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Heimatgefühle. Julian Schieber (r.), hier im Stuttgarter Trikot, trifft am Freitag mit Hertha auf seinen ehemaligen Klub

© dpa

Hertha BSC: Julian Schieber: Der Stoßstürmer mit den sanften Ellenbogen

Hertha BSC trifft am Freitagabend in der Bundesliga auf den VfB Stuttgart. Julian Schieber beim Duell mit seinem Ausbildungsverein nicht mitwirken können - er ist verletzt.

Von Johannes Nedo

Dass am Freitag ein besonderes Spiel ansteht, daran gibt es für Julian Schieber keinen Zweifel. Im Olympiastadion trifft sein neuer Verein Hertha BSC auf den VfB Stuttgart. Auf den Klub, der Julian Schieber aus Backnang am stärksten geprägt hat. Der Klub, bei dem er die Jugendmannschaften durchlief und sich bis zum Bundesliga- Profi hocharbeitete. Der Klub, bei dem er sich für Borussia Dortmund empfahl. Es schwingt bei diesem Spiel allerhand mit für Julian Schieber. Doch er sagt dazu: „Das Spiel ist für mich nicht ein besonderes, weil es gegen meinen alten Verein geht.“ Besonders sei die Begegnung, „weil bei uns viel auf dem Spiel steht“.

Dann zählt der 25-Jährige die Fakten auf, die das Spiel für ihn so wichtig machen: Hertha befinde sich viel zu weit unten in der Tabelle (Platz 14), habe viel zu wenig Punkte (fünf), und außerdem stehe nach dem Duell mit dem Tabellennachbarn aus Stuttgart die nächste Länderspielpause an. Ein Erfolgserlebnis wird also dringend gebraucht, um bis zum nächsten Spiel ein wenig Ruhe zu haben.

Schieber selbst dagegen hat bei Hertha vor allem positive Schlagzeilen produziert, seitdem er im Sommer von Dortmund nach Berlin gewechselt ist. In seinen ersten drei Pflichtspielen traf er vier Mal und bereitete zwei Tore vor. Für Dortmund hatte er in zwei Jahren nur drei Treffer erzielt, meist wurde er in den letzten Minuten eingewechselt. In der gesamten Saison 2013/14 lief der Stürmer nur einmal von Beginn an auf.

Julian Schieber: "Ich hätte mehr Tore machen können"

Schieber hätte also guten Grund, jetzt regelmäßig auf seine ansehnliche Quote zu verweisen und auf die Dortmunder böse zu sein. Stattdessen sagt er über seinen Anfang in Berlin: „Es war kein starker Start.“ Schließlich hätten seine Tore keine Siege gebracht. „Ich hätte mehr Tore machen können.“ Wenn Julian Schieber das sagt, mit leiser Stimme und gesenktem Blick, wirkt das nicht übertrieben demütig oder heuchlerisch. Man nimmt es ihm schon ab. Es passt nur einfach nicht zu seiner imposanten Erscheinung. Den 1,86 Meter Körpergröße, den breiten Schultern, dem komplett tätowierten rechten Arm. Aber Schieber ist eben ein zurückhaltender, vorsichtiger Typ – und er ist sehr hart mit sich selbst. „Ich bin von Haus aus sehr selbstkritisch“, sagt er. „Ich will mich doch immer verbessern.“

Deshalb stellt er seinen vielversprechenden Neuanfang in Berlin auch nicht als die große Befreiung dar. Überhaupt ist er kein Freund extremer Urteile. Er weiß genau, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern auch sehr viel dazwischen. „Es ging mir nicht schlecht in Dortmund“, sagt Schieber. Überragende Jahre seien es gewesen, mit dem Champions-League-Finale oder dem Endspiel im DFB-Pokal. Doch mit dem „hohen Trainingsniveau“, wie er rückblickend sagt, wollte er sich nicht mehr begnügen: „Ich wollte nicht länger auf mehr Einsätze warten. Ich wollte mehr spielen.“

Seinen Stammplatz hat Schieber erst einmal an Salomon Kalou verloren

Am Freitag gegen seinen Heimatverein wird Schieber nicht mit dabei sein, er fällt verletzungsbedingt aus. In den vergangenen beiden Spielen – gegen Wolfsburg und Augsburg – saß er zunächst auf der Bank, davor, beim 2:2 in Freiburg, war er zur Pause ausgewechselt worden, weil das Spiel weitgehend an ihm vorbeigelaufen war. Seinen Stammplatz hat Schieber erst einmal an Salomon Kalou verloren. Doch auch darauf reagiert Julian Schieber nicht so, wie wohl die Mehrheit seiner Bundesliga-Kollegen reagieren würde: „Warum sollte seine Verpflichtung ein Nachteil für mich sein? Salomon bringt mehr Qualität in die Mannschaft.“ Schieber meint das vollkommen ernst. Er nimmt sich zurück, für ihn zählt zuerst die Mannschaft.

Schieber selbst weiß nur zu gut, was ihm derzeit noch fehlt: „Konstanz“, sagt er. Selbstverständlich denkt er viel darüber nach, wie er das ändern kann. Selbstverständlich grübelt er. Andererseits hat er sich bei all der selbstkritischen Veranlagung auch einiges für Hertha vorgenommen. Vier Jahre läuft sein Vertrag. „Ich mag es, länger zu planen“, sagt Julian Schieber. So können Ambitionen wachsen.

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