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Entsorgungsbranche: Streit ums Altpapier

Früher war Altpapiersammeln eher eine lästige Pflicht - für Verbraucher und Kommunen. Wegen der gestiegenen Nachfrage machen Betriebe inzwischen satte Gewinne mit Altpapier. Deswegen entsteht ein regelrechter "Altpapierkrieg" zwischen Privaten und Öffentlichen.

Bei der lukrativen Entsorgung von Altpapier bekommen die Kommunen in Deutschland zunehmend Konkurrenz von privaten Betrieben. Grund für den sich anbahnenden Konflikt sind die wegen der hohen Nachfrage kräftig gestiegenen Preise für den Sekundärrohstoff. Die Gemeinden fürchten bei Verlust der Einnahmen, die Müllgebühren erhöhen zu müssen. Das Wort vom "Altpapierkrieg" macht die Runde.

An die 80 Euro pro Tonne zahlt die Papierindustrie. "2006/2007 gab es einen enormen Preissprung beim Altpapier", berichtet Jörg Lacher vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgungen (Bonn). Die Nachfrage wachse mit der Konjunktur in aller Welt, Osteuropa habe einen steigenden Bedarf, China erst recht. Erstmals wurde Deutschland 2006 zum Nettoimporteur von Altpapier. 2007 wurden deutschlandweit rund 15,75 Millionen Tonnen Altpapier verbraucht.

Seit das Einsammeln kein "Verlustgeschäft, sondern richtig gewinnbringend" sei, wie es der Präsident der Städte- und Gemeindebundes NRW, Roland Schäfer, beschreibt, tummeln sich zunehmend private Entsorger in den Kommunen. Die Hamburger Stadtreinigung wehrt sich gegen unwillkommene private Wettbewerber. "Wir haben seit Jahrzehnten das Altpapier aus Umweltgründen gesammelt und decken das gesamte Stadtgebiet ab", sagte Sprecher Reinhard Fiedler. "Wir benötigen die Erträge dringend, um das Angebot in der Qualität aufrechterhalten zu können." Den privaten Konkurrenten wirft Fiedler vor, bevorzugt Viertel mit einem hohen Aufkommen von Altpapier ins Visier zu nehmen, andere Stadtteile dagegen zu vernachlässigen.

Niedrige Müllgebühren durch Papier-Einnahmen

In Karlsruhe streiten sich mindestens zwei Recycling-Unternehmen um den städtischen Markt, nachdem der Verwaltung ein Verbot gerichtlich untersagt wurde. Der Bürger müsse begreifen, dass die profitable kommunale Altpapier-Sammlung die übrige kostenintensive Abfallbeseitigung ausgleiche, sagt der Chef des Verbandes Kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (VKS), Rüdiger Siechau.

In Dresden hat ein privater Anbieter bisher 80 Altpapiertonnen aufgestellt. "Im Moment gibt es noch keine Entscheidung, dagegen vorzugehen", sagt Jürgen Altmeyer vom städtischen Umweltamt. Dennoch seien die Einbußen bereits zu spüren: Im Vorjahr sammelte die Stadt mit rund 28.000 Tonnen Altpapier etwa 20 Prozent weniger als noch 2005. "Den Kommunen gehen damit Einnahmen verloren und die Müllgebühren können steigen", beklagt Yvonne Sommerfeld vom sächsischen Landkreistag. Per Unterlassungsverfügung ließ die sächsische Stadt Hoyerswerda jetzt das Aufstellen der Blauen Tonnen im Stadtgebiet untersagen. "Bisher fehlt ein Nachweis, dass die private Firma das Papier ordnungsgemäß entsorgt", sagt der Leiter des städtischen Umweltamtes, Jens Frühauf. "Die Gewinne werden privatisiert, die Last trägt der Bürger", sagt Frühauf. Das betroffene Unternehmen hat beim Verwaltungsgericht Dresden Widerspruch eingelegt.

Kommunen verlieren vor Gericht

In Schwerin unterlag die Stadtverwaltung vor Gericht gegen ein Privatunternehmen. Auch die Kreisverwaltung Ostvorpommern versuchte vergeblich, einem Unternehmen die Altpapiersammlung zu verbieten. Es betreibe "Rosinenpickerei" und garantiere nicht, die Papiersammlung auf Dauer, also auch bei sinkenden Preisen, fortzuführen, kritisierte der Sachgebietsleiter für Abfallwirtschaft, Harald Schwarz, in Anklam.

In Thüringen werde die Entwicklung mit Sorge betrachtet, sagte Ralf Rusch, Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen. "Gerade im Abfallbereich darf es keine "Rosinenpickerei" geben." Es bestehe die Pflicht, auch den Abfall zu beseitigen, der sich nicht "versilbern" ließe. Rusch sieht ebenfalls die Gefahr, dass private Entsorger sich schnell wieder zurückziehen, wenn Preise für Altpapier oder Glas sinken sollten.

Nordrhein-Westfalens Städte- und Gemeindebundchef und Bergkamens Bürgermeister Schäfer wirbt in der 52.000-Einwohner-Stadt für sein Konzept mit "baren" Fakten: Seit das Altpapier vor rund anderthalb Jahren von den privaten zurück in die kommunalen Tonnen eines Eigenbetriebs wanderte, seien die Müllgebühren gleich zweimal gesenkt worden. (mhz/dpa)

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