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Autoverkehr in Kairo

© Katharina Eglau

Ägypten: Ein paar Scheine für den Führerschein

Wer in Ägypten an seine Fahrerlaubnis kommen will, hilft häufig mit etwas "Bakschisch" nach.

„Vorsicht Kabel!“, ruft ein ölverschmierter Mechaniker, der gerade neue Nummernschilder an alte Autos schraubt. Wie ein Absperrseil hängt das lange Stromkabel für seine Bohrmaschine quer über den Vorhof des „Murur“. So heißt das Verkehrsamt im Kairoer Stadtteil Giza. Dort muss jeder in der Stadt hin, der ein Auto anmelden, einen Strafzettel bezahlen oder einen Führerschein machen will. Es herrscht ein Gedränge wie in einem Ameisenhaufen. Verkehrspolizisten in neongelben Signalwesten eilen geschäftig von Zimmer zu Zimmer, Trauben von Menschen drängeln sich vor den vergitterten Schaltern – dazwischen Beamte, die gelassen das Chaos beobachten und an ihren Zigaretten ziehen.

Auf den Straßen von Kairo sind täglich rund drei Millionen Autos unterwegs. Obwohl mittlerweile die Verschrottung von Altfahrzeugen staatlich subventioniert wird, liegt das Durchschnittsalter der Vehikel noch immer bei stolzen 20 Jahren. Die Straßen sind in der Regel schlecht bis gar nicht beleuchtet, offene Kanaldeckel oder Eselskarren auf den Fahrbahnen nichts Besonderes. Theoretisch gelten in Ägypten ähnliche Verkehrsregeln wie in Deutschland. Auch muss jeder Autofahrer offiziell seinen Führerschein machen. „Zwei von drei Prüflingen fallen im Schnitt durch“, behauptet Mahmud al Zaki, der stolze Chef der Fahrschule „Maadi“. „Meine Schüler dagegen bestehen alle!“ Für ein Taschengeld kann man bei ihm Fahrstunden nehmen – in einem gelben Fiat 124, Baujahr 1979. Der Großteil der Ägypter jedoch geht zur Prüfung, ohne jemals hinter dem Lenkrad gesessen zu haben. Denn Fahrunterricht für einen Führerschein ist in Ägypten nicht verpflichtend.

Dafür engagiert sich jeder, der es sich leisten kann, für den Prüfungstag einen sogenannten „Fixer“ – einen Mann mit Beziehungen, der mit ein paar Scheinen „Bakschisch“ über die Hürden des Prüfungsamtes hinweghilft. Sherif, der seinen echten Namen nicht nennen möchte, ist ein solcher „Fixer“. Er versteht es, die trägen Beamten so zu bearbeiten, dass unlösbare Probleme lösbar werden, dass auch absolute Fahranfänger mit Bravour bestehen.

Das praktische Examen erfolgt im Hof des Amtes auf einem höchstens 15 Meter langen Slalomkurs, der mit ein paar orangen Hütchen markiert ist. Offizieller Prüfungswagen ist ein 38 Jahre alter Fiat 128 ohne Licht, ohne Rückspiegel – und ohne Funktion. Sherif, der mit der rostigen Karre bestens vertraut ist, gibt leise letzte Anweisungen an den Prüfling: „Falls du fahren musst, gib’ beim Anfahren kein Gas. Das Standgas ist stark genug.“ Dann verschwindet er in der Stube des Prüfungsleiters, um kurz darauf grinsend wieder aufzutauchen. „Gut gefahren! Du hast bestanden!“, scherzt er im Vorbeilaufen, ohne dass der Fiat-Oldtimer auch nur einen Meter bewegt wurde.

Es folgt der Gesundheitscheck: Einmal die Finger zeigen und bewegen, die Brille – falls vorhanden – abnehmen und wieder aufsetzen. Die theoretische Prüfung findet in einem separaten Zimmer statt. Auf einem vergilbten Bildschirm erscheinen Verkehrszeichen, die richtig benannt werden müssen. Eine Frau sitzt gelangweilt hinter dem Monitor. Sherif redet kurz mit ihr, platziert vor ihr eine Handykarte im Wert von umgerechnet drei Euro auf dem Tisch und lässt sie dann „versehentlich“ liegen. „Drück einfach irgendwas“, raunzt er herüber. Wenig später ist die Theorie gemeistert – alle Antworten hundertprozentig richtig. Nach einer weiteren halben Stunde spuckt dann endlich ein Farblaserdrucker den begehrten Schein aus.

„Glückwunsch“, ruft beim Verlassen des Geländes der Mechaniker lachend herüber. Und auch die Prüflinge ziehen Bilanz: Zwei Stunden hat die Prozedur gedauert, 60 Pfund Gebühren und 200 Pfund „Bakschisch“ gekostet – zusammen etwa 35 Euro. Nun dürfen sie offiziell in Ägypten Auto fahren. Ob sie es auch können, das wird sich bald beim Härtetest auf Kairos Straßen zeigen.

Jannis Grimm[Kairo]

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