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Wirtschaft: Spenden – aber sicher!

Über 12 000 Organisationen bitten um Hilfe. Wir sagen Ihnen, wie Sie die seriösen unter ihnen finden

Für manche ist Reklame ein Existenzbeweis: Wer nicht wirbt, der stirbt. Das muss sich auch die italienische Bekleidungsfirma Benetton gesagt haben, als sie sich in den neunziger Jahren mit Plakaten hungernder Kinder zur Anklägerin des globalen Elends machte. Kritiker bezeichneten das damals als Geschäft mit dem Leid. Ein Vorwurf, der auch die Werbebotschaften mancher Hilfsorganisation trifft. Ohne Bilder keine Spenden, lautet eine ungeschriebene Branchenregel.

Grundsätzlich aber vertrauen die Deutschen dem Engagement von Hilfsorganisationen. Nach Schätzungen des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI) werden die Bundesbürger im laufenden Jahr mehr als zwei Milliarden Euro für karitative Zwecke spenden. Dabei haben sie die Qual der Wahl: Mehr als 12 000 wohltätige Organisationen werben um die Gunst der Spender – von Global Playern wie den kirchlichen Hilfsorganisationen bis zum Frauenhaus im Kiez. Hier die Übersicht zu behalten, Seriöses von Unseriösem zu trennen, ist nicht immer leicht.

Anerkennung durch das Finanzamt. Seriöse Institutionen verweisen bereits auf Webseiten, auf Briefköpfen und Überweisungsscheinen auf die Anerkennung als gemeinnütziger Verein durch das zuständige Finanzamt. Die Gemeinnützigkeit ist aber nur eine grobe Orientierungshilfe: „Das Finanzamt ist keine weltanschauliche Kontrollinstanz“, betont Matthias Kolbeck von der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Die Beamten prüfen lediglich, ob die Organisation über das Eigeninteresse ihrer Mitglieder hinaus tätig ist und Gelder satzungsgemäß ausgibt.

Das Spenden-Siegel. Einen genaueren Kompass bietet die Webseite des DZI, das als ein Art „Spenden-TÜV“ gilt. Das Institut hat mittlerweile mehr als 2000 Vereine auf Herz und Nieren geprüft und an 223 das DZI-Siegel vergeben. Wer diese Plakette tragen will, muss nicht nur jährlich seine Bücher offenlegen und die gemeinnützige Arbeit dokumentieren, er muss auch sachlich und wahrheitsgetreu für seine Belange werben. Aggressive Drückerkolonnen sind ebenso unerwünscht wie die Entlohnung von Spendensammlern auf Provisionsbasis. An Werbung allerdings kommen auch seriöse Organisationen nicht vorbei, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des DZI: „Je emotionaler und drastischer die Bilder, desto höher die Spendeneinnahmen. Mit einer Einschränkung: Mittel- und langfristig funktioniert das nicht, die Menschen fühlen sich dann abgestoßen.“

Betrug im Internet. Ein Problem für die etablierten Organisationen sind betrügerische Trittbrettfahrer, die sogenannte Phishingmails per Internet verschicken. Diese Mails segeln unter bekannten Namen, lenken das Geld in Wirklichkeit jedoch auf das Konto eines Betrügers. Experten raten, im Zweifel bei den gemeinnützigen Organisationen anzurufen und sich die Richtigkeit der Kontodaten bestätigen zu lassen. Dennoch sollten sich Spender von solchen Nachrichten nicht entmutigen lassen. „Es gibt keinen Grund, nicht zu spenden, die meisten Organisationen arbeiten seriös“, betont Spendenfachmann Wilke.

Verwaltungskosten. Einen wichtigen Hinweis für die Seriosität eines Anbieters liefern die Verwaltungskosten. Wenn mehr als jeder dritte Euro in die Verwaltung geht, sollte man hellhörig werden – und zwar unabhängig vom logistischen Aufwand, den die Hilfsorganisation betreibt.

Konzentration auf wenige. Spender sollten sich auch die Wirkung ihrer Spende bewusst machen, so Wilke: „Das Prinzip Gießkanne hilft niemandem, man kann es nicht jedem recht machen.“ Sinnvoller ist es, das Spendenbudget auf wenige Organisationen zu konzentrieren.

Keine Zweckbindung. Auch die Zweckbindung einer Spende kann nachteilig sein. Ein Beispiel: Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ erhielt nach der Tsunami-Katastrophe im vergangenen Dezember mehr Gelder, als sie für die medizinische Erstbetreuung der Flutopfer ausgeben konnte. Beim schweren Erdbeben in Pakistan wenige Monate später waren dann die Mittel knapp: „Wir haben an viele Tsunami-Spender einen Cent rücküberwiesen, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen und sie zu bitten, die Zweckbindung aufzuheben“, sagt Svenja Kühnel von „Ärzte ohne Grenzen“. Auf ein anderes Problem weist die Stiftung Warentest hin: Kleiderspenden für die Dritte Welt können mehr schaden als nutzen,wenn sie auf den regionalen Märkten die einheimischen Textilprodukte verdrängen.

Alexander Heinrich

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