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Hat noch gut lachen: Peter Radunski gehört zum Urgestein des Politikbetriebs in Deutschland und hat immer darauf geachtet, Distanz zu wahren.

© Kai-Uwe Heinrich

Ex-Senator in Berlin: Peter Radunski - der erste Spindoctor der Republik

Er war Kampagnen-Manager, Kanzlerberater und in Berlin Senator. Jetzt hat Peter Radunski seine Biografie geschrieben. Ein Treffen mit dem Altmeister der Wahlkämpfe.

Manchmal entscheiden Kleinigkeiten. Peter Radunski, einer der erfahrensten Wahlkampforganisatoren in Deutschland, denkt ein Weilchen über die Frage nach, auf welchen Hinweis in welchem Wahlkampf er ganz besonders stolz sei. Dann sagt der Mann, der daran mitwirkte, dass aus Helmut Kohl ein politischer Riese geworden ist, etwas Erstaunliches. Er spricht von einer Uhrzeit. Radunski erzählt, dass er bei der Kampagne zur Volkskammerwahl 1990, nach Monaten des Herumreisens und der Gespräche in der Noch-DDR, anregte, den Termin für Kohls Rede bei einer Großkundgebung in Erfurt nicht auf den Abend zu legen, wie im Westen üblich. Die Kundgebung sollte um 16 Uhr beginnen – „wenn die Leute von der Arbeit kommen“, sagt Radunski. Und so sei der Versammlungsort um 15.45 Uhr noch gähnend leer gewesen. Doch „um fünf nach vier kamen die Leute – wie organisiert“.

So geht Wahlkampf, so geht Politik: mit Sinn für Organisation, mit Sinn für Bilder, für Zusammenarbeit, für das, was passt, für Sprache. Noch mal 1990, Volkskammerwahl. Bei seinen Reisen durch Ostdeutschland habe er „früh gemerkt: Die sprechen eine andere Sprache“. Also musste das CDU-Programm angepasst werden. „Da hat uns Angela Merkel geholfen.“

Radunski, jetzt 75 Jahre alt, hat eine Sicht auf die Politik wie nur wenige: Er war Berater und Entscheider, Organisator und Senator. Er begann 1976 als CDU-Wahlkämpfer, wurde 1981 Bundesgeschäftsführer der Partei von 1981, machte Wahlkämpfe bis 1991. Es folgten Jahre in der Berliner Politik. Dass Radunski, der Jurist, Politologe und Berufspolitiker 1996 ausgerechnet das Amt des Senators für Kultur, Wissenschaft und Forschung übernahm, dürfte den ein oder anderen Schnösel in der feingeistigen Berliner Szene zu dem Spottnamen „Kugelblitz“ animiert haben, in Anspielung auf die gedrungene Rundlichkeit des Politikers.

Was wird Angela Merkel nach zwölf Jahren machen?

Nach dem Machtverlust der Berliner CDU machte Radunski wieder Wahlkampf, managte zum Beispiel die Kampagne für Wolfgang Böhmer in Sachsen-Anhalt. Er war bei grandiosen Erfolgen dabei, und er hat Niederlagen kennengelernt. Das gibt seinen Einschätzungen etwas angenehm Trockenes, Abgeklärtes. Gewiss, er ist ein Christdemokrat, er hat seine Werte, doch alles Parteisoldatenhafte, dieses betonte „Nur wir sind die Guten“, geht ihm völlig ab. So schreibt er in seinem neuen Buch „Aus der politischen Kulisse“, er habe im Lauf seines Lebens alle Kanzler persönlich kennengelernt, „so dass mich ihr Schicksal immer besonders interessierte.“ Dann kommt er auf die erste Kanzlerin: „Bei der Bundestagswahl 2017 wird Angela Merkel zwölf Jahre im Amt sein. Adenauer hatte nach zwölf Jahren Amtszeit die Auflage bekommen, zwei Jahre später zurückzutreten. Nach zwölf Jahren im Kanzleramt regierte Kohl noch weitere vier Jahre, die wenig erfolgreich waren. Was wird Angela Merkel nach zwölf Jahren machen? Sie hat bisher gezeigt, dass sie mit der Herrschaft ungewöhnlich gut umgehen kann. Wird sie die Erste sein, die selbstbestimmt abtritt?“

Peter Radunski ist ein Beratungs-Routinier, kein Seher. Dennoch hat er seine Thesen zur Politik in Deutschland, und die lassen spannende Zeiten erwarten. Radunski glaubt nämlich nicht, dass dieses Mittige, Konsensbetonte, Kantenlose der heutigen Politik die Zukunft ist. Viele meinen ja, dass der Linksdrift der CDU unter Merkel die allgemeine Politikverdrossenheit befördert hat. Radunski sieht eher „eine sehr deutsche Konstellation“ – und macht bei der Gelegenheit dezent ein bisschen Wahlkampf: Merkel sei doch dafür zu bewundern, wie sie „diese Konstellation moderiert“.

