tennis, Golf, Tischtennis, Fechten, Reiten. In der eigenen Bevölkerung allerdings stoßen all diese Bemühungen auf geringes Interesse. Katar besitzt keine Fußballkultur, die Versuche, mithilfe gealterter Stars wie Stefan Effenberg, Mario Basler oder Emile Mpenza eine Liga zu etablieren, sind Anfang dieses Jahrzehnts irgendwo im Wüstensand versickert.

Deshalb sieht der Plan der Katari auch vor, einige Stadien nur für die WM zu bauen, sie anschließend wieder in ihre Einzelteile zu zerlegen und an Entwicklungsländer zu verschenken. Auch für ein anderes Problem haben sie längst eine Lösung erdacht. Weil in Katar die Temperaturen im Sommer auf bis zu 50 Grad ansteigen können und Leistungssport unter solchen Bedingungen den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, sollen alles Stadien auf angenehme 26 Grad herunterklimatisiert werden. Die Energie dazu wird durch Sonnenenergie-Kollektoren auf dem Stadiondach gewonnen. Die Katari planen mit zwölf Spielstätten an sieben Orten, die Kosten werden mit 2,87 Milliarden Dollar veranschlagt. Zehn Stadien liegen im Umkreis von nur 25 Kilometern – Katar soll als WM der kurzen Weg in die Fußballgeschichte eingehen.

Trotz allem wurde die Entscheidung für den Wüstenstaat in Zürich höchst reserviert aufgenommen. Es gab allenfalls Pflichtbeifall, und nachdem Mohammed bin Kalifa Al-Thani, der Emir von Katar, freudestrahlend das Podium betreten hatte, versuchte er sogar, das Auditorium mit einer Handbewegung zum Applaus anzuhalten. Ohne ersichtlichen Effekt. Vielleicht waren alle einfach nur überrascht, so wie Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, der seine Verwunderung in diplomatische Worte kleidete. Er sei sich sicher, sagte Zwanziger, „dass die Mitglieder des Fifa- Exekutivkomitees alle Bedenken, die es gegen diese Wahl geben kann, bei ihrer Entscheidungsfindung bedacht haben“. (mit dpa)

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