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Michael Bloomberg, ehemaliger Bürgermeister von New York.

© dpa

Michael Bloomberg tritt bei US-Präsidentenwahl nicht an: Realist - und Patriot

Der Ex-Bürgermeister von New York beendet seinen Flirt mit einer Bewerbung ums Weiße Haus. Das ist die bessere Entscheidung für Amerika. Ein Kommentar

Er wäre wohl ein guter Präsident geworden. Einer, auf dessen Augenmaß und Vernunft Verlass ist. So hat Michael Bloomberg New York als Bürgermeister regiert. Deshalb haben ihn die Bürger drei Mal in das Amt gewählt.

Gegen Trump und Sanders sah er gute Chancen

Viele Amerikaner sahen es durchaus mit Wohlwollen, als Bloomberg vor sieben Wochen seine Chancen für die Präsidentschaft sondierte - zumal, wenn sie auf das enttäuschende bis irritierende Personalangebot der Republikaner und Demokraten 2016 blicken. Der Milliardär aus New York wollte sich nicht um die Kandidatur in einer der beiden Parteien bewerben. Für die Teilnahme an deren Vorwahlen wäre es zu spät gewesen. Er erwog, als unabhängiger Bewerber in der Hauptwahl am 8. November anzutreten. Aus dem üblichen Zweikampf wäre ein Dreikampf geworden. Und da rechnete sich Bloomberg Chancen aus, Erster zu werden - jedenfalls wenn seine Gegner Donald Trump für die Republikaner und Bernie Sanders für die Demokraten würden. Im Wettstreit mit dem Rechtspopulisten Trump und dem "Sozialisten" Sanders wäre die Mitte offen gewesen. Dort hätte Bloomberg um die Mehrheit der Wählerstimmen geworben.

Nun hat hat er diesen Plan beendet. Seine Chancen wären nicht gut genug gewesen, rein mathematisch wäre die Rechnung nicht aufgegangen, sagt der 74-Jährige, der seine Milliarden als Gründer und Chef des wohl einflussreichsten Medienunternehmens für Wirtschaftsinformationen gemacht hatte. Er nutzte den Auftritt, um Donald Trump wegen seines spaltenden Auftretens und seiner abschätzigen Wortwahl zu kritisieren.

Warum gibt Bloomberg auf? Und warum jetzt?

Das amerikanische Wahlrecht diktiert das Timing. Wer eine Chance haben will, als parteiunabhängiger Kandidat in die Präsidentschaftswahl einzugreifen, muss aus eigener Initiative auf die Wahlzettel in allen US-Bundesstaaten kommen. Jeder Staat macht eigene Vorgaben, wie viele Unterschriften von Unterstützern dafür notwendig sind und wann diese eingereicht werden müssen. Das kostet Millionen. Anfang März gilt als der Zeitraum, wann ein Bewerber sich entschieden haben muss. Später ist der Aufwand für die offizielle Kandidatur zeitlich kaum noch zu bewältigen.

Bloomberg hat so lange wie möglich abgewartet - und auf eigene Kosten seine Chancen in der Wählerschaft erforschen lassen. Das Ergebnis: In der Konkurrenz mit Trump und Sanders hätte er gute Chancen gehabt, beide zu schlagen. Wenn aber Hillary Clinton die Kandidatin der Demokraten wird - und das gilt inzwischen als ziemlich sicher -, sehen die Zahlen schlechter aus für Bloomberg. Weil sie wohl mehr Stimmen in der Mitte holen wird als Sanders - und dort wollte auch Bloomberg punkten.

Das Risiko gab den Ausschlag

Um das ganze Kalkül zu verstehen, sollte man freilich eine weitere Bestimmung des US-Wahlrechts berücksichtigen. Präsident wird, wer die absolute Mehrheit der Wahlmänner aus den 50 Bundesstaaten gewinnt. Das sind 270 oder mehr. Da in der Regel nur zwei aussichtsreiche Kandidaten gegeneinander antreten - abgesehen von den meist rund ein Dutzend Bewerbern aus Splitterparteien, die wegen ihrer Bedeutungslosigkeit nicht weiter ins Gewicht fallen -, hat in der jüngeren Geschichte der USA immer einer der beiden Hauptbewerber diese 270 oder mehr Wahlmänner erreicht.

Wenn allerdings drei aussichtsreiche Kandidaten gegeneinander antreten, wird es wahrscheinlich, dass keiner von ihnen die 270 Wahlmänner gewinnt. Und dann entscheidet das Repräsentantenhaus, wer von ihnen Präsident wird. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Republikaner nach der Kongresswahl, die parallel zur Präsidentenwahl abgehalten wird, dort die Mehrheit haben. Mit anderen Worten: Würde Bloomberg antreten und die Wählerstimmen dreiteilen, würde er es hochwahrscheinlich machen, dass der Kandidat der Republikaner Präsident wird.

Das will Bloomberg unbedingt verhindern - vor allem, wenn dieser Kandidat Donald Trump hieße. Bloomberg kann nicht nur gut rechnen. Er ist auch ein Patriot.

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