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Tagesspiegel-Telefonaktion: „Wie schnell finde ich einen guten Pflegedienst?“

Die häufigsten Fragen der Leser und was Experten ihnen in Sachen Heim, Pflegestufen und ambulante Dienste raten.

Wenn man selbst pflegebedürftig wird oder ein Angehöriger Hilfe braucht, stellen sich viele Fragen. Wie findet man einen guten ambulanten Pflegedienst, anhand welcher Kriterien erkennt man ein gutes Heim, was kostet ein Pflegeplatz? In zwei Telefonaktionen haben wir unseren Lesern die Gelegenheit gegeben, ihre Fragen zu stellen. Lesen Sie, was die Experten geantwortet haben.

Am Tagesspiegel-Telefon waren: Wolfgang Bauer (AOK Berlin), Andreas Deffner (Bundesgesundheitsministerium), Peter Duske (Barmer Ersatzkasse), Astrid Grunewald-Feskorn (Verbraucherzentrale Berlin), Heidi Knake-Werner (Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales), Isabel Maibaum-Hauck (Caritas), Gabriele Tammen-Parr (Pflege in Not) und Martina Wilcke-Kros (Medizinischer Dienst Berlin-Brandenburg).

Ich suche für meine Mutter einen Heimplatz. Wie gehe ich dabei vor?

Es gibt verschiedene Kriterien, die bei der Auswahl eine Rolle spielen können. Viele Menschen haben den Wunsch, ein Heim in der Nähe zu finden, um auch weiterhin Besuch von ihren früheren Nachbarn oder Freunden bekommen zu können. Oder sie suchen ein Heim, das von Familienangehörigen leicht erreicht werden kann. Ein weiteres Kriterium können natürlich auch besondere Angebote des Heims sein oder eine Spezialisierung der Einrichtung auf bestimmte Krankheiten. Es gibt beispielsweise Häuser, die damit werben, dass sie besonders gut auf Demenzkranke eingestellt sind.

Kann man sich auf solche Angaben verlassen?

Man sollte sich immer ein eigenes Bild machen. Wer zum Beispiel einen Platz für einen demenzkranken Angehörigen sucht, sollte konkret vor Ort nachfragen, wie der Tag strukturiert ist. Lassen Sie sich schildern, wie der Tagesablauf dieser Heimbewohner aussieht und welche Angebote es für sie gibt. Versuchen Sie auch bei Ihrem Besuch, mit den Pflegern und so weit möglich mit den Bewohnern oder deren Angehörigen zu sprechen.

Auf welche Dinge sollte ich bei einem Testbesuch noch achten?

Verlassen Sie sich auf Ihr Bauchgefühl. Lassen Sie Ihre Eindrücke auf sich wirken. Wenn es in den Zimmern nach Urin riecht, ist das zum Beispiel ein schlechtes Zeichen. Und essen Sie auch ruhig mal im Heim zur Probe, um sich selber einen Eindruck zu verschaffen.

Mein Vater lebt im Heim. Ich habe das Gefühl, dass er dort nicht gut behandelt wird. Was kann ich tun?

Sie sollten zunächst mit der Pflegekraft sprechen, die für Ihren Vater zuständig ist. Sollte Ihr schlechter Eindruck bleiben, sollten Sie eine Beschwerde an die Pflegekasse schicken. Dabei sollten Sie Ihre Kritik möglichst präzise schildern, damit die Pflegekasse entscheiden kann, wie dringlich das Problem ist. Die Pflegekasse beauftragt dann den Medizinischen Dienst mit einer Sonderprüfung des Heims. Parallel dazu können Sie auch noch die Heimaufsicht informieren. In Berlin ist diese beim Landesamt für Gesundheit und Soziales angesiedelt.

Wie oft kontrolliert der Medizinische Dienst Heime in Berlin?

