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Der frührere Berliner Bildungssenator Professor E. Jürgen Zöllner (li.) ist seit Februar 2015 neuer Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität Berlin. Er löst Professor Hans-Uwe Erichsen ab, der das Amt seit 2001 bekleidet hatte.

© Frederic Schweizer

Hans-Uwe Erichsen und Jürgen Zöllner im Interview: "Wir brauchen Planungssicherheit"

Hans-Uwe Erichsen, der ehemalige Vorsitzende des Kuratoriums der Freien Universität Berlin und sein Nachfolger Jürgen Zöllner im Interview.

Professor Erichsen, Sie sind seit 2001 Vorsitzender des Kuratoriums gewesen und haben damit fast ein Fünftel der gesamten Geschichte der Freien Universität Berlin mitgeprägt. Welche Bilanz ziehen Sie?

Ich gehe zufrieden aus dem Amt und denke, dass das Kuratorium die Universität in den Jahren auf ihrem Weg erfolgreich unterstützt und begleitet hat. Es war eine positive Erfahrung, weil im Kuratorium Partikularinteressen zurückstanden. Die externen und internen Mitglieder des Kuratoriums waren immer bestrebt, Entscheidungen zum Wohl der Universität zu treffen. Bei dem studentischen Mitglied gab es zwar häufig eine Art Gegenstimmen-Reflex, andererseits hat es stets durch Fragen und Beiträge zu einer sehr konstruktiven und förderlichen Diskussion beigetragen.

Welche Ereignisse waren für Sie die wichtigsten?

Erichsen: Das wichtigste war sicherlich die Exzellenzinitiative. Ich bin als Kuratoriumsvorsitzender von Anfang an einbezogen worden in die Überlegungen zur Konzeption und konnte mich einbringen. Wichtige Zäsuren, die weiter zurückliegen, waren 2001 das erfolgreiche Engagement der Universität gegen die Schließung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin und die Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Strukturplan 2003/2004. Die Universität stand damals vor der schwierigen Aufgabe, bis 2009 etwa 37 Millionen Euro einzusparen. Um die Kürzungsvorgaben des Landes zu erreichen, musste sie beispielsweise Einsparungen in Höhe von 20 Millionen Euro durch die Streichung von Professuren einschließlich ihrer Ausstattung umsetzen. Das war ein schmerzhafter Prozess. Es zählt aber zu den Stärken der Freien Universität, dass sie es immer geschafft hat, auch aus extrem schwierigen Situationen gestärkt hervorzugehen; ein Beleg dafür ist der spätere Erfolg in der Exzellenzinitiative.

Haben Sie Unvorhersehbares erlebt?

Erichsen: Eine große Herausforderung waren die Monate, nachdem Professor Dieter Lenzen die Freie Universität verlassen hatte und sehr schnell ein neuer Präsident gefunden werden musste. Die Universität war ins kalte Wasser geworfen worden, das Verhalten aller war geprägt von der Überlegung: Wir müssen den besten Präsidenten finden. Das ist aus meiner Sicht gelungen.

Welche Themen, die die Entwicklung der Freien Universität prägen werden, haben Sie gewissermaßen mit dem Staffelstab an Professor Zöllner weitergegeben?

Erichsen: Es ist wichtig, den Status der Universität als Exzellenzuniversität zu erhalten und ihre Stärken weiter auszubauen, wobei es ja leider im Augenblick immer noch offen ist, welche Förderformate nach 2017 greifen. Das Qualitätsniveau, das die Freie Universität mit dem Exzellenzstatus dokumentiert, muss gehalten und möglichst ausgebaut werden.

Professor Zöllner, die von Professor Erichsen genannte Entscheidung in der Exzellenzinitiative 2007 haben Sie gewissermaßen auf der anderen Seite begleitet – als Berliner Wissenschaftssenator. Wie hat sich die Universität seither verändert?

E. Jürgen Zöllner: Sie hat die Chance ergriffen und die Möglichkeiten, die daraus erwachsen sind, zur Weiterentwicklung genutzt. Wobei ich ausdrücklich eben nicht nur das Geld meine, das sicher hilfreich ist, wenn man sich weiterentwickeln will. Entscheidend waren ein überzeugendes Konzept und eine Vision.

"Manchmal bekommt man Etiketten angeklebt, die nicht so ganz passen"

Der frührere Berliner Bildungssenator Professor E. Jürgen Zöllner (li.) ist seit Februar 2015 neuer Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität Berlin. Er löst Professor Hans-Uwe Erichsen ab, der das Amt seit 2001 bekleidet hatte.
Der frührere Berliner Bildungssenator Professor E. Jürgen Zöllner (li.) ist seit Februar 2015 neuer Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität Berlin. Er löst Professor Hans-Uwe Erichsen ab, der das Amt seit 2001 bekleidet hatte.

© Frederic Schweizer

Was macht die Freie Universität aus?

Zöllner: Es ist nicht sinnvoll, eine Rangfolge zu eröffnen, weder innerhalb von Berlin noch bundesweit. Aber dass die Freie Universität eine besondere Rolle spielt, auch im Vergleich zu anderen Exzellenzuniversitäten, ist auch für Außenstehende ersichtlich. Sie hat gezeigt, dass sie nicht nur in einzelnen Bereichen stark ist, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Volluniversität ist.

Mit welchen Zielen treten Sie den Vorsitz des Kuratoriums an?

