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© City-Press

Zukunftsplanung: So siegt die neue Hertha

Mit Mut und Fantasie bestechen genau jene Berliner Profis, auf die Trainer Lucien Favre für die Zukunft setzt.

Berlin - Die alte Hertha geht um viertel sieben. Mit müden, langsamen Schritten, die Zuschauer pfeifen, sie wollen nicht, dass die alte Hertha geht, und zum Dank dafür hebt die alte Hertha die Arme und grüßt Richtung Ostkurve, wo die Fans noch vor den Sitzen stehen. Hier wird die Stimmung gemacht im Olympiastadion.

Es ist dies eine halbe Stunde vor Schluss ein kritischer Augenblick für Lucien Favre. Hertha BSC liegt 0:1 gegen Werder Bremen zurück, es läuft nicht viel zusammen, und der Trainer nimmt den Publikumsliebling vom Platz. Marko Pantelic, der so viele Tore geschossen hat und von dem alle wissen, dass sein Verhältnis zu Favre zerrüttet ist. Nach langer Verletzungspause darf er das erste Mal von Anfang an spielen. Aber eben nicht bis zum Schluss. Für einen Moment droht die Stimmung zu kippen.

Eine halbe Stunde später redet niemand mehr von Marko Pantelic, es pfeift auch keiner mehr. Der spät herausgeschossene 2:1-Sieg hat Hertha zurück gebracht ins große Geschäft der Fußball-Bundesliga. Dieser 2:1-Sieg über Bremen ist mehr als nur das Ende einer von zuletzt drei Niederlagen in Folge gekennzeichneten Ergebniskrise. Es ist der Sieg des Mutes und der Fantasie des Mannes, der die neue Hertha aufbauen will. Es ist ein Sieg des Lucien Favre.

Von dem Schweizer Fußballlehrer ist bekannt, dass er das Risiko liebt. Gegen Werder hat er am Sonntag va banque gespielt. In einer Phase, in der die ganze Arbeit einer bisher so erfolgreichen Saison auf dem Spiel stand, legte Favre das Schicksal seiner Mannschaft in die Füße dreier Nachwuchskräfte. Lukasz Piszczek (23) kam für Maximilian Nicu, Waleri Domowtschiski (22) ersetzte Marko Pantelic. Die Krönung fand Favres Mut zum Risiko in der Einwechslung des Stürmers Amine Chermiti (21) für den Verteidiger Marc Stein.

Es hätte wohl reichlich Kritik gegeben für den gar nicht so unwahrscheinlichen Fall,das die Sache schief gegangen wäre. Ist sie aber nicht. Favre hat später genüsslich erzählt, seine Mannschaft hätte sich „erst nach einer Stunde richtig bewegt“. Piszczek veranstaltete in einer halben Stunde auf der rechten Seite mehr Betrieb als der zuletzt so glücklose Nicu in den vergangenen drei Spielen zusammen. Domowtschiski war zumindest körperlich und läuferisch deutlich präsenter als der schon nach einer Viertelstunde abtauchende Pantelic. Und dem kleinen Chermiti hatte Hertha nicht weniger zu verdanken als den späten Siegtreffer.

Im Kreise nicht weniger Fans war der Tunesier schon als Fehleinkauf abgestempelt worden. „Für ihn ist es eine schwere Situation“, sagt Trainer Favre. „In Tunesien kennt ihn jedes Kind und hier so gut wie keiner, dazu war er lange verletzt.“ Seine Angriffslust haben all diese Rückschläge nicht gebremst. Im Gegenteil. Keiner geht so rücksichtslos in die Zweikämpfe wie Amine Chermiti. Rücksichtslos gegen den Gegner, aber auch gegen sich selbst. Der Bremer Naldo wird wohl noch lange zurückdenken an diese Szene in der 87. Minute. 80 Prozent aller Zweikämpfe hat der Brasilianer am Sonntag gewonnen, nur diesen einen nicht, als er den Ball an der Mittellinie mit der Sohle zurückziehen wollte und plötzlich Chermiti herangeflogen kam. Plötzlich war der Ball weg und Chermiti auf dem Weg zum Tor. Sein Querpass fand den mitgelaufenen Raffael, dessen Gewaltschuss Hertha den kaum mehr für möglich gehaltenen Sieg bescherte. „Ein Konter im eigenen Stadion – das sieht man auch nicht oft“, sagte Trainer Favre.

Die von Chermiti gepflegte Kunst des Forecheckings ist nicht ganz unumstritten. Vor ein paar Wochen grätschte er bei einem Länderspiel mit langem Anlauf und gestreckten Beinen in den Lauf des Holländers Johnny Heitinga. Chermiti flog nur deshalb nicht vom Platz, weil Heitinga sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatte. Am Sonntag aber empfahl sich Chermiti mit der für ihn typischen Attacke für einen Platz in der Startelf. Vielleicht schon am Freitag in Hoffenheim? „Warum nicht?“, sagte Favre nach dem Auslaufen seiner Spieler am Montag. Wer die sparsame Rhetorik des Schweizers kennt, wird diese Bemerkung als ein deutliches Ja interpretieren.

Von der alten Hertha war am Tag nach dem Sieg über Werder übrigens nichts zu sehen. Marko Pantelic pausierte wegen einer Hüftverletzung.

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