zum Hauptinhalt

Sport: Zurück zu den guten alten Zeiten

WETTKAMPF DES TAGES Lange waren sie unschlagbar – dann kamen die Niederländer. Heute wollen die Deutschen mit Gold im Mannschaftswettbewerb die Vorherrschaft über das Dressurreiten wiedererlangen

Es gab Zeiten, da wusste ein deutscher Reiter, der ins olympische Dressurteam berufen wurde, dass er mit einer Medaille nach Hause kommen würde – sofern er nicht gerade vom Pferd fiel. Olympiasiege im Dressurreiten waren ein fester Posten in der deutschen Medaillenbilanz: mindestens eine Goldmedaille für das Team, vielleicht noch eine Einzelmedaille oder zwei. Damit ist es vorbei: Im vergangenen Jahr wurde die deutsche Championatsmannschaft auf dem Dressurviereck zum ersten Mal seit 1976 geschlagen, von den Niederländern bei der Europameisterschaft in Turin.

Das Duell zwischen den beiden Dressurgroßmächten bestimmt auch die Wettkämpfe in Hongkong. Für die Deutschen begann es am Mittwoch viel versprechend: Schwungvoll und fehlerfrei ritt Heike Kemmer, die erste Reiterin des deutschen Teams mit ihrem Pferd Bonaparte durch das Dressurviereck. Sie erhielt 72,25 Prozentpunkte, die beste Note bis dahin und deutlich mehr als der erste Reiter des niederländischen Teams, Hans-Peter Minderhout auf Nadine (69,625), der damit deutlich unter den Erwartungen blieb.

„Ich bin sehr zufrieden“, sagte Heike Kemmer. „Ich glaube, dass mein Pferd nichts hätte besser machen können. Die Noten sind zwar nicht sehr hoch, aber wichtig ist doch, dass am Ende die Relation stimmt.“ Die 46-jährige gebürtige Berlinerin, die jetzt in der Nähe von Soltau lebt, war vor allem zufrieden, dass ihr Pferd Bonaparte sich nicht wie schon bei früheren Gelegenheiten hat ablenken lassen. „Mein Pferd hat sich konzentriert, es hat sich ausgezahlt, dass wir den Pferden das Viereck vorher zeigen durften, auch und gerade bei der ungewohnten Flutlichtbeleuchtung.“ Normalerweise ist es den Reitern nicht gestattet, mit ihren Pferden das Dressurviereck oder auch den Springparcours vor dem Wettbewerb abzugehen. Um es Tieren und Menschen leichter zu machen, finden die meisten der olympischen Prüfungen abends statt. Unter dem vorgeschriebenen Frack und dem schwarzen Zylinder der Reiter dürfte es bei Temperaturen bis 35 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von häufig über 90 Prozent trotzdem warm genug werden.

Denn auch wenn die Dressur federleicht aussieht – für Pferd und Reiter sind die komplizierten Übungen sportliche Schwerstarbeit. Damit sich ein Pferd wie von unsichtbarer Hand geführt durch das 20 x 60 Meter große, genau abgesteckte Viereck bewegt, bedarf es jahrelangen Trainings und perfekter Harmonie. Denn nur wer seinem Pferd mit kleinsten Hilfen und Zeichen zu verstehen geben kann, ob es nun seitwärts, auf der Stelle oder doch geradeaus traben soll, kann dabei auch noch elegant im Sattel sitzen. Und um die ästhetische Vorstellung perfekt – und auch für Laien-Zuschauer interessant – zu machen, gibt es zu den Dressurübungen des Grand Prix Special auch noch Musik.

Eine die diesen Sport nahezu in Perfektion beherrscht, ist die deutsche Dressurreiterin Isabell Werth. Die Kür, die sie mit ihrem 14-jährigen Hannoveraner Satchmo zeigen will, gilt als besonders schwierig – und kann ihr daher viele Punkte einbringen. Fünf Mal hat sie schon olympisches Gold gewonnen – einmal in der Einzelwertung, viermal mit der Mannschaft – und einmal Silber. Ihre stärkste Konkurrentin Anky van Grunsven kommt, woher wohl, aus den Niederlanden. Auch sie ist zweifache Olympiasiegerin. Und auch van Grunsven hat sich eine knifflige Kür zurechtgelegt. Jeder Ton der speziell ausgewählten und zusammengeschnittenen Musik ist ganz genau auf die Bewegungen ihres 14-jährigen Salinero abgestimmt.

Wenn heute Abend die Medaillen für die Mannschaften verteilt sind, geht es bei diesen beiden Damen möglicherweise wieder um den Olympiasieg. Denn dass beide zu den 25 Besten des Grand Prix gehören werden, gilt schon vorab als selbstverständlich. Im Grand Prix Special, einer Aufgabe mit festen Lektionen, und der Kür, der freien Wahl der Lektionenfolge mit selbst gewählter Musik, entscheidet sich dann, wer auf dem Treppchen steht. Die Ergebnisse beider Prüfungen werden zusammengezählt. Bewertet werden die Dressurprüfungen von Richtern, die, ähnlich wie beim Turnen, Punkte vergeben. Offensichtliche Fehler sind zum Beispiel ein verpatzter Galoppwechsel oder ein Scheuen des Pferdes,

Erstmals seit 1984 dürfen in Hongkong nur noch drei statt vier Reiter pro Nation starten. Jedes Ergebnis zählt, es gibt kein Streichergebnis. Die deutsche Reiterin Heike Kemmer sieht der niederländischen Herausforderung jedoch gelassen entgegen: „Ich denke, wir können es schaffen. Wir haben uns im Training hier in Hongkong ganz auf uns konzentriert, an unseren Schwächen gearbeitet, nicht rechts und links geguckt.“ Klar ist jedoch: Auch in Hongkong wird den Deutschen keine Medaille in den Schoß fallen. Ganz große Pessimisten sprechen sogar von Bronze, denn nicht nur die Niederländer, auch die Reiter aus den USA, die vom früheren deutschen Bundestrainer Klaus Balkenhol trainiert werden, haben aufgeholt. Mit 70,417 zeigte die erste Reiterin des US-Teams, Courtney King auf Mythilus, dass aus dem Duell auch noch ein Dreikampf werden kann.

Das ZDF überträgt die Entscheidung im Dressurreiten Mannschaft und Qualifikation Einzel ab 13.15 Uhr.

Nikolaus Schmidt[Hongkong]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false