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Winfried Becker ist Leiter der Straßenreinigung bei der BSR. Aber er hat auch ein Auge aufs Wetter, denn er ist auch oberster Winterdienstchef.

© Thilo Rückeis

Wie funktioniert die Stadt? (6): Waschen, streuen, fegen

Jede Jahreszeit hat ihre Herausforderungen. Winfried Becker weiß das. Er leitet die Straßenreinigung der BSR

Wer wissen will, wie das Wetter wird, kann ja Winfried Becker fragen. Er studiert jeden Mittag den 15-Tage-Trend sowie die Detailvorhersage für die nächsten drei Tage und spricht sich mit seinem Winterdienstverantwortlichen ab. Der plant dann mit seinen Mitarbeitern grob die Einsätze für die nächsten Tage. Becker leitet die Straßenreinigung bei der BSR und ist damit auch oberster Winterdienstchef. Für ihn macht es einen Riesenunterschied, ob ein Schneeschauer mit Ansage kommt oder ohne. Kommt er unangekündigt, müssen 200 Streuwagenfahrer nachts alarmiert werden. Kommt er wider Erwarten nicht, sitzen auf den Betriebshöfen morgens ab drei Uhr murrende Kollegen, die dann um sechs mit der regulären Straßenreinigung beginnen. Im schlechtesten Fall kommt der Schnee genau dann, wenn die zu früh geweckten Mitarbeiter nach der Straßenreinigung endlich Feierabend haben und der nachmittägliche Berufsverkehr beginnt.

Winterdienst und Frühjahrsputz

Becker wirkt nicht, als könne ihn irgendein Wetter aus der Ruhe bringen. Der 65-Jährige – „Ich mach noch zwei Jahre!“ – erinnert sich an den Katastrophenwinter 1978/79, als er beim Ost-Berliner Stadtwirtschaftsbetrieb als Schichtleiter ebenfalls für freie Straßen zu sorgen hatte, aber der Streusand auf den Lastwagen klumpte und der Sturm immer mehr Schnee durch die bitterkalte Stadt blies. „Salz gab es ja nur für die Protokollstrecke nach Wandlitz.“ Gemessen an jenen Zeiten würde Becker zu heutigen Wintern wohl sagen, dass wir hier nicht in Haiti sind, wenn man das noch sagen dürfte. Er konstatiert zumindest, dass nicht nur die Streufahrzeuge mit ihrem computerdosierten Zweikomponenten- Salzmix besser sind als früher, sondern auch die Wetterprognosen: „Wir müssen die Rufbereitschaft deutlich seltener aktivieren als noch vor 10 oder 15 Jahren.“

Außer dem Winter prägen vier weitere Jahreszeiten Beckers Berufsleben: Frühjahrsputz, Baumblüte, Draußenzeit und Laubfall. Alle haben Tücken: Wenn es so lange so schön bleibt wie diesen Herbst, lässt sich das Laub zwar gut zusammenkehren. Aber es ist dann doppelt so voluminös wie in nasskalten Jahren, in denen es als Matsch zusammenklebt. Der Unterschied kann 30 000 Kubikmeter ausmachen; rund 600 Lastwagenladungen. Der Frühjahrsputz wiederum hängt vom Winter ab: Becker zitiert gern die Parole der BSR, dass die Stadt bis Ostern grundgereinigt sein soll. Nur wird das schwierig, wenn der Schnee nicht tauen will und bis zu 50 000 Tonnen Streumittel – gut 10 000 Streufahrzeugladungen – zusammengefegt werden müssen.

Sommernächte sichern Arbeitsplätze

Nach dem Frühjahrsputz, blühen die 440 000 Straßenbäume: klebrig die Linden, fusselig die Pappeln, üppig die Robinien. Durch die Ritzen im Pflaster sprießen grüne Halme. Geschulte Mitarbeiter dürfen sie in streng und genau begrenztem Umfang mit einem Herbizid bekämpfen, kontrolliert vom Pflanzenschutzamt. Der große Rest bleibt Handarbeit. Im Hochsommer feiern Berliner und Touristen lange Nächte unter freiem Himmel – deren Folgen die Arbeitsplätze vieler Straßenreiniger sichern. Immerhin, sagt Becker, habe er kein Nachwuchsproblem, im Gegenteil: Wenn es jemand bezahlen würde, könnte er sofort noch mehr Leute einstellen als die 2200, die jetzt zu seinem Bereich gehören. Wer einmal im Job angekommen sei, bleibe in aller Regel bis zur Rente. Während die Müllabfuhr Männersache bleibt, stellt die BSR seit 2010 bei der Straßenreinigung gleich viele Männer wie Frauen ein.

Zur Straßenreinigung gehört auch Forschung, etwa zum Inhalt der 21 500 Papierkörbe. Aus Langzeitvergleichen weiß Becker, dass dort weniger Einwegglas landet als früher, dafür mehr To-Go-Kaffeebecher, so dass die Eimer öfter geleert werden müssen. Auch der vorangeschrittene Nichtraucherschutz hat Nebenwirkungen: Beckers Leute müssen viel mehr vor der Tür gerauchte Kippen aus Pflasterritzen klauben. Im Urlaub schaut er oft neidisch auf die einbetonierten Gehwegplatten in anderen Ländern: Die können einfach per Hochdruckreiniger geputzt werden.

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