Zöllner: Es wird nicht überraschen, dass ich an das anknüpfen will und muss, was Hans-Uwe Erichsen erwähnt hat. Ohne Zweifel sind das Renommee und die Möglichkeit, auf der obersten Ebene wissenschaftlich agieren zu können, für die Freie Universität Verpflichtung. Wichtig ist mir aber auch, dass sie stärker zeigen kann, dass sie beide Bereiche, in denen man Wissenschaft voranbringen muss, beispielhaft praktiziert: Spitzenförderung und Spitzenleistungen auf der einen Seite und eine hochqualifizierte Ausbildung in der Breite auf der anderen – es gehört beides zusammen.

Professor Zöllner, einige Vertreter der Studierenden werfen Ihnen ein „elitäres Universitätsverständnis“ vor, und Sie werden als Vertreter einer „neoliberalen Umstrukturierung“ der deutschen Universitäten angesehen. Was entgegnen Sie darauf?

Zöllner: Ich muss schmunzeln – auch wenn Vorwürfe natürlich immer ernst genommen werden sollten –, weil ich sie nicht ganz verstehe. Ich bin in der guten Situation, belegen zu können, dass für mich Studieren in der Breite für eine Gesellschaft mindestens genauso wichtig ist wie es Spitzenleistungen sind. Als in allen westlichen Bundesländern ein Hype um die Einführung von Studiengebühren herrschte, gab es – um mit Asterix zu sprechen – das gallische Land im Südwesten, Rheinland-Pfalz, in dem ich als Minister Verantwortung trug, und das Land Berlin, die nicht aufhörten, Widerstand zu leisten. Ich glaube, unsere Haltung in Rheinland-Pfalz war einer der Gründe dafür, dass man bundesweit wieder von Studiengebühren Abstand nimmt. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass manchmal Leute Etiketten angeklebt bekommen, die nicht so ganz passen.

Welche Probleme im deutschen Hochschulsystem müssen kurzfristig gelöst werden?

Erichsen: Kurzfristig muss den Hochschulen Planungssicherheit gegeben werden in der Frage, wie es nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative 2017 weitergeht. Es wird vermutlich einen neuen Wettbewerb geben. Darauf müssen die Universitäten sich vorbereiten.

Zöllner: Ziel des Wettbewerbs war es, diejenigen in der deutschen Hochschullandschaft zu identifizieren, die auf Dauer – mit Bundesunterstützung – in der Forschung an der Weltspitze agieren können. Wenn man jetzt aufhört, Wissenschaft unter dem Gesichtspunkt der Spitzenforschung zu fördern, wäre das nur mit zwei Gründen zu rechtfertigen: Entweder, man sagt, man hätte das Ziel und damit die angestrebten Spitzenpositionen in der Wissenschaft erreicht, oder man konstatiert, dies wäre das falsche Ziel gewesen. Beides trifft aber nicht zu, und deshalb muss die Exzellenzinitiative fortgesetzt werden.

Erwarten Sie in dem Wettbewerb eine Aufwertung der Lehre?

Zöllner: Eine Aufwertung der Lehre ist immer gut und notwendig. Man muss allerdings bedenken, was realistisch ist. Eine Förderung der Lehre nach dem Vorbild der Unterstützung der Forschung wie in der bisherigen Exzellenzinitiative halte ich für nicht praktikabel. Überspitzt formuliert würde man sich totevaluieren. Doch gesetzt den Fall, man entschließt sich, an der Förderung von Graduiertenschulen und Exzellenzclustern festzuhalten, dann könnte man in dem Wettbewerb natürlich Rahmenbedingungen zugunsten der Lehre festlegen.

Erichsen: Es hatte sich ja in der laufenden Exzellenzinitiative angedeutet, dass die Lehre eine gewisse Rolle spielen werde. Und das haben wir an der Freien Universität durchaus begrüßt, weil unzweifelhaft ist, dass die Qualität der Lehre in Deutschland verbessert werden kann. Man muss sich allerdings auch darüber klar sein, dass eine gute Lehre unter anderem dadurch verhindert wird, dass es nicht genügend Personal gibt. Wenn man eine durchweg gute Lehre an den Universitäten und Fachhochschulen etablieren will, kostet das wiederum Geld. Ich würde mich nur dagegen zur Wehr setzen, dass man es aus der Summe nimmt, die für die Exzellenzinitiative in Betracht gezogen wird. Das muss obendrauf kommen, wie man so schön sagt.

Ein Blick nach vorn: Wo sehen Sie die Freie Universität in der bundesweiten Hochschullandschaft im Jahr 2025?

Erichsen: Sie wird sicherlich auch weiterhin eine Position unter den ersten fünf Universitäten bundesweit einnehmen. Wichtig wird auch sein, wie sie als internationale Netzwerkuniversität international platziert sein wird. Bis 2025 wird mit Sicherheit die betriebene Vernetzung über Landesgrenzen hinweg ausgebaut. Zöllner: Ich würde hoffen, dass die Freie Universität einer der wesentlichen – wenn nicht der wichtigste Faktor dafür ist –, dass der Wissenschaftsstandort Berlin eine realistische Chance hat, sich mit Harvard oder Boston um eine auch nach außen sichtbar führende Rolle in der Wissenschaft zu profilieren.

Die Fragen stellte Carsten Wette.

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