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Im olympischen Dorf feiern, essen und schlafen die Sportler.

© dpa

Wohnen auf Zeit: Zu Besuch im olympischen Dorf

Spartanische Zimmer, Flaggen an jedem Balkon, 232 Tonnen Kartoffeln und 75.000 Liter Milch auf Lager: Ein Besuch im olympischen Dorf, das während der Spiele 16.000 Bewohner beherbergt.

Olympia liegt ihnen zu Füßen, wenn die vier Schwimmerinnen aus Deutschland auf ihrer Terrasse im siebten Stock stehen. Sie lehnen gerade dort barfuß an der Wand und blinzeln in die Sonne, während sich vor ihnen das Panorama des Olympiaparks aufbaut, das Stadion, die Schwimmhalle, der wuselige Verkehr mit all den Doppelstockbussen. „Wir haben schon Anmeldungen entgegengenommen von Sportlern, die bei uns das Feuerwerk der Eröffnungsfeier sehen wollen“, erzählt eine der vier, Lisa Vitting aus Mülheim.

Bevor es losgeht, bekommen sie an diesem Nachmittag in ihrem Apartment im olympischen Dorf Besuch von einigen Journalisten, auch Michael Vesper ist mit dabei, der Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft. Er spricht auf der Terrasse die politischen Sätze, die zum Dorf gesprochen werden müssen. „Es gibt keinen globaleren Ort auf der Welt als diesen hier, an dem 205 Nationen zu Hause sind. Das Dorf ist das A und O der Spiele.“

Das Lebensgefühl ist für Danilia Schreiber, eine der Schwimmerinnen, „wie in einer Studenten-WG“, erzählt sie und schaut dabei sehr zufrieden. Ihre Zimmer sind spartanisch eingerichtet, Bett, Schrank, Wäscheständer, kleiner Fernseher, der Aufenthaltsbereich ist eher ein erweiterter Flur mit Sitzgruppe. Fast jede deutsche Jugendherberge dürfte einen besseren Standard haben. „Wir haben bei unserem Trainingslager in Hamburg extra eine einfache Unterkunft gewählt, damit wir uns hier nicht vom Vier-Sterne-Standard umstellen müssen“, sagt Jürgen Fornoff, der Generalsekretär des Deutschen Schwimm-Verbands.

Die Bilder der Eröffnungsfeier:

Das Dorf beherbergt 16 000 Bewohner, davon 10 000 Sportler, und wenn man einmal bei Zahlen ist, kann man gleich weiter machen mit 22 000 Kissen, 232 Tonnen Kartoffeln und 75 000 Litern Milch.

Das olympische Dorf in London ist nichts, was in die Architekturgeschichte eingehen wird, eine moderne Hochhaussiedlung eben, aber hier zählt sowieso das Unsichtbare. Der olympische Geist. Und der bleibt wohl auch hier wohnen, wenn die olympischen und später die paralympischen Sportler ausgezogen sind, darauf hoffen jedenfalls die Nachmieter, alle Wohnungen sind schon jetzt verkauft.

Die größten Patzer von Olympia 2012. Eine Bildergalerie:

Wem langweilig ist, der kann das Sudoku in der Dorfzeitung lösen

Was in anderen Dörfern der Wettbewerb um den schönsten Vorgarten, ist hier der um den schönsten Balkon. Eine Fahne zur Verzierung ist dabei das Mindeste. Die Slowenen haben reihenweise Banner mit „I feel Slovenia“ aufgehängt, und man wüsste gerne, wie sich Slowenien anfühlt. Die Belgier, Polen und Kubaner haben rapunzellange Flaggen an ihren Balkonen befestigt, die mehrere Stockwerke in die Tiefe baumeln. Den Niederländern war selbst das zu wenig. Das Glas der Balkonbrüstungen glänzt in ihren Landesfarben.

Die deutschen Sportler können in ihrer Ecke des Dorfes gar nicht vergessen, für welches Land sie starten. Am Zaun des Mini-Vorgartens hängen Flaggen, die Handläufe im Treppenhaus sind mit schwarz-rot-goldenem Papier umwickelt und auch die Massageliegen sind in ihren Farben gehalten.

Lange wurde spekuliert, werd das Feuer entzündet. Es kam ganz anders:

Überall im Dorf begegnen den Sportlern Sprüche, „None of us is as good as all of us“, „Dit non au dopage“ und auf der bunten Bettwäsche steht „Excellence, Friendship and Respect“. Ihre Zeit können die Sportler im Klubhaus „Globe“ totschlagen, bei Billard oder Karaoke, die jeden Tag zwischen 16 und 18 Uhr angeboten wird. Wem dann immer noch langweilig ist, der kann noch das Sudoku in der Dorfzeitung lösen. Natürlich gibt es in einem olympischen Dorf auch ein Sportstudio. Auf dem Laufband rennen gerade Libanon und Jemen nebeneinander. Es sind allerdings etwas ältere Herrschaften. Um die Ecke geht es zur Sauna. Der Blick fällt zuerst auf einen medizinballgroßen Bauch eines russischen Betreuers.

Die deutschen Medaillenhoffnungen. Eine Fotostrecke:

Andere Dörfer haben einen Marktplatz fürs kleine Schwätzchen, dieses hier hat eine „Main Dining Hall“. Nach Regionen können sich die Sportler satt essen, es gibt europäisch, indisch, asiatisch, erstmals afrikanisch und karibisch, halal für die muslimischen Sportler und mitten im Raum „Best of Britain“. Einer aus der deutschen Mannschaft erzählt, dass ihm selbst dieses Beste nicht gut genug wesen sei. „Ein Auflauf mit Käse, Gemüse und Sauce, der einfach nach nichts geschmeckt hat.“

Auch Sportler können zu Fans werden, wenn einer der großen Stars in die Mensa kommt. „Serena Williams war sofort von 20 Leuten umringt, die ein Foto mit ihr machen wollten. Die konnte sich kaum ein Tablett nehmen“, erzählt Lisa Vitting. Usain Bolt soll es kaum besser gehen.

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