Dass die Politik so konsensbetont ist, sei vom Grundgesetz gewollt. „Macht ist in unserer Gesellschaft durch Konsens abgefedert“, schreibt er in seinem Buch. Im Gespräch führt er das aus. Heute zeige sich – Stichwort Pegida –, „dass nicht alle mit der Konsensdemokratie zufrieden sind“. Er erwarte deshalb, „dass die Wahlkämpfe wieder lauter werden. Die FDP muss lauter werden, die AfD muss laut sein.“ In so einer Situation könne die CDU „nicht mit milden Tönen an der Macht bleiben. Angela Merkel kann den jeweils für die Situation nötigen Ton treffen“. Die deutsche Politik – oder die Debatte über sie – ist womöglich gerade in einem Umschwung, weg von der Konsensbetonung und der rundgelutschten Mittigkeit. „Ich bin allerdings auch sicher, dass das nicht immer so weitergeht“, sagt Radunski.

Entbehrung und Armut haben Radunski zum Aufsteiger werden lassen

Erste Anzeichen dafür habe die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache gegeben, indem sie in Richtung Pegida sagte: Geht da nicht hin! Radunski lässt ahnen, dass er dieser Entwicklung etwas abgewinnen kann: „Ein bisschen Ideologie= Emotion wird man brauchen, wenn man Politik interessant haben will“, sagt er, „wenn jedes Problem zum Technikum wird, ist es keine Politik mehr.“

Noch immer wirkt Radunski, als könne er sich keinen faszinierenderen Beruf als Politiker vorstellen – allenfalls noch Politikberater. Dabei hat es, wie er in seinen politischen Erinnerungen schreibt, „18 Semester“ gedauert, bis aus dem unpolitischen Jurastudenten ein engagierter junger Unions-Mann geworden war. Da lagen eine Kindheit und eine Jugend hinter ihm, die er so sachlich wie anschaulich schildert. Um es mit einem Wort zu sagen: Entbehrungsreich war diese Zeit. Entbehrung und Armut haben den jungen Radunski zum Aufsteiger werden lassen, zu einem Schüler und dann Studenten, der mit Bildung aus seinem Leben etwas machen wollte.

Politik als Beruf war für ihn ganz einfach eine Möglichkeit von mehreren in einer Zeit, in der Politiker das Wort alternativlos nie verwendet hätten, weil die Gegensätze zwischen ihnen die Alternativen deutlich machten. Radunskis liberale Einstellung in einer wertegebundenen Partei, der CDU, ließ ihn die Reformbedürftigkeit in der Nach-Kanzlerwahlverein-Phase schnell erkennen. Das verband ihn mit Helmut Kohl.

Machterhaltung ist ein Gesamtkunstwerk

Als Radunski die Öffentlichkeitsarbeit für den Mann aus der Pfalz übernahm, verstand er schnell, „wie PR-Beratung bei Helmut Kohl funktionierte. Er hörte sich Ratschläge an, wollte aber nicht nach der Pfeife von Beratern tanzen.“ Radunski bestreitet, dass Kohls damals neue Brille ihm von den Öffentlichkeitsarbeitern nahegelegt worden ist – er habe sich wohl Rat von einem Fernsehtechniker geholt und sei dann zum Optiker gegangen. „Mit der Kleidung war es ähnlich wie mit der Brille. Die Adresse eines Schneiders genügte, und Helmut Kohl war über Jahrzehnte hinweg passend gekleidet.“

Man kann von Radunski viel über Politik lernen und sicher nicht weniger über Politikberatung. Das amerikanische Wort „Spindoctor“ gehört in dem Zusammenhang nicht zu seinen Lieblingsbegriffen. Noch immer laufen die Debatten und die Wahlkämpfe in Deutschland langsamer als in den Vereinigten Staaten, daher geht es bei der Politikberatung auch weniger darum, den Gefechten um Meinungsführerschaft und die Interpretation von Auftritten einen gewissen Dreh zu verpassen. Erfolgreiche Politik, Machterhaltung ist ein Gesamtkunstwerk. Am Anfang manchen Gesprächs mit einem Politiker stehe die Frage „Was willst du eigentlich?“, sagt Radunski. Da habe er als Berater Erfahrung mit so einigen Senatorenämtern, so „dass ich mir sehr gut vorstellen kann, wie es dem, der mir gegenübersitzt, geht“.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 27. Januar 2015 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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