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Aus Berlin... für Deutschland! Auch in der Nationalmannschaft spielten Sven Felski (rechts, 37) und André Rankel (26) schon gemeinsam.

© dpa

Zwei Eisbären-Profis im Interview: „Ost-Ost-Ost-Berlin ist total unpassend!“

Sven Felski und André Rankel sprechen zum Auftakt der Play-offs im deutschen Eishockey über Klubtreue, Heimatverbundenheit und ihre besonderen Rollen bei den Eisbären.

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André Rankel, Sven Felski, Sie sind beide eine Seltenheit im Eishockeysport.

FELSKI: Wieso das denn?

Sie haben in Ihren langen Profikarrieren nie für einen anderen Klub als die Eisbären gespielt.

FELSKI: Meine Familie ist hier, meine Freunde sind hier, der Verein ist professionell geführt, und wir sind erfolgreich. Da gibt es doch gar keinen Grund zu wechseln.

RANKEL: Ich bin auch in Berlin groß geworden. Und dann muss man ja auch sagen, dass man in Deutschland keinen besseren Verein finden kann als die Eisbären. Wir spielen jedes Jahr um die Meisterschaft mit.

Verspüren Sie nicht einmal den Reiz, sich irgendwo anders durchzusetzen? Es sich zu beweisen?

FELSKI: Sollen wir jetzt nach Straubing wechseln oder wie? Im Ernst, eigentlich ist es doch eher umgekehrt: Viele Spieler wollen unbedingt nach Berlin kommen.

Wie wäre es statt mit Straubing mit Amerika, Herr Rankel? Ihr Trainer Don Jackson sagt immer wieder, Sie hätten das Potenzial, in der NHL zu spielen. Und Sie, Herr Felski, hatten kurz nach der Wende ein Angebot von den San Jose Sharks und sind trotzdem in Berlin geblieben.

RANKEL: Natürlich ist es ein Traum von jedem Eishockeyspieler, mal in der NHL zu spielen, aber darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Die kann ich mir machen, wenn ein Angebot da ist.

FELSKI: Wenn die Anfrage aus der NHL bei mir drei, vier Jahre später gekommen wäre, hätte es vielleicht anders ausgesehen. Aber damals, kurz nach der Wende, kannte ich nicht mal München oder Hamburg. Und dann kommt jemand um die Ecke und erzählt dir, wie toll San Jose ist. Ich wusste ja überhaupt nicht, wo das ist.

RANKEL: Gab es keinen Erdkundeunterricht im Osten?

FELSKI: Doch. Ich kann dir genau sagen, wo Nowosibirsk liegt.

Die Teilung ist bei Spielen der Eisbären immer noch Thema. Ihre Fans rufen in jedem Spiel „Ost-Ost-Ost-Berlin“.

FELSKI: Das finde ich total scheiße. Wenn die Fans Dynamo rufen, habe ich kein Problem damit, weil das Tradition ist. Aber wir spielen nun seit ein paar Jahren schon in der Mitte von Berlin, wir sind ein Berliner Verein.

RANKEL: Ost-Ost-Ost-Berlin ist wirklich total unpassend. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich einige Besucher vor den Kopf gestoßen fühlen und nicht mehr wiederkommen, wenn sie das hören.

Sie selbst könnten sich auch angegriffen fühlen. Immerhin kommen Sie aus einer ganz anderen Ecke Berlins, Herr Rankel. Von den Preussen, dem Erzrivalen, wechselten sie einst zu den Eisbären.

RANKEL: Mein Wechsel lief damals nicht so reibungslos ab. Aber mittlerweile bin ich seit neun Jahren hier, und das spielt gar keine Rolle mehr. Ich wohne in Lindenberg. Wenn ich nach Hause komme, nach Schöneberg oder Friedenau, wo ich aufgewachsen bin, fühle ich mich zwar am wohlsten. Aber auch bei den Eisbären geht es mir sehr gut.

Publikumsliebling und Nachfolger?

Inzwischen haben die Fans sogar ein Liedchen für Sie gedichtet.

RANKEL: Wenn die Fans nach einem Tor das Lied singen, freue ich mich natürlich. Manchmal ist mir das aber auch etwas unangenehm. In den Play-offs will man eher, dass die gesamte Mannschaft die Anerkennung kriegt.

