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Wirtschaft: „Jeder muss sein Geld rechtzeitig bekommen“

DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer über Zeitnot, Lohndumping und Rechtsschutz für die Mitglieder

Frau EngelenKefer, sollte man die Einführung des ArbeitslosengeldesII verschieben, damit die Anträge in Ruhe bearbeitet werden können?

Die Bundesagentur für Arbeit muss sich an den Zeitplan halten, den der Gesetzgeber vorgegeben hat. Der hohe zeitliche Druck ist dadurch entstanden, dass sich Bundesregierung und CDU/CSU beim Optionsmodell – der organisatorischen Zuständigkeit für die Hartz-IV-Reform – viel zu lange nicht einigen konnten. Dass jetzt alles so schnell gehen muss, hat also der Gesetzgeber zu verantworten, nicht die Bundesagentur und schon gar nicht die Beschäftigten in den Agenturen. Aber die ersten Erfahrungen mit der neuen Software sind doch deutlich besser als befürchtet. In rund 90 Prozent der Routinefälle wird die Software funktionieren.

Und wenn nicht?

In besonders schwierigen Fällen kann die Bearbeitung länger dauern. Doch jeder, der seinen Antrag auf ArbeitslosengeldII in diesem Jahr stellt, muss sein Geld auch rechtzeitig bekommen.

Das können Sie garantieren?

Darauf haben die Betroffenen einen Anspruch. Falls die Software streikt, müssen die Daten notfalls von Hand eingegeben oder Abschläge gezahlt werden.

Haben Sie Verständnis dafür, dass viele ihre Anträge noch nicht abgegeben haben?

Die Antragsabgabe hat sich in letzter Zeit beschleunigt, allerdings mit erheblichen örtlichen Unterschieden. Bundesweit liegt der Rücklauf jetzt bei 65 Prozent. Die angekündigten Leistungskürzungen haben die Menschen aber stark verunsichert. Deshalb muss das Fördern viel stärker in den Mittelpunkt der Reform gestellt werden. Genauso muss klar gemacht werden, dass jeder nur dann ArbeitslosengeldII erhalten kann, wenn er oder sie einen Antrag stellt.

Einige Agenturen haben mit Sperrzeiten gedroht, falls der Antrag nicht umgehend abgegeben wird. Finden Sie das angemessen?

Nein, das war natürlich nicht richtig. Wir haben uns deshalb auch sofort an den Vorstand der BA gewandt, und er hat uns zugesichert, dass eine entsprechende Klarstellung erfolgt.

Da ist es doch verständlich, dass viele Arbeitslose verunsichert sind.

Die Verunsicherung hat viele Gründe. Vor allem die radikalen Forderungen von Arbeitgebervertretern nach immer weiteren Belastungen für Arbeitnehmer und Arbeitslose sind verantwortungslos. Wir müssen erst einmal die Auswirkungen von Reformen beurteilen können. Und die Politik braucht auch den Mut, Fehler zu korrigieren. Bei Hartz IV stehen wir in ständigen Verhandlungen, um die noch bestehenden Lücken zu schließen. Wir haben gerade jetzt eine Regelung für die Frage des Unterhalts gefunden. Wenn ein Arbeitsloser seinem früheren Partner oder für die getrennt von ihm lebenden Kinder Unterhalt zahlen muss, darf das nicht das ArbeitslosengeldII schmälern. Wir haben erreicht, dass jetzt ein Freibetrag für diese Fälle eingeführt worden ist. Auch gibt es inzwischen höhere Freibeträge für Vermögen von Kindern. Wir schauen ständig, wo noch Probleme sind.

Also ist jetzt alles im Lot bei Hartz IV?

Nein, es bleiben unsere Bedenken, doch jetzt geht es um die Umsetzung eines Gesetzes. Wir werden auf konkrete Probleme und Fehlentwicklungen hinweisen. Deshalb sind wir in den Monitoring-Prozess eingebunden. Hier werden wir jedes Detail im Auge behalten und auf nötige Korrekturen drängen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Betroffenen auch wirklich eine Chance haben, wieder Arbeit zu finden. Wir werden darauf achten, dass im nächsten Jahr tatsächlich ein Fallmanager auf höchstens 75 Jugendliche oder auf maximal 150 Erwachsene kommt.

Statt neuer Stellen gibt es künftig Ein-Euro-Jobs. Das kann Ihnen als Gewerkschafterin doch nicht gefallen, oder?

Die Gewerkschaften werden darauf hinwirken, dass die öffentliche Beschäftigung den Arbeitslosen und dem qualitativen Angebot gemeinnütziger Tätigkeiten wirklich zugute kommt. Wir müssen Drehtüreffekte und Lohndumping vermeiden. Das gemeinsame Ziel muss sein, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen. Wenn aber, wie bei den Mini-Jobs, sozial abgesicherte Arbeitsplätze in ungeschützte Billig-Jobs umgewandelt werden, entstehen nur neue Probleme. Wir drängen darauf, dass Beiräte gebildet werden, in denen die Kommunen, die lokale Wirtschaft und die Gewerkschaften vertreten sind. Das ist ein notwendiges Instrument, um zu erreichen, dass tatsächlich zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse entstehen.

Wollen Sie nach wie vor gegen Teile der Hartz-Reform klagen?

Der Gang vors Gericht ist immer der allerletzte Weg. Wir müssen aber vermeiden, dass Langzeitarbeitslose zum Beispiel gezwungen werden können, jeden Billig-Job anzunehmen. Dazu verhandeln wir mit der Regierung über eine Regelung, die sicherstellt, dass in der Praxis kein Lohndumping entsteht. Wir müssen dafür sorgen, dass die betroffenen Menschen, aber auch kleinere Betriebe nicht in ihrer Existenz bedroht werden.

Sehen das auch die Arbeitslosen so?

Es ist damit zu rechnen, dass von Leistungskürzungen Betroffene Widerspruch einlegen werden. Und das ist ja auch ihr gutes Recht. Falls sie Gewerkschaftsmitglieder sind, bekommen sie von uns kostenlosen Rechtsschutz. Auch darauf bereiten wir uns vor.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Ursula Engelen-Kefer ist seit 1990 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes und stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit.

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