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Sport: Zwei sind zufrieden

Ullrich und Klöden wollen sich ihre Leistung nicht vermiesen lassen – ihr Teamleiter denkt da anders

Walter Godefroot wollte nicht die Partystimmung verderben, und so hielt sich der Teamchef von T-Mobile lieber fern. Nur Jan Ullrich und Andreas Klöden zeigten sich am Abend nach dem Einzelzeitfahren im Konferenzsaal des Hotels vom Team T-Mobile. Die beiden Jugendfreunde hatten sich gerade Platz zwei und vier der Tour de France gesichert und waren – nach Tagen der Abschottung – in der Euphorie vollbrachter Taten voller Mitteilungsdrang.

Doch die anwesenden Journalisten wollten sich nicht so richtig von der guten Laune der beiden jungen Männer anstecken lassen. Denn am Vormittag hatte sich der Teamchef von Ullrich und Klöden über seine beiden Fahrer beschwert. Godefroot hatte Ullrich einmal mehr mangelnde Professionalität attestiert. Dann hatte sich der Chef über das Team im Team, eben über Ullrichs Berater Rudy Pevenage beschwert, mit dem Godefroot im Übrigen nicht mehr reden mag. Zudem hatte Godefroot noch moniert, dass ihm von Konzernseite die Hände gebunden waren, als er Klöden anstelle Ullrichs zum Kapitän erheben wollte. T-Mobile wollte die Galionsfigur Ullrich nicht demontiert sehen, behauptete Godefroot.

Das alles wussten Ullrich und Klöden nicht, und so war Jan Ullrich einigermaßen verdutzt, dass die deutschen Journalisten nicht in seine Zufriedenheit über eine letztlich doch gelungene Tour und seine Freude über die tolle Leistung seines Kumpels Andreas Klöden einstimmen wollte. Ullrich spürte den Widerstand der Presse und wurde unruhig – immer wieder machte er auf die doch gelungene sportliche Mannschaftsbilanz aufmerksam und appellierte daran, doch das Erreichte zu respektieren.

Damit hatte er sicherlich Recht. Jan Ullrich hatte sich nach zwei schwarzen Tagen in den Pyrenäen berappelt, hatte nicht resigniert, hatte Kampfgeist und Charakter gezeigt, als er sich auf der letzten Alpenetappe, die Klöden beinahe gegen Armstrong gewonnen hätte, für seinen Freund eingesetzt hatte. Der bedankte sich dafür und erinnerte daran, dass das nicht gerade selbstverständlich sei. 1996, sagte Andreas Klöden, sei Ullrich auch stärker gewesen als Riis, und Riis habe Ullrich trotzdem nicht die Vorfahrt gelassen. Und selbstverständlich war es großartig, wie Andreas Klöden furchtlos in den Alpen und in den Pyrenäen mit den ganz Großen seiner Zunft mitradelte und wie er im abschließenden Zeitfahren in Besancon dann im Sekundenkampf den Italiener Basso niederrang, um Tourzweiter hinter Armstrong zu werden.

Ullrich und Klöden haben schönen Sport geboten und Kameradschaft sowie Kampfgeist bewiesen. Ihre Tragödie ist jedoch, dass sie sich an einem Besessenen messen lassen müssen. „Harte Arbeit“, nennt Lance Armstrong sein Erfolgsgeheimnis. Der Sieger der Tour weiß, dass diese Bezeichnung ein Euphemismus ist. „Wenn man mich fragt, was ich am Weihnachtstag mache, ist die Antwort: Radfahren. Wenn man mich fragt, was ich am ersten Januar mache, ist die Antwort: Radfahren“, sagt der US-Amerikaner. Sein Tour-Sieg sei das Resultat von 365 Tagen Arbeit, sagt er, und kann sich einen Seitenhieb auf seine deutsche Konkurrenz nicht verkneifen. „Habe ich sechs Wochen vor der Tour zehn Kilo Übergewicht? Bestimmt nicht.“ Und: „Alle bei uns haben die gleiche Einstellung. Ich bin es nicht allein, der für die Tour lebt und atmet, es ist das ganze Team.“

So eine Mannschaft wünscht sich Godefroot auch, doch der 61-Jährige glaubt nicht mehr daran, dass das jemals passieren wird. „Wenn Jan im Januar nicht trainieren will, dann kann ich das wohl nicht ändern.“ Eine Kombination aus der Professionalität Erik Zabels und dem Talent Ullrichs wünscht er sich. Das, sagt Godefroot, wäre der neue Eddy Merckx.

Andreas Klöden besitzt ganz offensichtlich großes Talent. Und seit er mit dem Erfolgstrainer Thomas Schediwie zusammenarbeitet, wohl auch mehr Professionalität. Das Talent eines Lance Armstrong hat aber auch er wohl nicht. Klöden ist Zweiter bei der Tour geworden. Sein Wunsch ist jedoch, im nächsten Jahr wieder mit seinem Kumpel Ullrich zusammen zu trainieren, der im Nachbarort am Bodensee wohnt. Und wieder zusammen bei T-Mobile die Tour zu fahren, weil es so viel Spaß gemacht hat. Das ist irgendwie sympathisch. Einem Lance Armstrong ringt es jedoch bestenfalls ein Lächeln ab.

Sebastian Moll[Paris]

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