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Kurz vorm Untertauchen. Felix Magath, in Wolfsburg einst als Meistertrainer gefeiert, wird mehr und mehr für den Absturz des VfL verantwortlich gemacht. Foto: dpa

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Wolfsburg und Magath: Am Ende

Obwohl der VfL Wolfsburg jetzt Tabellenletzter ist, fürchtet Felix Magath noch nicht um seinen Job.

Eine derart rasante Entwicklung zum Positiven hat es beim VfL Wolfsburg lange nicht mehr gegeben. Die Mannschaft eilte quasi von Erfolg zu Erfolg: Von der Europapokal-Qualifikation zur Meisterschaft dauerte es ganze zwei Minuten, und bei diesem Tempo war der Gewinn der Champions League nur noch eine Frage der Zeit. Die Stimmung auf den Rängen konnte jedenfalls kaum besser sein. „Oh, wie ist das schön“, sangen die Fans des VfL. Oder: „Europapokal, Europapokal.“ Ihre Mannschaft steuerte gerade ungebremst auf die vierte Niederlage hintereinander zu. Der SC Freiburg führte zwar nur 1:0, aber an die Wende glaubte niemand mehr. „Wir haben es geschafft, die Heimfans auf unsere Seite zu bringen“, sagte Julian Schuster, der kurz vor Schluss den 2:0-Endstand erzielt hatte. Schuster irrte. Das hatten die Wolfsburger und ihr Trainer Felix Magath schon ganz alleine hingekriegt.

Es war eine gespenstische Atmosphäre in der Wolfsburger Arena. Schon bei der Vorstellung von Trainer Magath vor dem Spiel hatte es Pfiffe gegeben, später riefen die VfL-Anhänger „Magath raus!“ und feierten Lorenz-Günther Köstner, den Trainer der vereinseigenen U 23. Endzeitstimmung machte sich breit. „Wenn wir so weiterspielen, wird es schwierig, da unten rauszukommen“, sagte Wolfsburgs Mittelfeldspieler Thomas Kahlenberg. „Außer bei Standards haben wir keine Torgefahr entwickelt.“

In acht Saisonspielen haben die Wolfsburger ganze zwei Tore erzielt, nach vier Niederlagen hintereinander ohne einen einzigen eigenen Treffer sind sie jetzt am Tabellenende der Fußball-Bundesliga angekommen – zum ersten Mal überhaupt unter Magath. Ob die Platzierung die Mannschaft nun weiter verunsichern werde, wurde deren Trainer und Manager gefragt. „Verunsichert waren wir ja schon. Ich glaube nicht, dass sich das steigern lässt“, antwortete Magath. „Ich hoffe aber, dass wir jetzt erschrecken, wenn wir auch bildlich am Tabellenende stehen.“

Magath hat, selbst wenn er dem auf das Entschiedenste widerspricht, erheblich zu dieser Verunsicherung beigetragen. Man könnte fast sagen: Er erschreckt die eigenen Spieler jedes Wochenende aufs Neue – mit seiner Aufstellung. Gegen die Freiburger, die zuvor noch kein Auswärtsspiel gewonnen hatten, bot er im achten Saisonspiel die achte unterschiedliche Startformation auf. Von der Tribüne in die Startelf oder umgekehrt – das alles ist bei Magath möglich. Am Samstag erwischte es den Brasilianer Diego, der zuvor in allen Saisonspielen vom An- bis zum Abpfiff auf dem Feld gestanden hatte und diesmal ohne Ankündigung auf die Bank verbannt wurde. „Ich habe versucht, Diego ein Umfeld zu schaffen, in dem er am besten seine Fähigkeiten einsetzen kann“, sagte Magath. „Aber es war nicht so, dass sich das in guten Ergebnissen ausgedrückt hätte.“ Statt mit Raute und Diego als Spielmacher probierte es Wolfsburgs Trainer daher am Samstag mit einer flachen Vier im Mittelfeld, die Freiburger sollten über die Flügel geknackt werden. Es stellte sich als untauglicher Versuch heraus. „Ich gebe Ihnen recht: Das war heute genauso wenig erfolgreich“, gab Magath zu.

Das Prinzip Versuch und Irrtum ist so etwas wie das Leitmotiv seines Tuns geworden. Ein stringenter Plan lässt sich nicht erkennen, und rasche Besserung ist nicht in Sicht. Denn gemessen an den Millioneninvestitionen, die Magath tätigen durfte, verfügt der VfL über einen qualitativ eher unterdurchschnittlich besetzten Kader. Dass Magath mit diesem Personal in den Europapokal wollte, zeugt nur von seiner Selbstüberschätzung. Spieler wie Pogatetz, Schäfer, Olic, Träsch oder Kahlenberg stehen für blasses Bundesliga-Mittelmaß. Die beiden Besten der vorigen Saison – Mario Mandzukic und Petr Jiracek – wurden ohne Not verkauft. Ähnlich war es bei Ashkan Dejagah, der zumindest für das jetzt von Magath präferierte Flügelspiel eher infrage käme als jeder andere Spieler aus dem aktuellen Kader des VfL.

Es gibt nicht mehr viel, was für Magath spricht – und trotzdem steht seine Entlassung wohl nicht zur Debatte. Der Trainer und Manager selbst glaubt die mächtigen Herren des VW-Konzerns einstweilen noch hinter sich. Er sei immer in Gesprächen mit dem Aufsichtsrat und daher stets informiert. „Ich bin sicher, dass der Aufsichtsrat mir die Rückendeckung gibt“, sagte er. „Daran zweifle ich nicht jeden Tag, auch nicht bei einem schlechten Ergebnis.“

Die Geschichte hat allerdings gezeigt, dass der VfL-Aufsichtsrat in Zeiten der Not durchaus zu raschen Entscheidungen fähig ist und die Leidtragenden solcher Entscheidungen davon nicht vorab in Kenntnis zu setzen pflegt. Trotzdem scheint sich Magath seiner Position noch recht sicher sein zu können. Das liegt zum einen an seinen historischen Verdiensten um den Klub, am Gewinn der Meisterschaft vor 41 Monaten und dem erfolgreich bestandenen Abstiegskampf zwei Jahre später. Es liegt aber vor allem daran, dass der Verein sich seinem Trainer und Manager komplett ausgeliefert hat. Es gibt beim VfL jenseits von Magath keine funktionierenden Strukturen mehr, sportliche Kompetenz sowieso nicht. Felix Magath ist der VfL Wolfsburg, und der VfL Wolfsburg ist Felix Magath. Seine Entlassung wäre daher fast so etwas wie eine Neugründung des Vereins.

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