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Beflaggt und abgeschottet. Im Hotel Velmore Grande sollen die deutschen Spieler Ruhe im WM-Trubel finden. Foto: dpa

© dpa

Sport: Zebrastreifen im Nirgendwo

Das Hotel der deutschen Mannschaft liegt in der Einöde. Der DFB ist vom Quartier überzeugt – trotz Funklöchern und kalter Duschen

Auf die holprige Main Road 26 haben sie einen Zebrastreifen gepinselt, direkt vors Quartier der deutschen Nationalmannschaft. Und sogar die trockenen Gräser am Straßenrand wurden gestutzt – mit einer Mähmaschine. Das alles ist ziemlich bemerkenswert, weil südafrikanische Autofahrer gar nicht wissen, was sie an diesen weißen Strichen eigentlich machen sollen. Und auch die Gärtnerpflege am Straßenrand ist den Südafrikanern eher suspekt, weil die Gräser sonst einfach abgefackelt werden. Aber gut, die Gäste aus Deutschland sind da.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich südwestlich von Pretoria einquartiert. Das „Velmore Grande“, wie der kitschige Hotelkomplex mit düsterem Interieur heißt, befindet sich in der Steppe. Hinterm Haus stehen ausrangierte Kleidercontainer, ein paar Schritte weiter befindet sich der Bretterkiosk „General Dealer Suleman“ – sonst nichts. Müssen sich die Spieler ihr Quartier da nicht ziemlich schön reden? Per Mertesacker weicht aus und erzählt schnell von Fuerteventura, „das ist auch eine Mondlandschaft“. Immerhin, vorn beim neuen Zebrastreifen steht ein einsamer Münzfernsprecher im Gestrüpp. Mit dem können sich die Fußballer anrufen, weil sie ja sonst leider so ihre Probleme haben mit dem Handyempfang.

Ein Haustechniker fürs Telefon und einen Klempner für die kalten Duschen im Hotel lassen sich gewiss finden, ganz reibungslos läuft es sowieso nicht ab bei den knapp 20 WM-Teams, die in den Hotels dieser hügeligen Region eingecheckt haben. 52 Häuser hatte der Weltverband Fifa den Mannschaften in Südafrika empfohlen, darunter auch das Fünf-Sterne- Haus an der Main Road. Das Quartier hat der DFB den Engländern vor der Nase weggeschnappt, was in Deutschland ein feierliches Ereignis gewesen sein dürfte, so wie das Mopsen der Hotelliege.

„Südafrika ist eine Herausforderung“, sagt deshalb auch Georg Behlau, 41, der Büroleiter der Nationalmannschaft. „Jeden Tag arbeite ich an diesem Projekt, seit eineinhalb Jahren.“ Acht Mal war Behlau, die rechte und linke Hand von Teammanager Oliver Bierhoff, zuletzt in Südafrika, ehe „ich sehr guter Dinge war“. „Ich konnte das Land und das System nicht ändern, das wollte ich auch nicht, aber ich behaupte, dass wir Südafrika besser verstehen gelernt haben und umgekehrt.“

Vergessen ist nun auch der Knatsch, den es noch bis kurz vor dem Eintreffen des 70 Mann großen DFB-Trosses gab. Das Hotel hatte zahlreiche Auflagen zu erfüllen, wie der Hotel-Manager Heinz Mulder erzählt. Noch am Freitag hatte ein Gericht in Pretoria angesichts fehlender Baugenehmigungen strenge Auflagen angeordnet. Mulders Haus hatte wie von den Behörden verlangt Arbeiten an Wasserleitungen, Klimaanlage und Belüftung vorgenommen, Feuertüren und Feuermelder eingebaut, Dieseltanks entfernt sowie Hydranten und Feuerwehrschläuche beschildert. Auch ein Evakuierungsplan sei erstellt worden. Zudem muss Mulder täglich Wetterberichte einreichen, da das Hotel unterhalb der Flutlinie des Hennops River liegt – der allerdings ungefähr so spektakulär durch das Gelände des DFB-Quartiers plätschert wie die Panke im Berliner Stadtteil Pankow. Die größten Herausforderungen stellten für Georg Behlau das Klima, eine fremde Mentalität und die Logistik dar. Allein schon wegen der Entfernung musste genau überlegt sein, wann was vorausgeschickt wird. „Ich kann ja nicht plötzlich ein paar Lkw losschicken“, sagt Behlau.

Klimatisch haben die Deutschen eine gute Wahl getroffen. Es ist zwar ab den frühen Abendstunden bitterkalt, aber die Provinz Gauteng ist die stabilste Wetterregion im Winter, mit zahlreichen Sonnenstunden, wenig Niederschlägen und wenig Wind – der allerdings trotzdem ganz schön den roten Sand aufwirbeln kann (was sich nicht nur auf den schwarzen DFB-Anzügen beobachten lässt). Ganz im Gegensatz zur Region um Kapstadt herum, wo es im Winter auch mal drei Wochen am Stück regnen kann.

Auch rund um Durban am Meer hatte Behlau sich umgeschaut, in Abstimmung mit den Medizinern des DFB aber für die Höhenlage votiert. Die Akklimatisation an die Höhe werde den Spielern keinerlei Probleme bereiten, sagt Mannschaftsarzt Tim Meyer. „Sie wird auch nicht die WM entscheiden.“ Viele weitere Teams haben sich ebenfalls in diesem Landstrich ihre Quartiere ausgesucht, denn gut 20 der 64 WM-Spiele werden in rund 1500 Metern Höhe angepfiffen.

Gestört werden die Spieler in ihren 60 Quadratmeter großen Zimmern selten. Das Gelände ist mit dem obligatorisch grünen Sichtschutzzaun umgeben, im Gestrüpp parkt die Polizei. Und wenn dann doch mal ein paar deutsche Fans vorbeischauen – wie Patrick und Erich, beide Mitte 20 und aus Kaufbeuren – und fröhlich vorm WM-Quartier in ihr Megafon brüllen „Wir woll’n den Jogi sehen!“, sorgt der Sicherheitsdienst schnell für Ruhe. Dann ist es wieder schön still und leise an der Main Road 26.

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