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Wirtschaft: Dicke Pläne für dünne Kinder

Verbraucherministerin Künast startet Initiative für gesunde Ernährung Stiftung Warentest: Viele Kinderlebensmittel taugen nichts

Verbraucherschutzministerin Renate Künast forciert ihre Kampagne gegen das Übergewicht von Kindern. Die von Künast geplante Plattform „Ernährung und Bewegung“ solle bereits Ende Juni formell als Verein gegründet werden, heißt es in Kreisen des Ministeriums. Mitglieder des Vereins sind neben dem Bund die Ernährungswirtschaft und Sportverbände. Noch unklar ist aber, mit welchen finanziellen Mitteln der Verein ausgestattet wird, um Projekte zum Thema gesunde Ernährung zu fördern.

Nach Untersuchungen der Universität Kiel sind ein Fünftel aller Kinder zu dick. Bei einem weiteren Fünftel besteht die Gefahr, dass sie übergewichtig werden, wenn sie ihr Essverhalten nicht ändern. Experten befürchten, dass durch ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes und Gelenkschäden hohe Kosten auf die Gesundheitssysteme zukommen.

Wichtigste Ursache für das Übergewicht von Kindern ist nach Ansicht von Ernährungsforschern neben zu wenig Bewegung eine falsche und zu üppige Ernährung. Nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest sind daran auch Kinderlebensmittel der Industrie Schuld. Sie seien zwar bequem, aber nur selten für eine ausgewogene Ernährung geeignet. Die Tester untersuchten 40 Kinderlebensmittel – von Cornflakes über Joghurts bis zum Fertiggericht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Elf Produkte stuft die Stiftung als „nicht geeignet“ für eine gesunde Ernährung von Kindern ein, weil sie zu viel Zucker, Fett oder im Vergleich zu Naturkost zu wenig Vitamine enthalten. 24 Produkte sind „eingeschränkt geeignet“ und nur fünf Lebensmittel werden uneingeschränkt empfohlen.

In der Werbung betonen die Konzerne dagegen gerne, wie gesund diese Produkte sind. Das ist nach den Ergebnissen des Tests aber nur selten der Fall. Für die „Extraportion Milch“ etwa brauche es 17 Portionen der Süßigkeit und der „Energiespender Traubenzucker“ bringe ernährungsphysiologisch wenig. Besonders schlecht schnitten Frühstücksflocken wie „Froot Loops“ von Kellog’s oder „Cookie Crisp“ von Nestlé ab. Sie enthalten viel Zucker und wenig Ballaststoffe, obwohl Basis vieler Produkte Getreide ist. Durch die Beigabe von Vitaminen wird Kunden suggeriert, es handele sich um besonders gesunde Lebensmittel. Bei einer normalen Ernährung brauchen Kinder aber keine zusätzlichen Vitamine.

Die Hersteller der Lebensmittel verweisen darauf, dass die Gerichte Teil der gesamten Ernährung sind. „Lebensmittel sind nicht einfach gut oder schlecht“, sagt Iglo-Sprecherin Ute Sievert. „Gesunde Ernährung besteht aus einer sinnvollen Mischung unterschiedlicher Kost.“ Die Entwicklung von Kinderlebensmitteln sei immer eine Gratwanderung: „Kinder sollen die Produkte mögen und Kinder mögen nun mal Süßes.“ Der Sorge vieler Eltern trage Iglo mit neuen Produkten Rechnung. Eine neue Iglo-Pizza soll durch die Verwendung leichter Käsesorten 30 Prozent weniger Fett enthalten als ähnliche Produkte.

Nach Ansicht von Verbraucherschutzministerin Künast sollten Eltern beim Kauf von Kinderlebensmitteln aufpassen: „Zahlreiche Produkte enthalten viel Zucker und Fett und tragen damit zu Übergewicht bei.“ Gesetzliche Vorschriften, um die Ernährungsindustrie zu einer bestimmten Zusammensetzung ihrer Produkte zu zwingen, lehnt die Ministerin ab: „Verbote von Kinderlebensmitteln sind tabu. Eltern und Kinder müssen freiwillig lernen, wie man sich richtig ernährt und die Werbung darf keine falschen Aussagen machen.“ Um dieses Ziel zu erreichen, will Künast in dem Verein „Ernährung und Bewegung“ Politik, Lebensmittelhersteller und Sportverbände an einen Tisch bringen. Über konkrete Projekte und die finanzielle Ausstattung des Vereins werde derzeit verhandelt, heißt es im Verbraucherministerium.

Nicht mit im Boot sind dagegen die Krankenkassen, die eine eigene Präventionsstiftung planen. Ziel ist es, über eine Verbesserung des Lebensumfeldes auch zur Aufklärung über eine gesunde Ernährung von Kindern beizutragen. Doch die Gründung, die eigentlich im ersten Quartal erfolgen sollte, verzögert sich. Grund ist die Forderung des Bundesgesundheitsministeriums nach einem Mitspracherecht im Stiftungsrat und damit über die Verwendung der Gelder. Die Kassen lehnen das ab. „Wenn wir die Stiftung mit den Geldern der Versicherten gründen, sollten sie auch über die Verwendung bestimmen können", sagt Joachim Odenbach, Sprecher des Bundesverbandes der Innungskrankenkassen. Mit einer Einigung noch im ersten Halbjahr rechnet er nicht.

Die Stiftung soll mit 35 Millionen Euro ausgestattet werden, die aus Versichertenbeiträgen bezahlt werden. Die finanzielle Beteiligung des Ministeriums sei zwar ausdrücklich erwünscht, noch gäbe es aber keine Zusagen, sagte Odenbach. Das Ministerium zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass es noch zu einer zu einer Einigung kommt. Eine Kooperation mit der von Künast geplanten Plattform Ernährung sei dagegen nicht im Gespräch, sagte ein Sprecher.

Maren Peters, Maurice Shahd

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