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Wirtschaft: Pokern bis zur letzten Aktie

Wie Aktionäre von Übernahmen, Fusionen oder der Integration börsennotierter Firmen profitieren

Berlin - Für Aventis-Aktionäre wird es spannend: An diesem Donnerstag will die Pariser Finanzaufsicht bekannt geben, ob Sanofi die restlichen Aventis-Anteilseigner eingesammelt hat, um die Übernahme des deutschen Wettbewerbers abschließen zu können. Seit Mitte August konnten sich die verbliebenen gut 3,5 Prozent Aventis-Aktionäre überlegen, ob sie das Angebot der Franzosen annehmen: 68,11 Euro für jede Aventis-Aktie.

Doch nach Lage der Dinge wird Sanofi nachlegen müssen. Die Aventis-Aktie notierte am Mittwoch bei fast 67 Euro. Die Abfindung der Franzosen liegt nur wenig darüber. Damit wird ein so genanntes Squeeze-out („Herausquetschen“) wahrscheinlich. Bei diesem Verfahren drängt Sanofi die letzten Aventis-Aktionäre per Zwangsabfindung aus dem Konzern.

Was sich schmerzhaft anhört, kann für die Anteilseigner mitunter erfreulich enden. Denn häufig liegt das letzte Angebot, das ein Aufkäufer den freien Aktionären macht, über seinen ersten Offerten. Außerdem steigt meist im Vorfeld eines Squeeze-out der Kurs des betroffenen Unternehmens. Generell sollten Aktionäre geduldig sein. Denn: „Die letzte Aktie ist meistens die teuerste“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Sanofi-Aventis ist ein spektakuläres Beispiel dafür, wie Aktionäre bei Übernahmen, Fusionen oder Anteilserhöhungen pokern können. Da Experten erwarten, dass das Geschäft mit Firmenzusammenschlüssen auch in Deutschland ins Rollen kommt, sollten Anleger vorbereitet sein. Aber nicht nur Fusionen sind interessant. Auch wenn börsennotierte Gesellschaften in Konzerne reintegriert werden – die Telekom könnte bei T-Online so verfahren oder VW mit Audi –, können Aktionäre profitieren. Denn die Aufkäufer haben ein Interesse daran, alle Aktionäre der Tochterfirma einzusammeln, um sich den Aufwand für deren Börsenlisting, Geschäftsberichte und Hauptversammlungen künftig sparen zu können.

Seit Anfang 2002 sind die gesetzlichen Regularien klar: Sobald ein neuer Investor mehr als 30 Prozent der Anteile eines Unternehmens hält, ist er verpflichtet, den übrigen Aktionären ein so genanntes „freiwilliges Pflichtangebot“ für ihre Aktien zu machen. „Diese Offerte muss aber noch nicht angenommen werden“, sagt DSW-Sprecher Kurz. Erst wenn 75 Prozent der Anteile in den Händen eines Großaktionärs sind und ein Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag geschlossen wird, sind die Aktionäre zur Annahme verpflichtet. Die Höhe des Angebots, die sich nach der Firmenbewertung auf der Grundlage der Finanzplanung des Vorstands richtet, kann dann auch juristisch überprüft werden. Dies gilt auch für ein Squeeze-out-Verfahren, das möglich ist, wenn ein Großaktionär mindestens 95 Prozent der Aktien hält.

„Aktionäre sollten immer auf ein juristisch überprüfbares Verfahren warten“, rät Jürgen Kurz. Da die Aufkäufer meist mit niedrigen Summen in den Abfindungspoker gehen, lohnt es sich in der Regel sogar, den Rechtsweg zu beschreiten. In 90 Prozent der vor Gerichten entschiedenen Spruchverfahren wurde eine Aufbesserung für die Aktionäre erreicht. Die Barsummen lagen im Schnitt um 30 Prozent über den ursprünglichen Angeboten.

Aktionäre müssen dabei nicht immer selbst juristisch aktiv werden. Aktionärsvertreter wie die DSW oder die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) strengen die Verfahren meist stellvertretend an, deren Ergebnisse dann für alle Aktionäre gelten. Allein die DSW führt zurzeit rund 50 Spruchverfahren durch.

Was am Ende für den Aktionär übrig bleibt, entscheidet auch der Fiskus. So gilt etwa im Fall Aventis: Wer die Papiere weniger als ein Jahr lang im Depot hat, muss die Hälfte der Abfindung versteuern. Auch die Alternative, statt einer Barabfindung den Aktientausch zu akzeptieren, ist nicht immer vorteilhaft. Mit dem Zeitpunkt des Tauschs beginnt eine neue Spekulationsfrist von zwölf Monaten.

Wer nicht selbst Aktionär eines Unternehmen ist, bei dem Abfindung oder Squeeze-out auf der Tagesordnung stehen, kann per Zertifikat von solchen Szenarien profitieren. Sal. Oppenheim bietet ein Squeeze-out-Zertifikat (ISIN: DE000SAL2QZ2) an, das zehn Kandidaten enthält, die Kursgewinne versprechen: Ergo, SAP, Hoechst, Brau und Brunnen, Celanese, Audi, Gea, Strabag, Vereins- und Westbank sowie Harpen. Das Angebot hat aber seinen Preis. Die Bank lässt sich die Dienstleistung mit üppigen Managementgebühren honorieren.

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