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Recht: "Soll ich mich jetzt scheiden lassen?"

Am 1. September ändert sich das Scheidungsrecht: Welche Fragen die Leser jetzt haben und was die Experten ihnen raten.

Alles neu – macht der September. Für Scheidungen, die am 1. September oder später eingereicht werden, gelten neue Regeln für die Aufteilung des Vermögens (Zugewinnausgleich) und der Rentenansprüche (Versorgungsausgleich). Wer profitiert vom neuen Recht, und wer sollte lieber jetzt noch den Scheidungsantrag stellen? Das wollten viele Leser von den Rechtsanwältinnen und -anwälten des Berliner Anwaltsvereins wissen, die ihnen bei unserer letzten Telefon- und Onlineaktion zur Verfügung gestanden haben.


Wir leben seit über zwei Jahren getrennt. Bei einer Scheidung müsste mir mein Mann sowohl Versorgungs- als auch Zugewinnausgleich zahlen. Wann soll ich den Scheidungsantrag einreichen?


Warten Sie bis zum 1. September. Von der Reform, die dann in Kraft tritt, profitiert der Partner, der einen Ausgleich verlangen kann. Außerdem bekommen Sie durch das neue Recht bessere Auskunftsansprüche über das Vermögen Ihres Mannes.

Mein Mann hat mich auf die Scheidung angesprochen. Ich finde das verdächtig. Wir verdienen etwa gleich viel, auch unsere Rentenansprüche sind ähnlich hoch. Allerdings bekommt er später noch eine dicke Betriebsrente.

Ihr Gefühl ist berechtigt. Denn wenn die Scheidung vor dem 1. September eingereicht wird, läuft der Versorgungsausgleich noch nach dem bisherigen Recht. Das heißt, die Betriebsrente Ihres Mannes würde für die Berechnung Ihres Anspruches in Anwartschaften für die gesetzliche Rentenversicherung umgerechnet werden, aber nur zu einem kleinen Anteil ausgeglichen. Konkret bekommen Sie den Anspruch aus der Betriebsrente aber erst dann, wenn Ihr Mann Rentner ist und auch Sie in Rente gehen. Sie müssten Ihren Mann ausfindig machen und von ihm nicht nur die Auskunft über die Höhe der Betriebsrente verlangen, sondern auch die Zahlung Ihres Anteils an der Betriebsrente von Ihrem Mann verlangen. Viele Frauen machen das nicht und gehen faktisch leer aus. Für Scheidungen ab dem 1. September gilt: Betriebsrentenansprüche werden sofort geteilt. Sie bekommen dann beim Versorgungsträger ein eigenes Konto.

Kann man auch nach dem neuen Recht den Versorgungsausgleich ausschließen?


Ja, das wird sogar leichter. Nach derzeitigem Recht muss das Familiengericht zustimmen, wenn die Scheidung innerhalb eines Jahres nach Ausschluss des Versorgungsausgleichs eingereicht wird. Das fällt ab dem 1. September weg.

Wir haben den Versorgungsausgleich vertraglich ausgeschlossen. Seit dem 1. Oktober 2008 leben wir getrennt. Ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs gültig, wenn ich am 1. September die Scheidung einreiche?

Grundsätzlich gilt ab dem 1. September die bisherige Wartefrist von einem Jahr für Verträge zum Versorgungsausgleich nicht mehr. Bei Scheidungsanträgen, die nach dem 1. September 2009 eingereicht werden, gilt das neue Recht und damit entfällt die Wartefrist.

Ich bekomme Rente, meine Frau noch nicht. Bei einer Scheidung müsste ich im Rahmen des Versorgungsausgleichs zahlen. Ich möchte mich eigentlich nicht scheiden lassen, habe aber Angst, dass ich mit dem neuen Recht schlechter fahre. Kann ich mit meiner Frau einen Vertrag machen, nach dem auch bei einer Scheidung nach dem 1. September das alte Recht quasi weiter gilt?


Mit dem 1. September läuft das „Rentnerprivileg“ aus. Das bedeutet, dass Rentenansprüche zwar mit der Scheidung geteilt werden, die Teilung aber erst vollzogen wird, wenn der ausgleichsberechtigte Partner in Rente geht. Das heißt: Ihre Rente wird erst dann gekürzt, wenn Ihre Frau in Rente geht. Das ändert sich für Scheidungen, die ab dem 1. September eingereicht werden. Dann werden Rentenansprüche sofort geteilt, Ihnen würde die gesetzliche Rentenversicherung also sofort weniger zahlen. Vertraglich lässt sich das nicht ändern. Am Versorgungsausgleich sind nämlich nicht nur die Ehepartner, sondern auch die Versorgungsträger beteiligt. Wenn Sie Ihr Rentnerprivileg verteidigen wollen, müssen Sie bis zum 31. August den Scheidungsantrag stellen.

Wir leben getrennt, ich habe gut verdient, meine Frau hat sich um die Kinder gekümmert. Jetzt bin ich Rentner, meine Frau noch nicht, unsere beiden Kinder sind in der Ausbildung. Ist es sinnvoll für mich, jetzt die Scheidung einzureichen?

Sollte eine Scheidung schon absehbar sein, wäre es in der Tat wohl sinnvoll, über eine kurzfristige Antragseinreichung nachzudenken, um noch in den Genuss des Rentnerprivilegs zu kommen. Zu beachten ist dabei aber auch, dass das Trennungsjahr abgelaufen sein muss.