Bisher werden Heime etwa alle fünf Jahre kontrolliert, die Pflegereform sieht aber eine Verkürzung auf drei Jahre vor. Bei Beschwerden kann der Medizinische Dienst aber auch immer außerplanmäßige Überprüfungen machen.

Kann ich die Prüfberichte lesen?

Bisher sind die Ergebnisse der Heimprüfungen nicht öffentlich. Mit der Pflegereform wird das geändert. Dann werden die Prüfergebnisse des MDK veröffentlicht. Die Versicherten haben ein Anrecht darauf, in verständlicher Form nachzulesen, wie es mit der Qualität eines Heims aussieht.

Meine Mutter lebt im Heim und hatte Pflegestufe 2. Jetzt hat das Heim ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung beim Medizinischen Dienst eine Einstufung in die Pflegestufe 3 beantragt. Der MDK hat diese Höherstufung nach Aktenlage gebilligt. Jetzt soll ich plötzlich höhere Beiträge an das Heim zahlen. Was soll ich tun?

Heime dürfen eine Höherstufung nicht ohne die Zustimmung des Pflegebedürftigen beantragen. Die Angehörigen müssen sie aber nicht fragen. Das Problem: Bei einer höheren Pflegestufe können die Heime mehr Geld verlangen. Da ein Heimplatz aber nur zum Teil von der Pflegeversicherung finanziert wird, tragen die Heimbewohner beziehungsweise ihre Angehörigen den Rest der Kosten. Daher kommen durch die Höherstufung jetzt auch auf Sie höhere Ausgaben zu. Sie sollten sich mit dem Medizinischen Dienst in Verbindung setzen und darauf hinweisen, dass Ihre Mutter Ihrer Meinung nach kein Fall für die Pflegestufe 3 ist. Notfalls sollten Sie einen Rechtsanwalt einschalten. Und eines ist ganz wichtig: Gegen den Bescheid über die neue Pflegestufe müssen Sie innerhalb von einem Monat Widerspruch einlegen, sonst wird er bestandskräftig.

Mein Vater zieht jetzt von Köln nach Berlin, weil meine Familie und ich hier leben. Wir haben auch bereits ein gutes Pflegeheim für ihn gefunden. Bezahlt die Krankenkasse die Umzugskosten?

Nein, die Umzugskosten haben nichts mit der medizinischen Versorgung zu tun. Daher muss Ihr Vater den Umzug selbst bezahlen.

Der Heimplatz meiner Mutter kostet 2500 Euro im Monat. Die Pflegeversicherung reicht nicht, um diese Kosten zu zahlen. Muss ich finanziell einspringen?

Wenn die Pflegeversicherung nicht reicht und der Heimbewohner den Rest der Kosten nicht tragen kann, müssen die Kinder zahlen. Allerdings nur dann, wenn sie dazu finanziell in der Lage sind. Welchen Teil ihres Einkommens die Kinder für sich behalten dürfen, ergibt sich in Berlin aus der Berliner Tabelle. Danach steht Ihnen ein Selbstbehalt von mindestens 1400 Euro im Monat zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens zu.

Meine Mutter ist gerade in Kurzzeitpflege. Nun signalisiert das Personal, dass sie in das angeschlossene Pflegeheim übernommen werden soll. Aber ich habe das Gefühl, dass es ihr im Heim nicht gut geht. Wäre eine Wohngemeinschaft eine Alternative?

Grundsätzlich sind solche Demenz-WGs eine gute Sache. Die Bewohner können viel intensiver betreut werden als in einem Heim. Man muss sich die Wohngemeinschaften aber vorher sehr kritisch ansehen, da es immer mehr Pflegedienste gibt, die bei der Gründung einer solchen WG vor allem den finanziellen Aspekt sehen. Man sollte sich vergewissern, dass dort immer Personal anwesend ist, das zumindest eine Basisqualifikation nachweisen kann. Daran wird oft gespart.

Mein Vater ist 90 und gerade nach einer schweren Operation wieder aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen. Er hat allerdings noch keine Pflegestufe und schafft auch noch vieles allein. Wer hilft ihm jetzt?