FELSKI: Die Leute picken sich immer jemanden raus, der sehr erfolgreich ist, der viele Tore schießt und auf dem Eis präsent ist. Und das ist André: Er ist ein Krieger. Abseits ist er eher ruhig. Es muss ja auch nicht jeder nur Blödsinn erzählen.

RANKEL: Na ja, ab und zu bringe ich schon einen flotten Spruch. Vor fünf Jahren war das noch nicht so.

FELSKI: Ja, es ist schon besser geworden.

RANKEL: Sven hat immer einen guten Spruch drauf. Er hat immer etwas zu sagen, und wenn er etwas sagt, dann hört man ihm auch zu – allein schon wegen seiner Erfahrung.

Sven Felski, es ist Ihre 20. Saison bei den Profis. Sie haben fast 1000 Plichtspiele bestritten und gehen jetzt bereits zum elften Mal in Folge mit den Eisbären in die Endrunde.

FELSKI: Ja, aber es ist jedes Mal anders. Jedes Mal ist es anders schön und anders herausfordernd. Außerdem habe ich neun Jahre darauf gewartet, überhaupt Play-offs erleben zu dürfen. Ich dachte ja schon, das wird nie etwas, weil wir früher immer die Schlechtesten waren. Aber dafür auch die Lustigsten. Da wurden noch richtige Partys gefeiert.

Mit Ihnen in der Hauptrolle. Von Ihnen ist ein interessanter Satz übermittelt: „Keiner in der Liga kann so gut Schlittschuhlaufen wie ich.“

FELSKI: Das ist, glaube ich, auch heute noch so. Ich hatte eben eine gute Ausbildung in der DDR. Als ich noch Eiskunstläufer war, hatte ich täglich Ballett und Eistraining. Da bist du koordinativ dann halt stark und kannst dich gut bewegen.

Wenn wir schon mal dabei sind, könnten wir dann auch behaupten, dass André Rankel der beste Torjäger der Liga ist?

RANKEL: Ach, andere können das auch sehr gut. Ich würde nicht sagen, dass ich der Beste bin. Aber ich kann es schon ganz gut. Was darüber hinausgeht, müssen andere entscheiden. Ich rede nicht gern über mich selbst.

André Rankel, könnten Sie sich vorstellen, einmal die Rolle der Identifikationsfigur im Klub und bei den Fans zu übernehmen, die im Moment noch Sven Felski innehat?

RANKEL: Felle hat viel erreicht in seiner Karriere. Diesem Erfolg eifert man schon nach. Wenn das von außen so herangetragen wird, dass ich in seine Fußstapfen trete, übernehme ich das, aber das ist jetzt nicht mein Ziel.

FELSKI: Klar könnte André mir folgen. Er ist ein totaler Kämpfer, den müssen sie auf dem Eis schon runterschlachten, bevor er aufhört. Wir beide haben einen ähnlichen Ehrgeiz.

Hinzu kommt Ihre Heimatverbundenheit. Für die meisten Spieler in dieser Liga ist das kein Kriterium bei der Klubwahl.

RANKEL: Man kann diesen Sport vielleicht 20 Jahre machen. Und wenn jemand kommt und es ein supertolles Angebot gibt, dann muss man das fast annehmen. Oftmals ist es ja auch so, dass in vielen Vereinen auf Identifikationsfiguren nicht so viel Wert gelegt wird. Dass da Spieler, wenn sie mal ein schlechtes Jahr haben, gleich ausgetauscht werden.

FELSKI: Ich finde es wichtig, dass die Leute jemanden haben, mit dem sie sich identifizieren können. Dass ich das nach 20 Jahren im Verein bin, ist doch irgendwo logisch. Man ist dann natürlich auch viel mehr mit dem Herzen dabei.

Wünschten Sie sich mehr Identifikationsfiguren in der Deutschen Eishockey-Liga?

FELSKI: Die Popularität eines Sports hängt natürlich auch von den Gesichtern ab. Aber es ist heute kaum mehr möglich, Identifikation herzustellen, weil im Sport alles viel zu schnelllebig ist.

RANKEL: Die Eisbären sind ein Gegenbeispiel für diese Schnelllebigkeit. Wir haben Kontinuität in der Mannschaft. Und nicht umsonst probieren jetzt auch andere Klubs, junge deutsche Spieler aufzubauen und uns zu kopieren.

Das Gespräch führten Katrin Schulze und Claus Vetter.

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