Was ist, wenn das Trennungsjahr noch nicht vorbei ist?


Der Gesetzgeber räumt den Ehegatten Möglichkeiten zur vertraglichen Vereinbarung über den Versorgungsausgleich ein. Diese Vereinbarungen bedürfen allerdings bis zur Scheidung der notariellen Beurkundung und werden vom Familiengericht dann einer Inhalts- und Ausübungskontrolle unterzogen. Trotz dieser Überprüfung durch das Familiengericht – die ja der Vermeidung von Ungerechtigkeiten dient – könnte so versucht werden, eine Benachteiligung des schon eine Rente beziehenden Ehegatten zu vermeiden, indem man etwa bestimmte Rentenansprüche aus dem Ausgleich herausnimmt. Nachzudenken wäre auch über die Möglichkeit der zusätzlichen Beitragszahlung, um eine Kürzung der Rente zu vermeiden.

Seit Oktober vorigen Jahres lebt mein Mann von mir getrennt. Wir waren 15 Jahre verheiratet und haben zwei Kinder. Im Ehevertrag verzichte ich auf alles. Ich war die ganze Zeit Hausfrau und habe keinen Job. Mein Mann hat mir vorgeschlagen, dass er die Klausel über den Versorgungsausgleich annullieren würde. Vor September habe er aber keine Zeit. Dann könne er auch die Scheidung einreichen. Soll ich darauf bestehen, dass alles noch im August passiert?


Ob der von Ihnen beschriebene Ehevertrag einer Kontrolle durch das Familiengericht standhalten würde, darf bezweifelt werden. Allerdings ist für eine solche Überprüfung der Stichtag 1. September 2009 unerheblich. Sollten jetzt noch Änderungen an den ehevertraglichen Regelungen vorgenommen werden, würden diese – unabhängig von der Rechtslage – durch das Familiengericht geprüft. Für Sie gibt es keinen Grund, jetzt die Scheidung einzureichen. Sie dürften mit dem neuen Recht besser fahren.

Ich bekomme eine Rente von 1700 Euro, meine Frau 1000 Euro. Können wir den Versorgungsausgleich auch ohne Scheidung regeln?

Ja, Sie können vereinbaren, dass Sie Ihrer Frau jeden Monat 350 Euro zahlen.

Wir haben vor 20 Jahren den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Ich habe eine kleine Rente, mein Mann war selbstständig und hat heute gar keine Rente. Muss ich damit rechnen, jetzt doch noch für meinen Mann zahlen zu müssen?

Nein, die alte Vereinbarung hat Bestand.

Welcher Stichtag wird nach neuem Recht maßgeblich sein, um festzustellen, wie viel mein Mann mir nach der Scheidung zahlen muss und wie viel Vermögen da ist?


Der Stichtag für die Berechnung des Zugewinnausgleichs und für die Feststellung des Vermögens, das für den Ausgleich zur Verfügung steht, ist die Zustellung des Scheidungsantrags durch das Familiengericht an den anderen Ehepartner. Wenn Ihr Mann zu diesem Zeitpunkt ein Vermögen von 100 000 Euro hat und Sie nichts, muss er Ihnen 50 000 Euro zahlen. Und zwar auch dann, wenn er später einen Teil des Vermögens verschleudert oder verliert.

Mein Mann bekommt eine Ost-, ich eine West-Rente. Der Versorgungsausgleich ist wegen der unterschiedlichen Rentensysteme ausgesetzt worden. Was passiert jetzt?

Die Familiengerichte müssen innerhalb der nächsten fünf Jahre den Versorgungsausgleich nachholen. Was bis zum 31. August nicht erledigt ist, wird nach neuem Recht behandelt. Das geschieht automatisch. Sie müssen gar nichts tun.

Mein Mann und ich leben seit einigen Jahren bereits getrennt. Er will keine Scheidung, bevor er in Rente geht. Verliere ich mit dem neuen Recht Ansprüche?

Altes und neues Recht machen für Sie keinen Unterschied. Sie profitieren weiterhin von einem Vermögenszuwachs im Zugewinnausgleich, und auch Ihre Ansprüche im Versorgungsausgleich steigen bei längerer Ehe. Nur wenn Sie befürchten müssen, dass Ihr Mann Schulden macht, was den Zugewinnausgleichsanspruch verringert, wäre zu überlegen, den Scheidungsantrag früher zu stellen. Steuerlich hat die spätere Scheidung keinen Vorteil, weil Sie gesetzlich verpflichtet sind, ab dem Jahr, das auf die Trennung folgt, die Steuerklassen zu wechseln, das Ehegattensplitting entfällt dann. Wenn Sie trotz Trennung weiterhin eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, täuschen Sie das Finanzamt und wenn das bekannt wird, müssen Sie und Ihr Mann damit rechnen, zumindest Steuern nachzuzahlen oder auch eine Strafe.

Wir waren 30 Jahre verheiratet. Doch im Mai ist mein Mann ausgezogen und will sich nun scheiden lassen. Welche Möglichkeiten gibt es, dass diese Scheidung nach dem alten Recht vollzogen wird?


Keine. Denn erst nach Ablauf des Trennungsjahres kann die Scheidung eingereicht werden. Da die Trennung erst drei Monate zurückliegt, wird das neue Recht zur Anwendung kommen.

Fragen und Antworten wurden bearbeitet von Heike Jahberg und Thomas Reckermann

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