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Wirtschaft: Bunter Schmierfilm

Das Testurteil: 5 Punkte0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen Schminke also. Meine Freunde schauen mich entgeistert an.

Das Testurteil: 5 Punkte 0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen

Schminke also. Meine Freunde schauen mich entgeistert an. Schweigen. In wenigen Minuten soll das Eröffnungsspiel der Fußball-WM beginnen, da könnte man doch ein bisschen Begeisterung zeigen und sich mit Schwarz-Rot-Gold die Wange, die Stirn oder sonst etwas bemalen. Ich weiß, in jedem Bundesligastadion würde man mit bunten Streifen im Gesicht mindestens genauso befremdlich angestarrt wie ich nun von meinen Freunden – im günstigsten Fall. Aber zur WM, da müssen wir den tanzenden Costa-Ricanern doch wenigstens etwas Farbe entgegensetzen. Deshalb habe ich noch kurz vor Anpfiff ein Päckchen Tricolor Make-up von Widmann im Schreibwarenladen besorgt – für 1,99 Euro.

Ich fasse mir also ein Herz, reiße das umständlich verpackte dreigeteilte Schminktöpfchen aus der Plastikhülle und tunke einen Finger nach dem anderen in die Farbe. Dann ziehe ich die drei getränkten Finger nebeneinander über die Wange. Perfekt. Die Farben leuchten, und ich bin erkennbarer Deutschland- Fan. Phillip Lahm sorgt dann dafür, dass auch meine Freunde auftauen. Nach seinem Tor und dem ersten Bier wagen sie immerhin drei Streifen auf dem Handrücken. Gegen Ende des Spiels steht es vier zu zwei für Deutschland, und wir malen uns gegenseitig schwarz-rot-goldene Rechtecke auf die Stirn.

Dass man die Farbe mit den Fingern auftragen muss, führt zu unerwünschten Nebenwirkungen: Farbtupfer auf dem Sofa, dem Hemd der Hose. Schließlich will während des Spiels ja auch niemand den Fernseher verlassen, um sich die Hände zu waschen. Wer sich aus Versehen beim Torjubel ins Gesicht fasst oder fassen lässt, läuft zudem Gefahr, die Farben zu vermischen. Als ich nach dem Spiel das Bad aufsuche, merke ich, dass mir mein Nebenmann die Flaggenstreifen in umgekehrter Reihenfolge auf die Stirn gemalt hat. Sehr lustig. Also abwaschen. Das ist etwas schwieriger als erwartet und auf der Packung beschrieben. Nach dem ersten Waschgang hängt noch immer ein bunter Schmierfilm auf der Haut, vielleicht war die Farbe noch nicht gut genug angetrocknet.

Nach dem gewonnenen Spiel in die Stadt. Mit dem bisschen Farbe im Gesicht bin ich eigentlich underdressed. Flaggen, Perücken, T-Shirts – alles in Schwarz- Rot-Gold. Dazu ein Hupkonzert, als hätte unsere Mannschaft gerade Brasilien im Finale besiegt. Wenn es wirklich so weit kommt, schminke ich mich wieder. Bis dahin mache ich erst mal Pause.

Stefan Kaiser

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