Ein Pflegedienst muss in einem solchen Fall aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Die Pflegestufe 1 kann erst beantragt werden, wenn er mindestens 90 Minuten am Tag gepflegt werden muss. Solange er die Körperpflege noch allein schafft, ist das meist schwierig. Ein weiteres Problem: Er muss selbst erkennen, dass er pflegebedürftig ist. Das akzeptieren die meisten erst, wenn die Grenze schon überschritten ist.

Ich bin 90 Jahre alt und pflege meine 87-jährige Frau. Was mache ich, wenn ich für einige Zeit ins Krankenhaus muss?

Sie haben einen Anspruch auf Urlaubs- und Verhinderungspflege. Das sind 1432 Euro im Jahr. Damit kann Ersatzpflege durch einen Pflegedienst bezahlt werden. Die Verhinderungspflege kann entweder 28 Tage hintereinander oder stundenweise in Anspruch genommen werden. Alternativ kann Ihre Frau bis zu 28 Tage in einer speziellen Einrichtung zur Kurzzeitpflege untergebracht werden. Wenn absehbar ist, dass Sie nach dem Krankenhausaufenthalt nicht mehr in der Lage sein sollten, Ihre Frau zu pflegen, kann das Pflegegeld dauerhaft in Sachleistungen umgewandelt werden, um einen Pflegedienst zu bezahlen. Das muss allerdings vorher mit der Pflegekasse geklärt werden.

Wie schnell kann ich einen Pflegedienst finden, wenn ich unerwartet ins Krankenhaus muss?

Die meisten Dienste sind so flexibel, dass sie noch am selben Tag tätig werden.

Kann ich als Betreuerin über das Pflegegeld frei verfügen, um eine private Pflegekraft damit zu entlohnen?

Ja, dabei gibt es keine Vorgaben von der Pflegekasse.

Meine Schwiegermutter lebt mit 94 noch in einem eigenen Haus in einer anderen Stadt. Sie hat gerade die Pflegestufe 1 bekommen. Was kann ich tun, damit sie so lange wie möglich zu Hause leben kann und gut betreut wird, obwohl wir das von Berlin aus nicht so oft überprüfen können?

So etwas funktioniert eher, wenn etwas Geld vorhanden ist. Dann kann man neben dem Pflegedienst auch noch eine private Haushaltshilfe engagieren. Der Pflegedienst sollte darauf achten, dass die Haushaltshilfe ihre Aufgaben gut ausführt. Die Pflegesituation sollte vor allem konstant sein.

Wie finde ich ein gutes Heim für meine Schwägerin, die mit 75 noch geistig rege ist, es körperlich aber nicht mehr allein zu Hause schafft?

Sie sollte auf keinen Fall in einem gemischten Wohnbereich mit dementen Bewohnern untergebracht werden. Fragen Sie immer nach dem Prozentsatz von dementen Bewohnern. In vielen Heimen sind es bis zu einem Drittel. Achten Sie auch darauf, wie es im Heim riecht und ob es Gruppenangebote für geistig rege Bewohner gibt. Gut ist etwa, wenn eine Ein-Euro-Kraft jeden Morgen aus der Zeitung vorliest. Dann nehmen die Bewohner noch an der Welt außerhalb des Heims teil. Man sollte möglichst rechtzeitig mit der Suche beginnen, da gute Einrichtungen oft eine Warteliste haben.

Meine Mutter ist noch rüstig, aber es fällt ihr doch immer schwerer, allein mit ihrem Haushalt zurechtzukommen. Wann sollten wir eine Pflegestufe beantragen?

