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Gendiagnostikgesetz: Schnuller der Wahrheit

Heimliche Gentests werden verboten. Das hat das Bundeskabinett jetzt beschlossen. Wer Gewissheit will, muss zur Not klagen. Die neuen Regeln für Vater, Mutter und Kind im Überblick.

Brutparasitismus, so heißt es im Tierreich, wenn ein Ei in ein fremdes Nest gelegt wird und Wirtseltern Brüten und Aufzucht übernehmen. Besonders erfolgreich: der Kuckuck. Im Zwischenmenschlichen ist das zwar keine gezielte Fortpflanzungsstrategie, kommt aber dennoch häufiger vor. „Untergeschobene“ Kinder, im Volksmund Kuckuckskinder, gehören zum Familienalltag, Schätzungen gehen sogar von bis zu zehn Prozent aus. Ein Vater liebt, erzieht und zahlt – nur ist es nicht sein eigenes Kind. „Mater semper certa est“, lautet eine römische Rechtsregel, man weiß immer, wer die Mutter ist, nur beim Vater fällt der Nachweis schwer. Bis vor ein paar Jahren. Mit den gewaltigem Fortschritten in der Molekularbiologie gilt heute: „Pater semper certus est.“ DNA-Abstammungsgutachten sind mittlerweile ein ebenso verlässliches Indiz für die Herkunft wie Babybauch und Geburt.

Damit hat sich eine florierende Branche entwickelt. Mehrere hunderttausend Gentests werden in Deutschland jährlich durchgeführt, einige zehntausend entfallen auf die Frage nach dem Vater. Bin ich es? Privat, diskret und ohne jede rechtliche Folge kommt die Antwort aus dem Labor zu einem Preis ab 150 Euro. Ein Haar, ein Kaugummi, ein Schnuller genügen. Auch wenn in rund 80 Prozent der Fälle die Vaterschaft bestätigt wird, reagieren viele Väter entlastet. Die Zweifel sind weg, die Liebe kann blühen.

Vor drei Jahren dann gab Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ihre Pläne bekannt, heimliche Tests bei Strafe zu verbieten. Mit dem Widerhall wird sie kaum gerechnet haben. Nicht nur zweifelnde oder enttäuschte Väter, auch eine familien- und männerpolitische Allianz aus Politikern und Verbandsvertretern ging nebst vielen Medien auf die Barrikaden. Der heimliche Test sollte das ureigenste Recht eines Vaters bleiben.

Der Wunsch entsprang auch der Unzufriedenheit mit der damaligen Rechtslage. Wer als Vater seine Vaterschaft gerichtlich klären lassen wollte, musste sie anfechten – dafür waren die Hürden hoch und die Folgen schwer. Denn verlief der Test negativ, bedeutete das Verfahren automatisch den Verlust der Vaterstellung. Viele Männer wollten das nicht. Zugleich hat der Bundesgerichtshof kurz nach der Zypries-Ankündigung klargestellt, dass er heimlich gewonnene Testergebnisse nicht einmal als Indiz akzeptieren würde. Sie verletzten das Persönlichkeitsrecht des Kindes.

Dass es jedoch auch ein Grundrecht des Vaters gibt zu wissen, ob sein Kind von ihm abstammt, bestätigte das Bundesverfassungsgericht 2007. Es verpflichtete den Gesetzgeber, ein autonomes Klärungsverfahren zu schaffen, das den Vater einen Vater auch dann sein lässt, wenn das Kind nicht seines ist. Dieser Anspruch kann seit dem 1. April 2008 geltend gemacht werden. Damit war rechts- und familienpolitisch der Weg frei, die von der Justiz bereits als rechtswidrig deklarierten heimlichen Tests zu verbieten. Ende August hat das Bundeskabinett grünes Licht für das neue Gendiagnostikgesetz gegeben. Noch in dieser Legislaturperiode soll auch der Bundestag zustimmen. Während Zypries noch einen Straftatbestand mit einem Jahr Haft gefordert hatte, konnte die Union durchsetzen, dass die Tat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird. Der heimliche Test wird nun als „Verwaltungsunrecht“ ohne Richter und Staatsanwälte mit einer Geldbuße geahndet. Mit dem Gendiagnostikgesetz soll zudem der Wunsch der Ministerin erfüllt werden, Ordnung im Laborwesen zu schaffen. Künftig sollen sich die Labore akkreditieren lassen und nachweisen, dass sie Proben nur mit Zustimmung der Betroffenen von qualifiziertem Personal testen lassen. Im europäischen Ausland sieht man das weniger streng. Doch auch wer heimlich genommene Proben im Ausland testen lässt, muss künftig mit einer Geldbuße rechnen.

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