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Wirtschaft: Weibliche Werte

Wenige Frauen beschäftigen sich gern mit Börse und Rente – Banken und Beraterinnen wollen das ändern

Astrid Maurer prophezeit Frauen mit niedrigen Einkommen eine schwierige Zukunft. „Bei etlichen von ihnen wird die Altersvorsorge nicht zum Leben reichen. Ich sehe da eine Lawine auf die Sozialämter zukommen“, sagt die Frauenbeauftragte bei der Landesbank Berlin. Sie versucht deshalb, ihre Bank-Kolleginnen in Einzelgesprächen für dieses Thema zu sensibilisieren.

Und das ist wichtig, denn schon heute sind Frauen bei der Rente schlechter gestellt als Männer. Während letztere 2004 in den alten Bundesländern eine durchschnittliche Versicherungsrente von 982 Euro erhielten, kamen Frauen nur auf 483 Euro. In den ostdeutschen Ländern lagen die Beträge bei 1037 beziehungsweise 665 Euro, berichtet der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger.

Die Zahlen zeigen: Frauen müssen noch dringender für das Alter vorsorgen als Männer. Doch hier hapert es meist – beschäftigen sich doch rund drei von vier Frauen nicht gerne mit ihren privaten Finanzen. Das hat eine Detailauswertung der Commerzbank-Studie „Die Psychologie des Geldes“ im vergangenen Jahr ergeben. Die Großbank erforscht diese Zielgruppe seit 2002 und bietet ihr spezielle Finanz-Veranstaltungen an. Auch die Fondsgesellschaft Union Investment hat das Anlageverhalten von Frauen analysieren lassen. Die letzte Umfrage aus dem Jahr 2002 ergab, dass sich nur 24 Prozent von ihnen sehr für die Kapitalmärkte interessieren, aber 35 Prozent der Männer.

Trifft das Rollen-Klischee „Finanzen sind Männersache“ also doch zu? Stimmt das Bild der vorsichtigen Frau, die den Sinn einer Anlage sucht, und das des männlichen Zockers, der nur auf die Rendite blickt? Beide Extreme haben einen wahren Kern. Marita Balks, Mitbegründerin des Ladies’ Office in der Berliner Weberbank: „Ein Mann entscheidet nach Wertentwicklung und Risiko der Anlage. Die Frau hingegen überlegt auch, welchen Zweck sie mit dem Investment verfolgt, ob sie damit beispielsweise die Erziehung ihres Sohnes finanzieren kann.“

Das im März 2003 umgesetzte Konzept der Weberbank steht auf drei Säulen: einer besonderen Beratung für Frauen, Finanz-Seminaren und Serviceangeboten wie der Vermittlung von Tagesmüttern. „Wir versuchen, die Hemmschwelle der Frauen über Veranstaltungen abzubauen,“ so Balks. Die Beraterinnen im Ladies’ Office legen Wert auf zwischenmenschliche Töne. Von Frau zu Frau plaudert es sich eben offener über Altersvorsorge, Scheidung und Erbschaft. Da fallen unbedarfte Fragen leichter als im Gespräch mit einem Mann.

Auf das Vertrauen gegenüber dem eigenen Geschlecht setzt auch Gudrun Nußbaumer, Gesellschafterin der 1994 gegründeten Berliner Finanzberatung Fair Ladies: „Viele unserer Kundinnen fühlen sich von den Beratern in Banken überheblich behandelt.“ Sie selbst geht deshalb eher gefühlsbetont mit ihren Kundinnen um, nimmt sich viel Zeit für sie. Das ist wichtig in der Finanzberatung für Frauen. Koste es jene doch große Überwindung, sich mit Geldanlagen zu beschäftigen, sagt Gudrun Nußbaumer.

Einmal soweit, investieren Frauen zwar in ähnliche Anlageprodukte wie Männer, entscheiden sich aber auf andere Art und Weise. „Wenn Frauen ihre Hemmschwelle beim Thema Finanzen überwunden haben, gehen sie sehr genau vor und holen möglichst viele Informationen ein. Sie fragen, was sie tun sollen und sagen offen, wenn sie etwas nicht verstehen. Männer geben das nur ungern zu“, sagt die Expertin.

Die frauenspezifische Beratung erfordert also Einfühlungsvermögen. Schließlich brechen Nußbaumers Kundinnen auch mal in Tränen aus, wenn sie erkennen, wie schlecht es um ihre Altersvorsorge steht: „Ein Mann könnte mit so einer Situation nicht umgehen.“

Während Finanzdienstleisterinnen die besonderen Bedürfnisse ihrer Kundinnen kennen, sind einige männliche Berufskollegen skeptisch. Etwa auch Vermögensverwalter Reinhard Hellmuth, Leiter der Berliner ICM-Niederlassung: „Ich glaube nicht, dass Frauen andere Frauen besser beraten, als ein Mann das könnte. Was zählt, sind doch Kompetenz und ausreichend Zeit für die Kundin“, sagt er. Hellmuth versucht, unabhängig vom Geschlecht auf jeden Kunden einzugehen: „Sehe ich dann, dass die Frau etwas anderes erwartet als ein Mann, etwa eine noch ausführlichere Aufklärung über die Risiken der Anlage, reagiere ich natürlich darauf.“

Skeptisch beim Thema frauenspezifische Beratung ist auch die Berliner Bank. Sie hat bereits versucht, Angebote speziell für die weibliche Kundschaft auf dem Markt zu etablieren. Der erwartete Erfolg blieb aus. „Begleitet von unseren Beraterinnen, haben Kundinnen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre einen Investmentclub gegründet. Doch der ist nach zwei bis drei Jahren mangels Interesse eingeschlafen“, sagt Peter Gad, Abteilungsleiter Marketing der Berliner Bank.

Jetzt sieht sein Haus keinen Bedarf mehr für eine spezielle Beratung. „In unseren Kundenbefragungen stellen wir fest, dass Männer und Frauen sich in puncto Risikoprofil und Zufriedenheit bei der Geldanlage nicht grundsätzlich unterscheiden“, so Gad.

Dennoch sind die weiblichen Belange beim Thema Geldanlage und Altersvorsorge nicht aus der Luft gegriffen. Nicht umsonst sind die „Finanzfachfrauen“ – ein 1988 gegründeter Zusammenschluss – schon in 14 deutschen Städten aktiv. Auch Gudrun Nußbaumer gehört dazu. Indes sind ihre Berliner Räume keine männerfreie Zone: Etwa jeder vierte Kunde von Fair Ladies ist ein Mann.

Christina Anastassiou

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