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Finanzamt: Keine Geheimnisse mehr

Das Finanzamt weiß künftig alles. Dafür sorgt ein neues Gesetz. Datenschützer möchten das verhindern.

Nach Ansicht von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) müssten sich die Steuerzahler eigentlich freuen. „Ein entscheidender Schritt in Richtung des elektronischen Zeitalters“ stehe ihnen bevor, wenn ab dem kommenden Jahr jeder über eine persönliche, lebenslang gültige Steuer-Identifikationsnummer verfügt. Die Bürger hätten es leichter, ihre Steuerangelegenheiten zu erledigen. Und auch die Abschaffung der Lohnsteuerkarte aus Pappe bis zum Jahr 2011 ist für den Steuereintreiber Nummer eins im Land vor allem ein Abbau von Bürokratie. Die „Transparenz der Besteuerung“ werde deutlich erhöht.

Doch durchsichtiger wird vor allem wieder einmal der Steuerzahler selbst. Mit einem Knopfdruck hat der Fiskus künftig noch mehr Daten auf einen Blick zur Verfügung, die rasch auch andere Behörden interessieren könnten, warnen Datenschützer. Festgehalten sind manche Neuerungen im Jahressteuergesetz 2008, das am vergangenen Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert wurde. Das Gesetz stößt auf Kritik. Nicht nur der Bund der Steuerzahler warnt vor dem „gläsernen Steuerzahler“. Worum geht es im Einzelnen?

Neue Steuernummer: Die neue Steuernummer für alle gut 82 Millionen Bürger bleibt mehr als ein ganzes Leben lang erhalten – auch bei Umzug und noch 20 Jahre nach dem Tod. Um die Nummern anlegen zu können, hat das Bundeszentralamt für Steuern einen gigantischen Datenschatz angesammelt. In Bonn sind die Einträge aller 5500 Meldeämter zusammengelaufen. Spätestens Anfang April will das Amt die Nummern per Post verschicken. Dann behalten die Ämter Steuerzahler besser im Blick, auch wenn diese umziehen oder in mehreren Bundesländern Geschäfte betreiben. Jeder ist eindeutig identifizierbar, Doppelungen und die mit ihnen verbundene Mehrarbeit für die Behörden fallen weg. „Dadurch sind die Steuerpflichtigen zu mehr Ehrlichkeit angehalten“, sagt Rechtsanwalt Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterverband.

Datenschützer befürchten indes, dass die neue Superdatei noch anderweitig Verwendung findet. „Solche Datenbestände wecken in der Regel schnell weitere Begehrlichkeiten“, sagt ein Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar. Auch Sozialleistungsträger und Strafverfolgungsbehörden könnten zugreifen wollen.

Rentner als Erste betroffen. Zuerst trifft es Rentner. Die müssen die neue Nummer ihren privaten, betrieblichen und staatlichen Rentenkassen mitteilen. Wenn diese dann wie schon bisher die Höhe der Bezüge an die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen melden, ist es dank der neuen Steuernummer möglich, die Daten gezielt nach Steuersündern zu durchforsten. „Der massenhafte Abgleich von Daten vereinfacht sich erheblich“, sagt Isabell Pohlmann von der Stiftung Warentest.

Elektronische Lohnsteuerkarte. Aber auch die zum Teil noch sensibleren Daten von Arbeitnehmern könnten in der Zentraldatei landen, befürchtet Datenschützer Schaar. Hintergrund ist die bis 2011 geplante Abschaffung der Lohnsteuerkarten aus Pappe, die mit dem Jahressteuergesetz 2008 beschlossen wird – „überraschend eilbedürftig“, wie es aus der Behörde heißt. Die auf den Karten enthaltenen Angaben zu Religionszugehörigkeit, Ehepartnern und Freibeträgen sollen schon im kommenden Jahr mit in die neue Steuernummer-Zentraldatei aufgenommen werden.

„Der Datenpool erhält eine neue Dimension“, warnt Schaar. Freibeträge, etwa wegen Schwerbehinderung, seien zu sensible Daten, als dass sie in einer derartigen Zentralsammlung auftauchen dürften. „Es muss strikt darauf geachtet werden, dass keine anderen Behörden von den Daten Wind bekommen“, sagt Markus Deutsch.

Kontenabfragen. Höchstrichterlich bestätigt ist dagegen mittlerweile die Praxis der Finanzbehörden, sich einen gezielten Überblick über alle Bankverbindungen einzelner Steuerzahler zu verschaffen. Mehr als 25 000 sogenannter Kontenabfragen hat das Bundeszentralamt für Steuern im vergangenen Jahr veranlasst. Zunächst geht es dabei lediglich darum herauszufinden, welche Konten ein Steuerzahler unterhält. Erst in einem zweiten Schritt, wenn ein konkreter Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht, darf das Amt den Kontostand erfragen.

Auch wenn 2009 die Abgeltungssteuer kommt und die Banken die Kapitalsteuern damit praktisch automatisch selbst für den Staat einziehen, will dieser keinesfalls auf sein Durchleuchtungsrecht verzichten. „Dabei bräuchte man den Kontenabruf dann nicht mehr zwingend“, sagt Markus Deutsch. Doch im Gegenteil – die Banken sind bereits dazu aufgefordert worden, ihre Abfragekapazitäten deutlich zu erhöhen. „Wenn ein Mittel erst einmal in der Welt ist, gibt es kaum noch eine Möglichkeit, es wieder zurückzunehmen“, sagt Deutsch.

Grenzkontrollen. Das Netz zieht sich weiter zu für legales und illegales Steuersparen. Da ist auch das Ausland längst kein sicherer Hort mehr für Omas Ersparnisse. Zwar gelten Stiftungsmodelle in Liechtenstein und der Schweiz noch als Zuflucht für große Vermögen. Doch die ganz normale Geldanlage am Zürichsee verliert an Attraktivität. So wird es schwieriger, Geld über die Grenze zu bringen, vor allem zurück nach Deutschland. Seit dem Sommer müssen Reisende Bargeld und Wertpapiere im Wert von mehr als 10 000 Euro selbst angeben. Zudem verlangt der Zoll schriftliche Auskünfte, woher das Geld stammt. So erfährt auch das Finanzamt mehr, als es bisher wusste.

Die neue Steuernummer tut ihr Übriges. „Auch der Informationsaustausch mit ausländischen Behörden wird leichter möglich sein“, sagt Verbraucherschützerin Isabell Pohlmann. Das Häuschen in Spanien, gekauft mit Bargeld aus dem Voraberbe der Großtante, ist für den deutschen Fiskus immer öfter kein Geheimnis mehr.

Nils-Viktor Sorge

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