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Holger Ludolph spielt seit etwa 30 Jahren Sitzball. Der Breitensport hat ihm nach einem Unfall, bei dem er einen Unterschenkel verloren hatte, geholfen.

© Lisa Kuner

Sitzball als Breitensport für Menschen mit Behinderung: Auf dem Hosenboden siegen

Holger Ludolph ist seit 30 Jahren begeisterter Sitzball-Spieler. Nachdem er als 16-Jähriger bei einem Unfall einen Unterschenkel verloren hatte und Prothese trägt, kam er langsam dazu, sich einen Breitensport zu suchen, wo er auf andere Menschen mit Behinderungen traf. Das war sein großes Glück.

Ein kurzer Moment der Unsicherheit, dann ein unglaublich schneller, kräftiger Schlag von Holger Ludolph. Der Ball rast über die Schnur auf die andere Seite des Spielfeldes. Sitzball ist ein dynamischer Sport, manchmal so schnell, dass es schwer fällt dem Ball mit den Augen zu folgen.  Gespielt wird in zwei Mannschaften mit jeweils fünf Spielern, die in speziell gepolsterten Hosen auf dem Boden sitzen. Sitzball funktioniert ähnlich wie Volleyball, aber im Gegensatz dazu darf der Ball einmal auf dem Boden aufkommen. Holger Ludolph, 51 Jahre alt, ist seit 30 Jahren begeistert von diesem Sport. Bei einem Unfall auf dem Nachhauseweg von einer Praktikumsstelle verlor er als 16-Jähriger bei einem Verkehrsunfall einen Unterschenkel. Seit dem geht er auf einer Prothese.  Als Mensch  mit Behinderung war der Weg  zurück zum Sport für ihn anfangs nicht leicht. Als junger Mann wollte er erst nichts mit "Behinderten" zu tun haben. Erst fünf Jahre nach seinem Unfall motivierte ihn ein Freund dazu, sich doch mal Sitzball anzuschauen. Es sei ein tolles Gefühl gewesen, wieder sportlich aktiv zu sein und Ludolph. Durch seine Behinderung sei er viel aktiver geworden wurde als vorher. „Das war mein Ding“, sagt Ludolph. „Eine Mannschaftssportart mit Ball, das war, was ich konnte“. 

Nach dem Unfall war es für ihn zunächst nicht leicht, sich neu zu orientieren

Das zeigte sich auch bald. Holger Ludolph spielt in der Hessenauswahl, beim Länderpokal, bei Deutschen Meisterschaften. Sein größter Erfolg war 1996 ein dritter Platz bei den Europameisterschaften. Sitzball hat ihn aber auch psychisch weiter gebracht. „Das war für mich das Entrée in die Behindertenwelt“, sagt er. Davor habe er wenig mit Menschen mit Behinderung zu tun gehabt. Heute glaubt er: „Man muss Menschen kennenlernen, die auch mit einer Behinderung leben.“ Diese Erfahrung habe ihm geholfen, vieles besser zu verstehen und auch Wert zu schätzen, dass ihn seine Behinderung im Alltag kaum einschränkt und dass die eigenen Probleme vielleicht gar nicht so groß sind. „Meine Sichtweise auf die Welt hat sich auf jeden Fall verändert“, sagt er. Trotzdem war es für Holger Ludolph nach dem Unfall nicht einfach, sich zu orientieren. Nachdem er aufgrund der vielen Fehlzeiten gezwungen war, die Schule abzubrechen, wusste er zunächst nicht, wie genau es weiter gehen sollte. Er machte verschiedene Praktika und begriff erst nach einer Weile, was er wirklich wollte. Ludolph machte eine Ausbildung als Bauzeichner und studierte dann Architektur in Berlin. Heute ist er als Architekt selbstständig und sportbegeisterter denn je. Abgesehen von Sitzball fährt er oft Fahrrad, zudem hat er eine Affinität für Wintersport: Er fährt Skibob und Snowboard. Bei großen Wettkämpfen spielt Ludolph inzwischen nicht mehr Sitzball. Begeistert ist er aber nach wie vor und trainiert nun jede Woche mit der BSG Kassel. „Ich freue mich etwas von meiner Erfahrung an Jüngere weiter geben zu können“, erklärt er.  Reizvoll daran sei auch, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen spielen können. „Das ist eine sehr  integrative Sportart; Menschen mit gesunden Beinen haben kaum Vorteile.“ Er wünscht sich, dass vor allem im Breitensport noch mehr für Menschen mit Behinderung getan wird und sie noch aktiver zum Sport motiviert werden.  Im Spitzensport sei in den letzten Jahren zwar viel passiert, aber der Breitensport müsse genau so ernst genommen werden.

Seit seinem Unfall als Schüler ist Holger Ludolph von einer Ansprechpartnerin seiner zuständigen Unfallkasse Hessen betreut worden. Jedes Kindergartenkind sowie Schülerinnen und Schüler sind automatisch bei der Unfallkasse versichert. Die dortigen Reha-Berater kümmern sich unter anderem um Prothesen oder auch um einen Wohnungsumbau. Mehr dazu unter www.ukh.de

Lisa Kuner

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