zum Hauptinhalt
Bundeswehrsoldaten gehen auf dem Flughafen von Kundus in Afghanistan zu einer Transportmaschine vom Typ Transall C-160.

© Michael Kappeler/dpa

Debatte zur Zukunft der Bundeswehr: Nicht weniger Auslandseinsätze, sondern anders

Militärische Interventionen verlagern sich von der Durchsetzung deutscher Interessen zum Schutz von Menschen, analysiert der SWP-Sicherheitsexperte.

Die deutsche Politik hat mittlerweile mehr als zwanzig Jahre Erfahrung mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die abgeschlossenen und noch laufenden Missionen haben dabei sehr unterschiedliche Aufgaben umfasst – von der Reform des Sicherheitssektors in der Demokratischen Republik Kongo über die Pirateriebekämpfung im Indischen Ozean bis zur Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Gewährleistung von Sicherheit und der Bekämpfung von Aufständischen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Diese Einsätze haben das außenpolitische Selbstverständnis der Bundesrepublik erheblich beeinflusst. Bis zu Beginn der 1990er Jahre war es von dem Konsens getragen, dass die Anwendung militärischer Gewalt nur zur Bündnis- und Landesverteidigung eingesetzt werden dürfe.

Trafen die veränderten Anforderungen der Weltpolitik die „alte“ Bundesrepublik zu Beginn der 1990er Jahre noch recht unvermittelt, entwickelte sich in diesem Jahrzehnt in der politischen Elite eine wachsende Bereitschaft, sich an internationalen Einsätzen, die von der Nato, der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen geführt wurden, zu beteiligen. Diese Bereitschaft speiste sich aus einer Reihe von Konflikten der Weltpolitik, mit denen die Bundesrepublik konfrontiert war, z.B. die Zerfallskriege Jugoslawiens oder die Terroranschläge vom 11. September 2001. Eine Reihe von Gründen lassen vermuten, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr in den kommenden Jahren nicht verschwinden, aber sich erheblich verändern werden, was ihren Umfang und ihre Ziele betrifft.

Internationale Krisen werden nicht weniger

Ein erster Grund ist die „Krisenstabilität“ der internationalen Politik. Die deutsche Sicherheitspolitik wird auch zukünftig mit Konflikten konfrontiert werden, die eine Bedrohung der internationalen und möglicherweise der deutschen Sicherheit darstellen. Dabei kann es sich um „traditionelle“ zwischenstaatliche Kriege handeln, aber auch um innerstaatliche Konflikte, die gewaltsam ausgetragen werden, z.B. Bürgerkriege entlang politischer, ethnischer oder religiöser Bruchlinien. Zumeist wird ein möglicher Bundeswehreinsatz jedoch nicht dadurch ausgelöst werden, dass deutsche Interessen betroffen sind, sondern häufiger durch humanitäre Erwägungen, d.h. wenn eine Konfliktpartei gewaltsam gegen die Bevölkerung vorgeht bzw. vorzugehen droht und dabei Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen oder andere Straftatbestände des Völkerstrafrechts  erkennbar werden bzw. befürchten sind.

Ein zweiter Grund sind die Selbst- bzw. Fremderwartungen an die Bundesrepublik als einer sicherheitspolitischen Mittelmacht mit globaler Verantwortung. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker haben in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass die Bundesrepublik auf Grund ihrer eigenen Interessen größere Verantwortung für die internationale Sicherheit zu schultern bereit sei. Damit haben sie nicht nur einem veränderten Selbstverständnis deutscher Sicherheitspolitik Ausdruck verliehen, sondern auch bei anderen Regierungen Erwartungen geweckt,  die nunmehr von diesen verstärkt an die Bundesrepublik herangetragen werden. Berücksichtig man zudem, dass die Führungsrolle, die der Regierung Merkel bei der Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise, des Ukrainekrieges und der aktuellen Migrationsherausforderung  zugewachsen ist, von den Verbündeten nunmehr auch in anderen außenpolitischen Feldern gefordert wird, so wird offensichtlich, dass zukünftige Bundesregierungen sich Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht werden vollständig entziehen können.

Markus Kaim ist Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik
Markus Kaim ist Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik

© SWP

Andererseits beschränkt auch eine Reihe von Faktoren die deutsche Sicherheitspolitik darin, die Auslandseinsätze der Bundeswehr in den kommenden Jahren in Form und Umfang einfach fortzuführen.

Die skizzierte Phase der Interventionszustimmung in der politischen Klasse und der Öffentlichkeit der 1990er Jahre ist vorbei und hat einer Interventionsmüdigkeit gemacht, die vor allem die Frage betrifft, welche Ziele mit einem solchen multilateralen Militäreinsatz erreicht werden können. Häufig sind diese Einsätze in einer kurzfristigen Perspektive militärisch ein Erfolg. Ob jedoch mittel- und langfristig die angestrebten deutschen und europäischen Ordnungsvorstellungen umgesetzt werden können, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das Ergebnis waren bzw. sind Auslandseinsätze, die scheinbar kein Ende nehmen und Einsätze, die bereits kurze Zeit nach ihrem Abschluss als politisch erfolglos bewertet werden müssen.

Auslandseinsätze werden als teuer, wirkungslos und daher verzichtbar wahrgenommen

Hinzu tritt eine Innenwende deutscher und europäischer Außenpolitik: Auf Grund der Auswirkungen der europäischen Finanz- und Schuldenkrise haben sich die Prioritäten deutscher Politik verschoben. Die politische Umgestaltung des europäischen Integrationsprozesses und die Bewältigung der haushaltspolitischen Lasten genießen größere Aufmerksamkeit als die Gestaltung der internationalen Sicherheit und das globale Krisenmanagement. Angesichts dessen gibt es auf absehbare Zeit keine Mehrheiten für weitere große Auslandseinsätze, die als teuer, wirkungslos und daher verzichtbar wahrgenommen werden.

Schließlich beschränken auch die finanziellen Rahmenbedingungen deutsches und europäisches Handeln. Zwar wird der deutsche Verteidigungshaushalt im kommenden Jahr leicht steigen. Damit gehört die Bundesrepublik im europäischen Vergleich aber zu den Ausnahmen. Viele EU-Staaten werden hingegen ihre Fähigkeit reduzieren müssen, an internationalen Einsätzen teilzunehmen, oder diese ganz verlieren. Das Ergebnis werden weniger und kleinere Auslandseinsätze der EU, der Nato und der UN unter Beteiligung der Bundeswehr werden. Vor allem wird sich ihre Funktion ändern: Zielten frühere Missionen auf die grundlegende Umgestaltung einer staatlichen Ordnung nach dem Ende eines Konfliktes, z.B. in Afghanistan, wird es nunmehr um Einsätze gehen, die einzelne Regierungen befähigen, sicherheitspolitische Herausforderungen selbständig zu bewältigen. In diesem Sinne weist die deutsche Beteiligung an den EU-Trainingsmissionen  für Somalia und den Mali den Weg für die kommenden Jahre.

Mehr Debattenbeiträge zur Zukunft der Bundeswehr finden Sie auf unserem Debattenportal

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false