zum Hauptinhalt
Erst allein mit dem Meer. Dann wird Sieger Francois Gabart umringt von Hunderttausenden am Ziel in Les Sables d'Olonne.

© VINCENT CURUTCHET / DPPI

Zielankunft beim Vendée Globe: Duell mit dem Schakal

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Francois Gabart und Armel Le Cleac'h. Der eine jung, unbekümmert, unverwüstlich. Der andere erfahren, ernst, konsequent. Die beiden Extremsegler haben das siebte Vendée-Globe-Rennen unter sich ausgemacht.

Wenn Armel Le Cléac’h zurückblicken wird, auf den Moment, in dem er abgehängt wurde, dann dürfte er an einen Montag denken. Der 7. Januar war ein gewöhnlicher Montag. Nichts unterschied ihn von den 28 Tagen davor, in denen sich der Franzose mit seinem Landsmann Francois Gabart beim Vendée-Globe-Rennen um die Welt einen packenden Zweikampf im Südpolarmeer geliefert hatte. Über 10 000 Meilen war das Paar gleichauf gesegelt, aber dann geschah es – auf der Höhe von Buenos Aires zog Gabart davon und wurde für seinen Verfolger uneinholbar. Er, den sie in der Hochseeseglerszene den „Schakal“ nennen, der schon ziemlich viel gewonnen hat und beim letzten Vendée Globe Zweiter geworden war, er war ausgetrickst worden von einem Burschen, der bis auf einen berühmten Mentor wenig vorzuweisen hatte.

Wenn der 29-jährige Gabart voraussichtlich an diesem Wochenende nach etwa 78 Tagen wieder in Les Sables d’Olonne an der französischen Atlantikküste eintrifft, wo Anfang November 21 Solosegler zu ihrer Reise aufgebrochen waren, dann wird er eine Erfahrung machen, auf die sich ein Mensch nur schwer vorbereiten kann. Trotz des angekündigten stürmischen Wetters wird mit zigtausenden Schaulustigen gerechnet, die den Heimkehrer begrüßen und die Hafenmole säumen. Plötzlich wird der Extremsegler aus seiner Einsamkeit gerissen, ein Schock für jemanden, der zweieinhalb Monate auf sich allein gestellt – wenn auch nicht von der Außenwelt isoliert – war.

Über Videobotschaften hat der blonde Youngster die Öffentlichkeit beinahe täglich von seiner Fahrt an Bord der Macif um den Erdball informiert (anzusehen auf www.vendeeglobe.org). Der Skipper fasste in mehr oder weniger gehetzten Worten die Ereignisse des Tages zusammen: „Voilá, heute mal wieder ein bisschen Sonne, und wärmer wird es ebenfalls.“ Was sollte er auch sonst sagen? Sein Denken kreist nur um eins: Wie das Boot schneller machen? Damit hat er sich nun in die Geschichtsbücher gesegelt. Den vor vier Jahren aufgestellten Rekord seines Förderers Michel Desjoyeaux, der 84 Tage benötigte, hat Gabart pulverisiert. Wenig habe ihn im Verlauf des Rennens „wirklich überrascht“, sagt er, „das heißt wohl, dass ich gut vorbereitet war“.

Verfolger Armel Le Cleac'h gilt als kühler Stratege. Sein Boot ist ein Schwesterschiff der siegreichen Macif.
Verfolger Armel Le Cleac'h gilt als kühler Stratege. Sein Boot ist ein Schwesterschiff der siegreichen Macif.

© VG / Banque Populaire

Auch Cléac’h - gesprochen: Kleasch - wird, sofern er wie berechnet nur knappe sechs Stunden später an Bord der Banque Populaire ankommen sollte, eine triumphale Szenerie erwarten. Aber der gewiefte Taktiker wird sich fragen: Was habe ich falsch gemacht? Er war es nach der Rundung Kap Hoorns leid geworden, von Gabart in eine Art ozeanisches Match Race verwickelt zu werden, bei dem der Führende seinem Verfolger stets einen Schritt voraus zu sein schien. Beinahe über die gesamte Strecke des Südozeans vom Kap der Guten Hoffnung an hatten die beiden dieses Spiel getrieben. Als sich vor ihnen eine Schwachwindzone auftat, spekulierte Cléac’h weiter westlich auf den Vorteil eines früheren Winddrehers, der aber ausblieb. Cléac’h fiel zurück. Eine weitere Gelegenheit für ein Überholmanöver bot sich dem 35-Jährigen nicht mehr. Abermals wird der hagere Bretone nur Zweiter.

Aber immerhin ist er angekommen. Das ist nicht selbstverständlich. Sieben Teilnehmer waren zuvor bereits ausgeschieden. Masten waren abgeknickt und Bootsrümpfe von im Meer treibenden Objekten aufgeschlitzt worden. Es gab Kollisionen und andere Probleme, die auf eine mangelnde Vorbereitung schließen ließen. Aber es zeigte sich auch der enorme Durchhaltewillen. Kurz vor dem Ziel verliert die an dritter Position segelnde Virbac-Paprec 3 von Jean-Pierre Dick ihren Kiel. Aber der Skipper denkt gar nicht an Aufgabe. Er hat die Wasserbalasttanks gefüllt, um das Boot zu stabilisieren und aus eigener Kraft nach Hause zu kommen. Bei ihm bleibt der Brite Alex Thomson, der seinen Konkurrenten nicht allein lassen will, während das berüchtigt schlechte Wetter des Nordatlantiks heraufzieht. Bei einer Kenterung der Virbac-Paprec 3 könnte er zur Stelle sein.

