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Noch als Student hat François Azambourg ein Kaffeeservice aus Papier entworfen und wurde dafür in einem Wettbewerb des Musée des Arts Décoratifs ausgezeichnet. Seitdem hat seine Faszination für ungewöhnliche Materialien nicht nachgelassen.

© promo

Einfallsreicher Erfinder: Die Form vom Hand kneten

François Azembourg liebt die handarbeit und ehrliche Objekte. „Dieser Starkult rund um die Designer macht den Objekten den Graus“, sagt er und freut sich, wenn er neue Materialien bis an die Grenze erproben kann.

François Azambourg – Jahrgang 1963 – ist ein eigensinniger Designer und widmet seine Arbeit dem Ausgleich von Technik und Kunst, was mehr den angewandten Künsten eigen ist als dem Produktdesign. Er sucht konsequent nach Erneuerung und experimentiert bis an die Grenze des Möglichen mit Materialien und Techniken so hat er etwa zehn Jahre lang an der Verbesserung des Saxofons gearbeitet. Sein Profil ist eher das eines einfallsreichen Erfinders, eines Forschers, eines Poeten.

Auch die Karriere von Azambourg nach einer Ausbildung zum Elektrotechniker und einem Studium an der Ecole des Beaux-Arts in Paris nahm einen Höhenflug, als Giulio Cappellini sich entschloss, einen seiner Stühle in die Cappellini-Kollektion aufzunehmen. Der „Mr. Bugatti“ wurde 2006 in Mailand vorgestellt. Es ist einer seiner meist veröffentlichten Entwürfe. Das Besondere an dem Stuhl ist, dass er so geknautscht wird, dass jedes Stück ein Unikat ist. Er wird mit Polyurethan gefüllt, mit einer extrem dünnen Schicht Metall bedeckt und mit Hochglanzlack final behandelt.

Azambourg zählt zu seinen Auftraggebern auch noch Hermès, Poltrona Frau, Ligne Roset, galerie Kreo in Paris und die innovative junge französische Marke Moustache. Seine typische konsequente Herangehensweise zeigt sich bei einem neuen Entwurf für Ligne Roset. „Grillage“ ist ein metallener Sessel aus einem Flechtwerk (Gaze), das von Hand so gefaltet wird, dass jedes Stück einmalig ist. Ein speziell wattiertes Kissen liefert den extra Komfort.

Ein typischer Azambourg. Das metallene Geflecht von "Grillage" wird von hand verformt – jedes Stück wird so zum Unikat. Und bequem ist es auch. Die Rückenlehne federt.
Ein typischer Azambourg. Das metallene Geflecht von "Grillage" wird von hand verformt – jedes Stück wird so zum Unikat. Und bequem ist es auch. Die Rückenlehne federt.

© Ligne Roset

Das alles zeigt, dass Azambourg viel Respekt vor der traditionellen Handwerkskunst hat. Vor zwei Jahren entwarf er für ein spezielles Projekt (Material Matters), das darauf abzielte, die vielfältigen Möglichkeiten von Leder in den Blickpunkt zu rücken, 15 einzigartige Möbel und Objekte aus Leder. Bei jedem Stück wandte er jedes Mal ein anderes handwerkliches Verfahren auf eine innovative Art und Weise an. Die Ergebnisse sind originell und poetisch. So erinnert der Tisch „Promenade“ noch an das herumlaufende Tier, von dem die Haut stammt. Der Sessel „Air“ hält die Balance zwischen einem exklusiven handwerklichen Objekt und einem populären Aufblasmöbel.  Mit François Azambourg sprach Chris Meplon:

Was sind für Sie im Moment die positivsten Entwicklungen in der Designwelt?

Die Miniaturisierung ist sehr positiv, denken Sie zum Beispiel an die Beleuchtung, ein Bereich, der sich nun sehr schnell entwickelt. Viele Menschen betrachten das nun mit einem gewissen nostalgischen Blick, was ich verstehen kann, aber die neuen Lichtquellen sparen wirklich Strom. Und das ist sehr wichtig. Wir kommen da hin, dass der sparsame Umgang mit Ressourcen lebensnotwendig wird. Das kann durchaus sehr positiv sein, wenn unsere Haltung dazu mehr Respekt zeigt. Wenn es uns dann wieder dichter zur Erde bringt, zu dem natürlichen Lauf der Dinge, mehr mit den Füßen auf dem Boden. Ich hoffe, dass die steigenden Preise für Energie und Rohstoffe zu einem Umdenken führen.

