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15.09.2022, Berlin: Zu Beginn einer Pressekonferenz vor der letzten Teileröffnung des Humboldt Forums stehen die sogenannten Benin Bronzen in den Ausstellungsräumen. Die Sammlungspräsentationen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin sind mit rund 20 000 Exponaten auf 16 000 Quadratmetern dann vollständig zu sehen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Wolfgang Kumm

Vertreter Kameruns und Museumsleute treffen sich in Stuttgart: Scheiden tut doch nicht weh

40.000 Objekte kamen während des Kolonialismus in deutsche Museen. Nun wird endlich über Rückgaben und eine weitere Zusammenarbeit verhandelt.

Als die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im vergangenen Sommer zusammen mit ihrem TU-Forscherteam den „Atlas der Abwesenheit“ vorstellte, war das Staunen groß. Über 40.000 Objekte aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun lagern in den Museen der Bundesrepublik, kam dabei heraus. Mit einer solchen Zahl hatten nicht einmal die erfahrenen Rechercheure gerechnet.

Umso erfreulicher, dass der Forschungsbericht der Politik Beine gemacht hat und sich nun Vertreter von Bund und Land sowie der Museen mit offiziellen Repräsentanten Kameruns und Sprechern traditioneller Königshäuser treffen. Drei Tage bis zum heutigen Mittwoch sind angesetzt, um eine „Roadmap“ für das weitere Vorgehen zu erstellen. Es geht um Rückgaben, vor allem die zukünftige Zusammenarbeit.

Das Tempo verblüfft angesichts der bisherigen Schwergängigkeit im Austauschprozess. Doch die Faktenlage ist erdrückend. Allein im Stuttgarter Linden-Museum lagern 8000 Objekte aus Kamerun aus den Jahren des Kolonialismus zwischen 1884 und 1919. Deshalb hat sich das Ethnologische Museum als Gastgeber für die Gespräche bereiterklärt. Vertreter zehn weiterer Häuser, die über 500 kamerunische Artefakte aufbewahren, nehmen ebenfalls daran teil.

Das schlechte Gewissen ist erdrückend. „Wir haben unser koloniales Erbe zu lange ignoriert“, sagte die hessische Wissenschaftsministerin Petra Olchowski am Rande. Museumsdirektorin Inés de Castro gestand ein, dass Restitution zwar „weh tut“, die Sammlungen durch den Austausch jedoch vor allem profitierten.

Die Schmerzen dürften zu verkraften sein im Vergleich zu den Verlusten, welche die Menschen im Herkunftsland erlitten, ganz zu schweigen von den kolonialen Gewalttaten, dem begangenen Unrecht. Vielfach wird dort eine Rückgabe nicht einmal verlangt, nur eine angemessene Aufbewahrung und Zugang. Höchste Zeit, dass die Partner zusammenkommen.

Da ist es eine schöne Koinzidenz, dass Ende der Woche in Berlin ein deutsch-französisches Forschungsprojekt offiziell startet, das die Provenienz von Kulturgütern aus den Ländern südlich der Sahara in öffentlichen Einrichtungen untersucht. Bénédicte Savoy kann von Stuttgart zurückeilen nach Berlin, um dabei zu sein. Was 2017 mit ihrem öffentlichkeitswirksamen Auftritt aus dem Beratergremium des Humboldt-Forums begann, weil es ihr dort zu wenig Provenienzforschung gab, nimmt endlich Fahrt auf.

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