Es ist eine epische Reise, die Welt allein in einem Boot zu umrunden, um dort wieder anzukommen, von wo man aufgebrochen ist. Aber sie ist zur Kurzgeschichte geworden. Als sich zum ersten Mal 1967 ein paar Verwegene auf einen solchen Weg machten und vereinbart worden war, keine Hilfe von Außen anzunehmen und erst wieder am Ausgangspunkt der Reise an Land zu gehen, da benötigte der Sieger dieses legendären Rennens 313 Tage. Robin Knox-Johnston hieß er, war zuvor bei der britischen Handelsmarine und auf seinem Trip wochenlang unauffindbar gewesen, so dass man ihn schon abgeschrieben hatte. 1989 wurde die Idee der Nonstop-Umkreisung von französischen Soloseglern wieder belebt, seither stechen die Besten alle vier Jahre zu dieser härtesten Regatta in See, dem Vendée Globe. Sie sind jedes Mal schneller als zuvor, aber einen solchen Leistungssprung wie jetzt hat es noch nie gegeben. 15 Prozent schneller sind die Boote der Open-60-Klasse in den vergangenen vier Jahren geworden.

Plötzlich steht ein fremder Mensch an Deck

Das Rauschen der Wellen. Francois Gabart brach im Südozean den 24-Stundenrekord für Einhandsegler und legte eine Strecke von 1016 Kilometern zurück.
Das Rauschen der Wellen. Francois Gabart brach im Südozean den 24-Stundenrekord für Einhandsegler und legte eine Strecke von 1016 Kilometern zurück.

© Gabart /Macif

Am eindrücklichsten stellte Gabart das Potenzial der neusten Generation dieser radikalen Gleiter unter Beweis, die wie Jollen über die Wellen schießen. Seine Macif ist das jüngste Schiff der Flotte und vom Designbüro VPLP/Guillaume Verdier entworfen, das vier der sechs Neubauten konstruiert hat und momentan als die Top-Adresse gilt. Mit seinem 24-Stunden-Rekord von 545,3 Meilen – das entspricht etwa der Luftlinie von Berlin nach Florenz – setzte Gabart Mitte Dezember ein deutliches Ausrufezeichen. Obwohl sein Boot unter der Belastung der Geschwindigkeit so sehr ächzte und dröhnte, dass keines seiner Worte zu verstehen war, schien der „Golden Boy“ Gabart dem Material ganz vertrauen zu können. Jedenfalls gönnte er sich zur Feier des Tages eine kleine Flasche Weißwein.

Ein guter Designer kann einen Knoten mehr Speed aus einem Boot herausholen, sagt eine Faustregel, ein guter Skipper schafft drei bis vier Knoten. Da Gabarts Macif und Cléac’hs Banque Populaire baugleiche Schwesterschiffe aus der Feder von VPLP/ Verdier und sogar auf derselben Werft gebaut sind, wäre Gabart sicherlich nicht so schnell gewesen, wenn er nicht Cléac’h hätte auf Abstand halten müssen.

Das Duell dieser beiden talentiertesten Segler ihrer Generation war das spektakulärste, was die siebte Ausgabe des Vendée Globes zu bieten hatte. Diesmal war es nicht gespickt mit menschlichen Dramen, keiner, der mit gebrochenem Bein hilflos auf seiner Yacht im Nirgendwo des „Grand Sud“ ausharren musste, keine Kenterung.

Weil beide Hydrogeneratoren ausgefallen waren, mit denen das Boot mit Energie versorgt wird, lief der Schweizer Bernard Stamm die Auckland Islands an.
Weil beide Hydrogeneratoren ausgefallen waren, mit denen das Boot mit Energie versorgt wird, lief der Schweizer Bernard Stamm die Auckland Islands an.

© Stamm

Ein wenig Aufsehen erregte lediglich die sich über Wochen hinziehende Debatte darüber, ob Bernard Stamm, disqualifiziert werden dürfe. Der 49-jährige Schweizer, der bereits mehrfach das andere große Einhandrennen um die Welt, das in Etappen aufgeteilte Velux 5 Oceans Race (vormals: Around Alone), gewinnen konnte, hatte die Auckland Islands südlich von Neuseeland angelaufen, um im Schutz einer Bucht seinen Wassergenerator zu reparieren. Als das Wetter umschlug, drohte Stamms giftgelbe Cheminées Poujolat trotz Ankers abzutreiben. Die Crew eines nahen russischen Forschungsschiffs griff helfend ein, um eine Strandung zu verhindern. Plötzlich habe ein fremder Matrose auf seinem Boot gestanden, erklärte Stamm später, was eine Verletzung der Rennregeln ist. Er habe nichts dagegen tun können, beteuerte Stamm. Aber es half nichts. Da es ihm später nicht gelang, seine Energieversorgung wieder herzustellen, musste er bei Kap Hoorn von sich aus aufgeben.

So bleibt vor allem der Zweikampf an der Spitze in Erinnerung. Oft waren Gabart und Cléac’h vor kniffelige Entscheidungen gestellt, dann trennten sich ihre Wege, nur um viele hundert Meilen später wieder zusammenzuführen, ohne dass einer nennenswerten Vorsprung errungen hätte. Sie lösten einander in der Führung ab. Segelten sogar zuweilen in Sichtweite voneinander, wobei einmal zunächst Cléac’h ein Video von seinem Kontrahenten drehte, als der am Horizont hinter im auftauchte. Später war es Gabart, der den Anderen in seinem Heckwasser filmte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false