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Sport: Zu lange auf der selben Party

Statt eines Neuanfangs klammert sich Russland zwanghaft an das Rezept von 2008 und scheitert.

Es war eine mehr als eigenwillige Begründung, die der Chef des russischen Fußballverbandes für die 0:1-Niederlage gegen Griechenland präsentierte. „Die Griechen haben sich nicht als eine ausreichend starke Mannschaft erwiesen, weshalb die Russen ihre Meisterklasse nicht zeigen konnten“, sagte Sergej Fursenko. Er beeilte sich zu betonen, dass er auf keinen Fall zurücktreten werde, ein verlorenes Fußballspiel sei schließlich keine Katastrophe. Für viele russische Fans war der blutleere Auftritt gegen Griechenland jedoch genau das. Sechs Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land steht der russische Fußball vor einem Scherbenhaufen.

Nach der erfolgreichen EM 2008 hat der Verband versucht, sich an das bewährte Rezept zu klammern. Der von Heimweh geplagte Trainer Dick Advocaat musste lange überredet werden, die Auswahl zu betreuen, er sollte seinen Landsmann Guus Hiddink ersetzen, im Grunde genommen aber sollte er Guus Hiddink sein. Advocaats Abgang nach Eindhoven stand schon vor der Endrunde fest, einen Grund für einen Neuaufbau sah der Holländer nicht. Das Gros der überalterten Mannschaft hat in der russischen Premier Liga eine durchwachsene Saison hinter sich, außer Stürmer Alexander Kerschakow tauchte kein Offensivspieler im vorderen Teil der Torschützenliste auf. Auf die vernichtende Kritik russischer Zeitungen antwortete Advocaat bei seinem Abschied verbittert: „Es ist mir egal, wie die Leute über mich denken. Wir haben zuvor 16 Spiele nicht verloren. So ist Fußball.“

Russen wird oft nachgesagt, zu schnell zufrieden zu sein, so griffen auch einige Analysten nach dem Ausscheiden auf die Mentalität als Ursache für die Niederlage zurück. Nach dem 4:1 im ersten Spiel gegen Tschechien ließen sich die Spieler in der Heimat bereits feiern, wurden sogar von Joachim Löw überschwänglich gelobt, galten als Geheimfavoriten. Schon beim zweiten Auftritt gegen Polen fehlte der letzte Biss.

Akteure wie Andrej Arschawin und Roman Pawljutschenko waren nach der EM2008 nach England gewechselt, hatten dort zunächst getroffen, waren dann aber nur noch über den Platz stolziert und schließlich nach Russland heimgekehrt. Nach dem Auftaktsieg gegen Tschechien bei dieser EM waren sie schon der gefühlte Europameister. Dabei wurde in allen drei Spielen deutlich, dass der Mannschaft die Kondition für eine erneute Überraschung abgeht. Abseits aller Mentalitäten basierte das russische Spiel unter Hiddink auf schnellen Tempowechseln und überlegenem Laufspiel. Die älteste Elf dieser EM war dazu nicht in der Lage.

Die Zukunft des russischen Fußballs ist düster. Im Kampf um Zuschauergunst fällt die nationale Liga hinter die wesentlich professioneller aufgestellte Eishockeyliga KHL zurück. Gezielte Nachwuchsförderung ist gerade erst im Entstehen begriffen, ein neuer Nationaltrainer noch nicht da. Der wird um einen Neuanfang nicht herumkommen. Mit hungrigen Spielern, die auch gegen Gegner wie Griechenland ihre Klasse zeigen.

Advocaat sollte Hiddink nicht einfach ersetzen,

er sollte Hiddink sein

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