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Wirtschaft: an Ulrich Schellenberg Rechtsanwalt und Notar

Zweite Ehe kann das Erbe kosten

Unser Vater hat nach dem Tod unserer Mutter wieder geheiratet. Seine zweite Frau hat keine eigenen Kinder, mein Bruder und ich wurden von seiner zweiten Ehefrau auch nicht adoptiert. Die Eltern der zweiten Frau leben nicht mehr, sie hat aber mehrere Geschwister. Wenn unser Vater zuerst verstirbt, wer erbt nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau? Innerhalb welchen Zeitraumes müssten wir gegebenenfalls unseren Pflichtteil fordern?

Diese Fallgestaltung, die man in der Praxis sehr häufig antrifft, ist weit verzwickter, als man auf den ersten Blick glauben mag. Aber immer der Reihe nach: Zuerst ist die leibliche Mutter verstorben. Unterstellt, es gibt weder einen Ehevertrag noch ein Testament, dann haben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zunächst der Vater ½ und die beiden Kinder je ¼ des Vermögens der Mutter geerbt. Wäre dann der Vater später – ohne sich wieder zu verheiraten – gestorben, so hätten die beiden Kinder ihren Vater je zur Hälfte beerbt. Das Vermögen von Vater und Mutter wäre letztlich zu gleichen Teilen auf die beiden Kinder übergegangen.

Nun hat aber der Vater erneut geheiratet. Stirbt nun die zweite Ehefrau wiederum vor dem Vater , so würde sie, da sie ja keine eigenen Kinder hat, allein vom Ehemann aber eben auch von ihren Geschwistern beerbt werden. Auf die beiden Kinder des Ehemanns aus erster Ehe hätte dies zunächst keine Auswirkungen.

Anders stellt sich der Fall allerdings dann dar, wenn – wie in unserem Fall – zuerst der Vater verstirbt. In diesem Falle ist selbstverständlich auch die zweite Ehefrau neben den beiden Kindern als Erbin berufen und zwar – den gesetzlichen Regelfall unterstellt – wiederum zu ½. Die beiden Kinder würden nach ihrem Vater je zu ¼ Erbe werden. Stirbt dann später auch die zweite Ehefrau, so gibt es für die Kinder ein böses Erwachen. Da die beiden Kinder aus erster Ehe keine leiblichen Abkömmlinge sind, sind sie nicht zur Erbfolge nach der zweiten Ehefrau berufen. Da die zweite Ehefrau selbst keine eigenen Kinder hat, ihr Ehemann vorverstorben ist und auch ihre Eltern nicht mehr leben, fällt das gesamte Erbe an die Geschwister . Da die Kinder keine gesetzlichen Erben der zweiten Ehefrau sind, steht ihnen auch kein Pflichtteil zu. Den Pflichtteil kann nur derjenige verlangen, der gesetzlicher Erbe ist, vom Erblasser aber durch Testament „enterbt“ wurde. Für unsere beiden Kinder ist es ein sehr ernüchterndes Ergebnis, denn das Vermögen ihrer Mutter, das zu ½ zunächst auf den Vater übergegangen ist, geht nunmehr – zumindest zum Teil – verloren.

Dies kann nur verhindert werden durch eine letztwillige Verfügung, also insbesondere durch ein Testament . Am besten wäre es gewesen, die Eltern der Kinder hätten noch zu Lebzeiten der Mutter im Rahmen eines Ehegattentestamentes eine Regelung für den Fall der Wiederverheiratung getroffen. Hier gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, die sicherstellen, dass im Falle der Wiederverheiratung das Vermögen des vorverstorbenen Ehepartners in jedem Fall den eigenen Kindern vorbehalten bleibt.

Aber auch nach dem Tod der Mutter kann der Vater den drohenden Verlust für seine Kinder jetzt noch abwenden. Voraussetzung ist allerdings auch ein Testament . Dabei muss er regeln, dass seine zweite Ehefrau lediglich Vorerbin werden soll und im Falle ihres Todes die Kinder als Nacherben nach dem Vater nachrücken. Durch diese Fallgestaltung sind die Geschwister der zweiten Frau am Nachlass des Vaters nicht mehr beteiligt. Eine solche testamentarische Gestaltung stellt sicher, dass den Kindern nunmehr das Vermögen sowohl ihres Vaters als auch ihrer Mutter erhalten bleibt. Die Vor- und Nacherbschaft kann – je nach Interessenlage – ganz unterschiedlich ausgestaltet werden. Will der Vater sicherstellen, dass seine eigenen Kinder und nicht die Geschwister seiner zweiten Frau an seinem Erbe mitbeteiligt sind, kann man ihm nur raten, sich schnellstmöglich durch einen Anwalt oder Notar beraten zu lassen. Foto: Doris Klaas

an Ulrich Schellenberg

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