Objekte geben Auskunft über die Gesellschaft

Die berühmten Stühle aus der Serie "Mr. Bugatti" sind aus dünnem Blech mit eingespritztem Polyurethanschaum gefertigt und in satten Farben hochglänzend lackiert.
Die berühmten Stühle aus der Serie "Mr. Bugatti" sind aus dünnem Blech mit eingespritztem Polyurethanschaum gefertigt und in satten Farben hochglänzend lackiert.

© Cappellini

Gibt es auch bestimmte Entwicklungen, die Sie ärgern?

Leider viel zu viele, so viele Dinge in unserer Umgebung sind zu schwer und nehmen viel zu viel Raum ein. Man sieht wirklich Massen anmaßender Produkte, die nach meiner Meinung direkt auf den Müllhaufen gehören. In dieser Hinsicht stimmen mich Möbelmessen wie die von Mailand schon traurig. Gleichzeitig wird einem so aber auch die enorme Herausforderung bewusst. Es gibt für die kommenden Generationen noch so viel zu tun!

Ach, ich vertrage es nicht, all das schwere Zeugs. Ich liebe das Leben. Es ist eine Form der Lebenskraft um zu sagen: wir befinden uns n einer anderen Periode, nun müssen wir es anders machen! Nehmen Sie die ganzen MDF-Platten, zu Brettern gepresste Holzfasern. Die tauchen nun überall auf. Ich hasse dieses Material. Es ist dick, schwer, noch nicht einmal echtes Holz. Es symbolisiert für mich eine Zeit, die vorbei ist.

Was fasziniert Sie am Design?

Die Objekte. Sie geben auf eine sehr feinsinnige Art Auskunft über die Gesellschaft. Wie etwa die Archäologie. Objekte erzählen davon, wie Menschen denken, wie sie leben, welche Technologien sie hatten. Ich fertige meine Objekte gerne selbst. Nicht nur aus der Notwendigkeit, weil es nun einmal schwierig geworden ist, um Handwerker zu finden, die Prototypen herstellen können, aber auch, weil ich es essenziel finde, um wirklich wie ein Bildhauer die Form selbst zu kneten.

Verliebt ins Material. Das Radio "Cruiz 02" mit dem Lautsprecher obendrauf ist ein Beispiel aus dem Projekt "Material Matters" im Umgang mit Leder.
Verliebt ins Material. Das Radio "Cruiz 02" mit dem Lautsprecher obendrauf ist ein Beispiel aus dem Projekt "Material Matters" im Umgang mit Leder.

© Material Matters

Welche Designer bewundern Sie am meisten?

Inga Sempé. Aber meine wirklichen Bezugspunkte finde ich eher in der Kunst: Panamarenko, Pierre Bonnard, Alexander Calder. Ich finde, dass Künstler die Dinge auf eine fundamentalere Weise angehen als Designer. Mit Ausnahme von Achille Castiglioni oder Gaetano Pesce. Es gibt natürlich sehr viele schöne Objekte, die von anonymen Designern entworfen worden sind, ich denke an den Citroen 2cv oder den Bic-Kugelschreiber. Ich bin davon überzeugt, dass es einfacher ist, um anonym wirkliche Spitzenobjekte zu entwerfen. Dieser Starkult rund um die Designer macht den Objekten den Garaus.

Wie würden Sie in wenigen Stichworten Ihren Wohnstil umschreiben?

Einfach, harmonisch, gastfreundlich, überhaupt nicht zurückhaltend oder einschüchternd… Vergleichen Sie es lieber mit meiner Art des Entwerfens:  Es ist mein größtes Streben, dass die Objekte, die ich entwerfe, vor allem freundlich und einladend sind.

Chris Meplon

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