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Panorama: Abenteuerreise: Mit dem Gorilla durch das Dschungeldickicht

Man kann es Freundschaft nennen, was Michael und Ebobo verbindet. Vor fünf Jahren haben sie sich kennen gelernt, seitdem sehen sie sich immer mal wieder, sporadisch.

Man kann es Freundschaft nennen, was Michael und Ebobo verbindet. Vor fünf Jahren haben sie sich kennen gelernt, seitdem sehen sie sich immer mal wieder, sporadisch. Doch ist es keine normale Freundschaft. Der eine, Michael Fay, 46 Jahre alt, arbeitet als Forscher im Zoo der Bronx in New York. Der andere, Ebobo, ist ein ausgewachsener, wildlebender Gorilla, der durch den Dschungel des Kongo-Beckens zieht. Auf einer fünfzehnmonatigen Expedition Fays in den Dschungel Zentralafrikas haben sich die beiden nun wiedergetroffen. "Es war großartig", schwärmt der zurückgekehrte Fay noch immer.

"Es war das erste Mal, dass er uns erlaubt hat, mit ihm durch den Dschungel zu ziehen. Er hat sich sogar immer wieder umgeschaut, um sicher zu gehen, dass wir ihm auch folgen." Nach den gemeinsamen Tagen im Dickicht kann jetzt von einer "kultivierten Beziehung" zwischen ihm und Ebobo gesprochen werden, verrät Fay. Und eine Neuigkeit präsentierte Ebobo auch gleich seinem Freund. "Seit kurzem hat er ein Weibchen", jubiliert Fay.

Aufgebrochen war der Amerikaner zu einer Forschungstour der besonderen Art. Im September 1999 zog Fay, begleitet gerade mal von einem Dutzend Pygmäen, in den Dschungel, in die "grüne Hölle" Schwarzafrikas. 15 lange Monate schlug er sich durch das Dickicht der tödlichen Fauna. 15 lange Monate nutzte er kein anderes Transportmittel als seine Füße. 3200 Kilometer legte er zurück, 3200 Kilometer durch eine brodelnde, faszinierende Lebenssuppe. Finanziert wurde die Expedition, deren Gesamtkosten sich immerhin auf 230 000 Dollar beliefen, von der "National Geographic Society" in London und der "Wildlife Conservation Society" in New York.

"Der Wald hält uns ziemlich wach", schreibt Fay am achten Tag, "mit Elefanten, Gorillas, Schimpansen, Affen, Eidechsen, Schildkröten und Tonnen von anderem Getier." Getauft hatte Fay seinen Höllentrip auf den Namen "Megatransect" - eine Art Riesenwanderug. "Das war die längste, ununterbrochene Expedition dieser Art, die es in der Welt jemals gegeben hat." Einen besseren Kopf als Michael Fay hätte die Forschungstour wohl kaum finden können.

Er ist ein hartgesottener Abenteurer, so gar nicht der Typ Laborforscher mit Brille und Cordsakko. Als ihn David Quammen, ein Journalist vom "National Geographic Magazine", mitten im Dschungel für eine mehrtägige Reportage trifft, empfängt ihn Fay mit nacktem, braungebranntem Oberkörper. Reflexhaft salutiert der Journalist dem Forscher zur Begrüßung. "Er erinnerte mich an einen halbverrückten, halbbrillanten Militärkommandeur, der mit seiner Armee von zerlumpten Gehilfen in seinen eigenen Krieg gezogen ist." Doch genauso wenig konventionell wie seine Armee ist Fays Kriegsziel.

Auf seiner langen Wanderung will er eines der letzten unberührten Gebiete des Planeten in Forschungsberichten festhalten. Dafür sind dem Forscher alle Mittel recht. Der Chronist des drohenden Untergangs sammelt Tierexkremente, um daran seine Untersuchungen durchführen zu können. Sobald er einen neuen Haufen entdeckt, packt er seine Forschungsapparatur aus. Laptop und hochtechnisches Material begleiten ihn selbst in der größten Wildnis.

Angst hat Fay keine im Dschungel. "Man muss die Sprache der Tiere kennen, ihre Bewegungen verstehen", sagt er. "Man muss in einen speziellen Kontakt zueinander treten, eine Beziehung zueinander aufbauen." Dann passiere auch nichts.

Vor allem Todesgefahr brauche der Mensch im Dschungel keine zu haben. "Menschen sind auch fleischessende Wesen. Und Fleischfresser essen keine Fleischfresser", fasst Fay seine ebenso einfache wie mutige Logik zusammen. "Das Fleisch von Pflanzenfressern schmeckt einfach besser."

Einzig um seine Crew macht sich der Amerikaner Sorgen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sterben würde, war sehr groß", sagt Fay nachdem der Trip gut ausgegangen ist. Egal, ob durch einen Schlangenbiss oder durch eine Krankheit, Gefahr lauert trotzdem überall. Und so hätte der kleinste Vorfall die ganze "Megatransect"-Expedition aufs Spiel gesetzt.

Dann, irgendwo auf dem Marsch durch die 13 verbundenen Waldgebiete, stößt der Trupp auf eine Gegend, in der es keinen einzigen Menschenaffen gibt. "Das Gebiet war leergefegt von Gorillas", berichtet Fay. Eine Fläche, so groß wie die Schweiz und kein einziger Gorilla. Und das in einer Gegend, in der in den letzten 15 Jahren immer über eine große Gorillapopulation berichtet worden war. "Es ist schwer, definitiv etwas zu sagen", erklärt Fay die Situation, "aber wir glaubten, dass es der Ebola-Virus war." 1997 hatte es eine Ebola-Epidemie dort gegeben. Affen waren infiziert, Schimpansen hatten den tödlichen Virus sogar auf den Menschen übertragen. "Was wir hier nun fanden, war ein einziger Haufen Gorillakot. Nicht einmal Leichenreste oder auch Knochen fanden wir."

Doch selbst der Killervirus machte dem Forscher keine Angst. "Damit es eine Gefahr für den Menschen gibt, müßte man in Kontakt mit infiziertem Blut kommen." So setzt der Trupp seine Expedition fort und Fay notiert nur stoisch seine Beobachtugen. Fay trotzt dem Dschungel und seinen Bewohnern in allen Belangen, ja er scheint mit der Tierwelt sogar in freundschaftlichem Kontakt zu stehen.

Dennoch, bei den meisten seiner Gesprächspartner sind noch immer enorme Vorurteile verbreitet. "Ich mag es nicht, wenn mir Leute Geschichten über schreckliche, gefährliche Tiere erzählen", sagt Fay. "Ich verstehe die Sprache der Tiere. Die meisten denken, das ist ein Traum, aber es ist nichts Ungewöhnliches." Und so wird es nicht die letzte Tour gewesen sein, die er in den Dschungel Schwarzafrikas unternommen hat. Aus gutem Grund: "Ich fühle mich im Dschungel zuhause."

Markus Frenzel

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