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Maren Hartmann ist Professorin für Kommunikations- und Mediensoziologie an der UdK. Sie möchte, dass das Archiv lebt.

©  J. Bock

Kulturtheorie: Die Energie des Ortes spüren

Maren Hartmann leitet das Vilém Flusser Archiv an der Universität der Künste Berlin.

Auf rund 36 Quadratmetern reihen sich endlos hohe Regalwände empor, bestückt mit 1769 Objekten aus dem Nachlass von Vilém Flusser, Kopien von 10 130 Manuskripten und Korrespondenzen, dazu 521 Bücher von und über ihn. Zwischen den großen Fenstern, die untypisch sind für ein Archiv, fällt ein Foto auf: Den neugierigen Blicken des tschechischen Medienphilosophen und Kulturtheoretikers (1920-1991) und seiner Frau Edith scheint nichts zu entgehen.

Hätte sie keine weiteren Verpflichtungen, würde Maren Hartmann jetzt am liebsten drei Wochen hier verbringen, mal einen Essay, mal einen Kalender aus den Regalen ziehen und sich durch die Bestände arbeiten. Anfang des Jahres übernahm die 48-jährige UdK-Professorin für Kommunikations- und Mediensoziologie die Leitung des Vilém Flusser Archivs. Hartmann folgte auf Siegfried Zielinski, der den Nachlass seit 1998 betreute. Sie möchte Vilém Flusser verstehen und das Archiv weiter für diejenigen öffnen, die so seien wie sie selbst, sagt sie: keine Flusser-Experten, aber mit großem Interesse und inhaltlicher Affinität.

Maren Hartmann nennt Vilém Flusser einen Wanderer zwischen zwei Welten, der – theorieverliebt aber dennoch nicht theoretisch – seinen Betrachtungen eine spielerische Offenheit ließ. Genau diese Flexibilität fasziniert sie. „Flusser war, wegen seiner jüdischen Wurzeln, ein Reisender, der sein für das 20. Jahrhundert typisches Schicksal annahm und die Mobilität lebte“, beschreibt Hartmann.

Besucher aus der ganzen Welt kommen in das Medienhaus nach Schöneberg

Die Energie ist auch im Archiv spürbar. Es ist ein lebendiger Ort: Besucher aus der ganzen Welt kommen in das Medienhaus nach Schöneberg, um mit dem reichhaltigen Archivgut zu arbeiten. Eine Besonderheit, gerade auf dem Gebiet der Medientheorie, die es ermöglicht nachzuvollziehen, in welche Richtungen sich die Gedanken Flussers entwickeln. Was machen die Besucher im Archiv und welche Assoziationen folgen darauf? Das sind zwei Fragen, mit denen sich Maren Hartmann intensiv beschäftigen möchte.

Das Herzstück des Archivs ist eine „Reisebibliothek“, die Flusser bei jedem Umzug mitnahm. In manchen Büchern finden sich sogar handschriftliche Notizen. „Es ist ein Glück, dass die Familie von Vilém Flusser dieses Vertrauen in uns hat“, sagt Maren Hartmann. Sie möchte sich auch mit weiteren Möglichkeiten der Archivierung beschäftigen. Bei den geringen Mitteln, die zur Verfügung stünden, seien diese aber begrenzt.

Bis zum Herbst werden wieder Vorträge und Ausstellungen geplant, zu denen es auch Publikationen geben soll – Flussers Archiv darf weiter wachsen. Dass der Ort lebendig bleibt, ist Maren Hartmann besonders wichtig.

Helena Davenport

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