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Profi-Fußball: Wo ist das Geld?

Die erfolgreichsten Klubmannschaften in Europa haben Sorgen. Die Situation beim FC Barcelona ist ernst. Inter Mailand drücken 70 Millionen Euro Schulden. Wie die horrenden Verluste der Spitzenklubs im internationalen Fußball zustande kommen.

Die Situation sei ernster als angenommen, hieß es in der vergangenen Woche beim FC Barcelona, dem Champions-League-Sieger des Vorjahres. Der aktuelle Titelträger Inter Mailand wertet 70 Millionen Euro Miese als Erfolg. Und Manchester United, die wertvollste Marke des Weltsports, hat die höchsten Schulden. Warum eigentlich?

FC Barcelona. Da halfen weder die Prämien aus der Rekordsaison 2008/2009 noch milliardenschwere TV-Verträge: Anfang Juli musste der FC Barcelona einen 155 Millionen teuren Überbrückungskredit aufnehmen, um die Juni-Gehälter zu bezahlen. Mitte der Woche ergab eine Buchprüfung der Wirtschaftsprüfer Deloitte nun, dass der Verein im letzten Jahr nicht wie ursprünglich verkündet, 11,1 Millionen Euro Gewinn, sondern 77,1 Millionen Euro Schulden gemacht hatte. Gesamtschuldenstand: 452 Millionen Euro. Das Problem ist das geringe Eigenkapital: Laut einer Studie des Wirtschaftprofessors José Maria Gay schuldet der Klub für jeden Euro Eigenkapital Investoren, Banken, Vertragspartnern 16,35 Euro.

Zwar steigt seit Jahren der Gesamtumsatz, aber weder TV-Einnahmen noch Mitgliedsbeiträge reichen, um die laufenden Kosten zu decken. Spielerabschreibungen und die Gehälter von Messi, Xavi und Kollegen fressen laut Gay über achtzig Prozent des Gewinns. Der Klub hat reagiert: Künftig sollen lediglich sechzig Prozent des Personalbudgets in feste Gehälter fließen, vierzig Prozent als Prämien ausgezahlt werden; teure Spielerkäufe wie der von Cesc Fabregas stehen nicht mehr auf der Tagesordnung. Um die finanzielle Manövrierfähigkeit zu erhalten, empfehlen Experten eine Umstrukturierung der Schulden, von kurzfristigen zu langfristigen Verpflichtungen. Dennoch ist die Grundsituation laut Gay stabil: Das Gesamtvermögen stieg in den letzten vier Jahren von 397 auf 550 Millionen, vor allem durch Investitionen in Sachanlagen wie eine neue Sportstätte.

Dass der Klub sich bei der Jahresbilanz um knapp 89 Millionen Euro verrechnet hat, liegt am „Finanzmarketing“ – so wird Bilanzschönung unter Spaniens Fußball-Granden genannt. Noch nicht notariell bestätigte Immobiliengeschäfte wurden auf der Gewinnseite verrechnet oder der Transfer von Thierry Henry zum alten Geschäftsjahr gezählt. Julia Macher

Inter Mailand. Allein die Serie-A-Vereine nahmen in der Saison 2008/2009 knapp 1,5 Milliarden Euro ein, errechnete die Wirtschaftsagentur Deloitte. Dennoch schoben sie einen Schuldenberg von 1,8 Milliarden Euro vor sich her. Inter Mailand machte in den vergangenen 14 Jahren ein Minus von 1,15 Milliarden. Mit 740 Millionen sprang allein Klubbesitzer Massimo Moratti ein. Der kann sich das leisten. Sein Erdgasunternehmen Saras (zu 62 Prozent im Familienbesitz) setzte im letzten Jahr 5,3 Milliarden Euro zu.

Seitdem er den Champions-League-Titel nach Mailand geholt hat, hat sich die Lage etwas geändert. „Nur“ noch 70 Millionen Euro Defizit (gegenüber 154,4 im Vorjahr) kündigt Geschäftsführer Ernesto Paolillo für die abgelaufene Spielzeit an. Einnahmen aus der Champions League und Personalabbau schufen Spielraum. Maicon (25–35 Millionen) und Balotelli (30 Millionen) werden verkauft, die Kostenträger Mourinho (8 Millionen Euro Jahresgehalt), Vieira (5,5) und Quaresma (3,5) gehen. Um weiter auf den Stabilitätspakt der Uefa zuzusteuern, der ab 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt, legte Morattis Saras eine Anleihe von 250 Millionen Euro auf. Ein struktureller Nachteil bleibt. Italienische Vereine nehmen weniger mit dem Stadion und mit Merchandising ein als die europäische Konkurrenz. Für letzteres Manko macht Inter-Geschäftsführer Paolillo, die – oft in Mafiahand befindliche – Fälscherindustrie verantwortlich. Um die meist im kommunalen Besitz befindlichen Stadien zu Geldmaschinen umzubauen, wird gegenwärtig in Mailand und Turin, Florenz und Rom, Palermo und Genua an Konzepten für Fußball-, Gastro- und Shoppingcenter gewerkelt. Die Kosten dafür fallen nicht in das von der Uefa streng kontrollierte Budget. Tom Mustroph

Manchester United. Der Klub ist Opfer eines Paradoxons: der vom US-Magazin Forbes als wertvollste Marke des Weltsports (1,4 Milliarden Euro) eingeschätzte Verein hat seine horrenden Schulden nur, weil er zuvor nie Schulden hatte. Bis der Rekordmeister aus der Premier League 2005 von der Glazer-Familie aus Florida gekauft wurde, war United sehr profitabel. Diese Wirtschaftskraft bewog die Glazers, den als Aktiengesellschaft geführten Klub für insgesamt 800 Millionen Pfund (957 Millionen Euro) zu übernehmen. Der Großteil der Kaufsumme wurde von Banken und Hedge-Fonds zur Verfügung gestellt, die Glazers aber wälzten ihre Schulden nach dem Kauf komplett zurück auf den Verein ab. Über Nacht war aus United der am höchsten verschuldete Klub der Welt geworden. Dieses Modell des „leveraged buyouts“ war gang und gäbe. Es funktioniert, solange das Übernahmeobjekt die Schuldentilgung wirtschaftlich stemmen kann und die Darlehen nach und nach billiger refinanziert werden können. Infolge der Kreditkrise aber hatten die Glazers große Probleme, ihre Schulden umzuschichten. Im Frühjahr gelang die Emission einer 500-Millionen-Pfund-Anleihe, die jedoch am Gesamtbild nicht viel änderte: United schuldet den Gläubigern aktuell 856 Millionen Euro und muss jedes Jahr um die 80 Millionen Euro allein für die Schuldentilgung aufbringen. Im vergangenen Geschäftsjahr wurde trotz eines Umsatzes von 332 Millionen Euro nur dank des Verkaufs von Cristiano Ronaldo an Real Madrid (94 Millionen Euro) ein Verlust von etwa 60 Millionen Euro vermieden. Uniteds Zukunft ist dank seiner Ausnahmestellung nicht unmittelbar gefährdet, doch an der Basis wächst der Protest gegen die Eigentümer. Längst ist klar, dass die Schuldenlast sich negativ auf die Einkaufspolitik von Trainer Alex Ferguson auswirkt. Raphael Honigstein

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