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Verbraucherschutz: Länder fordern mehr Geld für Bahnkunden

Der Bundesrat will die Pläne von Justizministerin Brigitte Zypries stoppen. Den Ländern reichen die dabei angepeilten Entschädigungen für Bahnkunden nicht. Auch bei der Telefonwerbung droht neuer Streit.

Berlin - Im Streit um höhere Entschädigungen für Fahrgäste und einen besseren Schutz der Verbraucher vor unerlaubter Telefonwerbung haben die Bundesländer Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Kampf erklärt. „Die Länder werden den Gesetzentwurf der Ministerin zu den Fahrgastrechten im Bundesrat stoppen, falls Zypries auf ihrer Position beharrt“, sagte der Baden-Württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) dem Tagesspiegel am Sonntag. Dass sie mit ihrem Konfrontationskurs Ernst machen, haben die Länder bereits im Dezember bewiesen, als der Bundesrat einen Gesetzentwurf des Justizministeriums zum illegalen Telefonmarketing ablehnte. Auch hier könnte der Streit letztlich vor dem Vermittlungsausschuss landen.

„Es ist mir unverständlich, dass Frau Zypries auf ihrer Position beharrt“, kritisierte Hauk. Das Justizministerium will Ende Januar einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Entschädigungsansprüche von Bahnkunden regelt. Bei einer einstündigen Verspätung sollen die Kunden 25 Prozent des Fahrpreises zurückerhalten, kommt die Bahn zwei Stunden zu spät, soll der Reisende eine Erstattung von 50 Prozent verlangen können. Den Ländern reicht das nicht. Sie wollen die 25-prozentige-Entschädigung bereits bei einer halbstündigen Verspätung und die Erstattung von 50 Prozent bei einstündiger Verzögerung. Derzeit gibt die Bahn ihren Kunden bei mindestens einstündiger Verspätung einen Gutschein über 20 Prozent des Fahrpreises, den man dann bei einem späteren Ticketkauf einlösen kann. Bei winterbedingten Behinderungen wie in den vergangenen Tagen zahlt die Bahn übrigens im Regelfall nicht.

Zypries verweist auf das europäische Recht. Im nächsten Dezember tritt eine EU-Verordnung in Kraft, die im grenzüberschreitenden Bahnverkehr eine Entschädigungspflicht erst bei einstündigen Verspätungen vorsieht. Nach Meinung der Ministerin wäre es unsinnig, zwei verschiedene Abrechnungssysteme für den nationalen und den internationalen Bahnverkehr einzurichten. Das würde den Abrechnungsaufwand der Bahn erhöhen und zu steigenden Preisen führen. Zudem wisse der Kunde oft gar nicht, woher der Zug kommt und wo er endet.

„Dem Reisenden ist das doch egal“, kritisiert Hauk. Bei kürzeren Reisen und im öffentlichen Nahverkehr müssten engere Verspätungsfristen gelten als bei langen Fahrten, fordert der Verbraucherschutzminister und liegt damit auf der Linie seiner Ministerkollegen in den Ländern. Zudem fordern die Länder, dass Kunden auf Kosten der Bahn mit dem Taxi oder einem anderen Beförderungsmittel weiterfahren können, falls sie wegen einer Bahnpanne nachts stranden.

Die Bahn unterstützt Zypries’ Kurs. „Wir sind an einer EU-weit einheitlichen Lösung interessiert, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden“, sagte eine Sprecherin. Und auch wegen der Konkurrenz zum Flugverkehr dürfe eine Entschädigungslösung nicht zu teuer werden. Wie viel die Bahn derzeit im Jahr als Ausgleich für Verspätungen und Zugausfälle zahlt, sagt das Staatsunternehmen nicht. Nur, dass pro Tag rund 900 Gutscheine ausgegeben werden. Bereits die Zypries-Lösung würde dem Unternehmen laut einem Gutachten im Jahr Mehrkosten von 135 Millionen Euro bescheren. Ginge es nach dem Willen der Länder, kämen auf die Bahn sogar Mehrkosten von 260 Millionen Euro zu. Hauk hält diese Rechnung aber für übertrieben.

Streit zwischen Zypries und den Ländern gibt es auch beim zweiten großen verbraucherpolitischen Gesetzesvorhaben der Regierung – dem Kampf gegen unerlaubte Telefonwerbung. Das Bundesjustizministerium will Verbrauchern, die ohne ihr Einverständnis von Telefonfirmen, Lotterien oder Buchclubs angerufen werden und denen während des Gesprächs ein Vertrag oder Abo aufgeschwatzt wird, ein 14-tägiges Widerrufsrecht einräumen. Den Ländern geht das nicht weit genug. Sie fordern auf Initiative Baden-Württembergs, dass der mündlich geschlossene Vertrag zunächst nicht wirksam sein soll. Erst wenn der Kunde den Vertrag schriftlich bestätigt, soll dieser Bestand haben. „Das ist eine einfache, verbraucherfreundliche Lösung“, meint Hauk. „Ich verstehe überhaupt nicht, warum sich Frau Zypries dagegen sperrt.“ Die Justizministerin hält die von den Ländern geforderte Lösung für lebensfremd und bemüht gern das Beispiel vom Pizzaservice. Ob man künftig nach der telefonischen Bestellung noch ein Fax hinterherschicken soll? fragt sie spöttisch. Hauk kontert: Bei der umstrittenen Telefonwerbung gehe es nur um die Fälle, in denen das Unternehmen beim Kunden anruft. Der Pizzaservice habe damit nichts zu tun. „Oder ruft der Pizzabäcker bei Ihnen an und fragt, ob Sie eine Pizza wollen?“ fragt Hauk. Heike Jahberg

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