Das ist für die Angehörigen ein Spagat zwischen Sorge und Bevormundung. Dabei sollten Sie nicht zu früh agieren und Ihre Mutter bedrängen. Es ist nicht so wichtig, dass der Haushalt so blitzsauber ist, wie Sie es von früher gewohnt sind. Wichtig ist, dass Ihre Mutter sich wohlfühlt. Sind Sie besorgt, sollten Sie behutsam mit Ihrer Mutter sprechen und sie fragen, ob sie Unterstützung braucht. Sobald Sie aber den Eindruck haben, Ihre Mutter ist ernsthaft gefährdet, sollten Sie reagieren.

Ich bin ehrenamtliche Betreuerin meiner Mutter. Wo bekomme ich Hilfe, wenn ich zum Beispiel versäumt habe, einen Antrag rechtzeitig zu stellen?

Ehrenamtliche Betreuer können sich an den Betreuungsverein der Caritas (Telefon 6663 3990 oder 46793720) wenden. Dort können sie sich etwa erkundigen, wie es mit einer Rechtsschutz- und einer Haftpflichtversicherung aussieht, die über das zuständige Amtsgericht läuft.

Wie sieht es mit einem Betreuungsgeld für Demenzkranke aus, die noch nicht einer Pflegestufe zugeordnet werden können?

Zurzeit wird das Betreuungsgeld, rund 460 Euro, nur dann gezahlt, wenn der zu Betreuende eine Pflegestufe hat. Nach der geplanten Pflegereform werden wahrscheinlich auch Demenzkranke ohne Pflegestufe Betreuungsgeld bekommen.

Ich möchte etwas loswerden: Es gibt einen Pflegenotstand in den Heimen. Die Pfleger haben zu wenig Zeit für ihre Aufgaben. Und wer als Angestellter eines Heimes etwas dazu sagt, wird gemobbt. Es müsste mehr kontrolliert werden, und vor allem müssten die Angehörigen ermutigt werden, genauer hinzuschauen und Mängel anzusprechen.

Das ist ein guter Ansatz.

Fragen und Antworten wurden zusammengestellt von Heike Jahberg und Daniela Martens.

Am 9. Oktober startet der Tagesspiegel mit dem Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) eine Diskussionsreihe zum Thema Pflege. Am Dienstag diskutieren Experten über die Frage: „Pflegefall in der Familie – was tun?“ Beginn 19.30 Uhr im KPM-Café, Wegelystraße 1, Charlottenburg. Der Eintritt ist frei, um Voranmeldung unter Telefon 2191670, Fax 21915777 oder per E-Mail unter dbfk@dbfk.de wird gebeten.

Wolfgang Bauer, AOK
Andreas Deffner, Ministerium
A. Grunewald-Feskorn, Verbraucherzentrale
Martina Wilcke-Kros, Medizinischer Dienst
Peter Duske, Barmer Ersatzkasse
Heidi Knake-Werner, Senatorin für Arbeit
Isabel Maibaum-Hauck, Caritas-Sozialstation
Gabriele Tammen-Parr, Pflege in Not

Anlaufstellen

Die Berliner Koordinierungsstelle „Rund ums Alter“ hilft bei der Suche nach einem Pflegedienstleister. Sie erreichen sie telefonisch an Werktagen von neun bis 18 Uhr unter 01805/95 00 59 (12 Cent/Minute) sowie im Internet unter www.hilfelotse-berlin.de. Auch die AOK bietet im Internet eine Pflegeheimdatenbank an: www.aok-pflegeheimnavigator.de. Das Beratungs- und Beschwerdetelefon „Pflege in Not“ (Diakonie) berät Pflegebedürftige und ihre Angehörigen werktags von zehn bis zwölf unter 030/69598898. Die Verbraucherzentralen bieten in Zusammenarbeit mit den Betriebskrankenkassen eine Pflegehotline zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung (01803/770 500-1), Heim- und Pflegedienstverträge (01803/770 500-2) und alternative Wohnformen (01803/770 500-3) an (neun Cent pro Minute). Das Bundesgesundheitsministerium hat ein Bürgertelefon zur Pflegeversicherung geschaltet: 01805/996603. Tsp

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