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Von Grunewald aus in den Tod. Berliner Juden mussten am Gleis 17 in Züge steigen, die sie in Vernichtungslager transportierten. Zum Gedenken wurden nun weiße Rosen niedergelegt.

© Thilo Rückeis

Gedenken an Judendeportationen in Berlin-Grunewald: Reise ohne Wiederkehr

Am Bahnhof Grunewald wurde der Deportation Berliner Juden während der NS-Zeit gedacht. Schüler gestalteten eine Gedenkstunde am Mahnmal Gleis 17.

Es ist so wie jedes Jahr und anders. „Wem konnte man noch trauen?“, fragen Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in ihrer biografischen Collage. Diesmal gestalten sie an Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald den Ablauf der Gedenkstunde, die den Beginn jener Deportationen in Erinnerung ruft, mit denen ab Oktober 1941 über 50000 Berliner Juden „nach Osten“ transportiert wurden.

Die Schüler berichten von Max Levi, den Nachbarn wegen Rassenschande denunzierten, weil er eine Nichtjüdin liebte. Sie verlesen Lebensdaten von Krankenschwestern des Jüdischen Krankenhauses, zwei davon haben sich – 36 und 43 Jahre alt – vor der Verschleppung selbst getötet. Die Schüler versuchen mit selbst gemachter Lyrik und Reflexionen auszudrücken, wie die Recherche sie mitgenommen hat.

Man wolle zeigen, „wozu Menschen fähig sind, im Schlechten wie im Guten, und dass wir immer die Möglichkeit haben zu entscheiden, auf welcher Seite wir stehen“, sagte eine von ihnen. Der junge Trompeter Felix Mehlinger spielt die „Air“ von Johann Sebastian Bach und den „Chor der Gefangenen“.

Das Signal der Zivilgesellschaft, die hier zum Niederlegen weißer Rosen antritt, scheint überschaubar: Es sind weniger, im Vergleich zu den Vorjahren. Kulturstaatssekretär Tim Renner ist da und sein Vorgänger André Schmitz, der das Gedenkthema während seiner Amtszeit besonders forciert hatte. Margot Friedländer, die das „Dritte Reich“ untergetaucht in Berlin und zuletzt als Häftling in Theresienstadt überlebte, erzählt, wie in dem tschechischen KZ ein Waggon aus Auschwitz eintraf: Als sie die Sterbenden dieses Transports gesehen habe, sei ihr klargeworden, was „der Osten“ bedeutete - dass sie ihre deportierte Mutter, den Bruder und die Cousine nicht mehr wiedersehen werde.

„Und wenn damals Lokführer gestreikt hätten?“, fragt Andreas Nachama von der Stiftung Topographie des Terrors. Für ihn als Historiker verbietet sich das „Wenn“ des kühnen Gedankens aber sofort. Die Frage nach Quantität und Qualität der Solidarität steht trotzdem im Hintergrund dieser Veranstaltung.

Dass es auf den Einzelnen, mitunter auf wenige ankommt, klingt auch im Grußwort der Staatsministerin für Kultur und Medien durch. Monika Grütters dankt der Nachwuchsgeneration: „Wichtig ist, dass ihr da seid, wichtiger als wir Alten! Zieht euch nie zurück auf die Haltung, dass es auf das, was ihr tut, nicht ankommt.“ Sie zitiert aus einem Flugblatt: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um eurer Herz gelegt habt.“ Der Text stammt von der Studentengruppe „Weiße Rose“.

- Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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