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Afghanistan

© dpa

Afghanistan: Plötzlich kam die Kälte

Viele Afghanen waren auf den eisigen Winter nicht vorbereitet. Die Deutschen helfen mit dem Nötigsten.

Vereiste Wasserleitungen, eingeschneite Straßenzüge – das haben viele Afghanen noch nie erlebt. Strom und Heizung gibt es hier oft nicht. „Ich habe Kinder gesehen, die barfuß durch den Schnee liefen“, erzählt Uwe Hermann, der für die Deutsche Welthungerhilfe in Afghanistan arbeitet, dem Tagesspiegel am Telefon – „das ist die schlimmste Situation die ich hier je erlebt habe“. Sei drei Jahren ist er in dem ostarabischen Land. Problematisch sei vor allem, dass junge Afghanen einen so harten Winter wie in diesem Jahr nicht kennen und weder für die Kälte vorgesorgt hätten noch mit den Schneemassen umgehen könnten: „Die sind völlig überrascht“, sagte Hermann. Seine Leute wollen nun 3000 Familien mit einem Notfallpaket versorgen, das zwei Decken, vier Paar Stiefel, zwölf Paar Socken, zehn Liter Speiseöl und sieben Kilo Zucker enthält. Der größte Teil sei auf lokalen Märkten beschafft worden.

Im Norden Afghanistans hat die Kälte in den vergangenen Tagen mehr als 300 Menschen das Leben gekostet. Vom härtesten Winter seit mehr als zehn Jahren sind die schwer erreichbaren, hoch gelegenen Dörfer und viele Flüchtlingslager an den Grenzen zu Pakistan und Iran besonders schlimm betroffen. Neben den Kriegsfolgen machen nun zusätzlich Schneestürme und Temperaturen unter minus 20 Grad Celsius den Menschen zu schaffen. Die genaue Anzahl der Toten ist bisher kaum zu ermitteln, weil manche Gebiete gar nicht zu erreichen sind. Durch Lawinen und Frost starben ganze Viehherden – insgesamt mehrere zehntausend Tiere. Projektleiter Hermann berichtet von einer Hilfsfahrt, bei der sein Team mit kleinen Transportern im Schnee mehr als zwei Stunden brauchte, um 60 Kilometer voranzukommen. Die Welthungerhilfe versorgt in zwei Provinzen im Norden des Landes zurzeit etwa 50 000 Menschen.

Am Montag haben auch in Afghanistan stationierte Bundeswehrsoldaten mit eigenen Hilfseinsätzen begonnen: In ihrem 430 Quadratkilometer umfassenden Verantwortungsbereich um das Camp Marmal bei Masar-i-Scharif verteilten die deutschen Soldaten der internationalen Afghanistantruppe Isaf Winterkleidung, Lebensmittel und Feuerholz, die sie zum Teil auf Märkten vor Ort einkauften. „In Sachen Infrastruktur befindet sich das Land quasi immer noch im Mittelalter“, sagte ein Soldat am Dienstag dem Tagesspiegel.

Auch das Rote Kreuz ist in Afghanistan mit 80 ausländischen und 1100 afghanische Helfern aktiv, hinzu kommen Mitarbeiter des Roten Halbmondes. Sechs Millionen Menschen erhalten medizinische Hilfe von den Hilfsorganisationen. Das Auswärtige Amt stellte ihnen jetzt eine Million Euro für die Winterhilfe zur Verfügung. Besonders gefährlich ist die Lage nach Angaben der katholischen Caritas für Tausende abgeschobene afghanische Rückkehrer aus dem Iran, die meist in schlecht ausgestatteten Zwischenlagern untergebracht sind. Die Caritas versuche derzeit, die meist in Zelten lebenden Menschen wenigstens mit Heizöfen, Kohle und Lebensmitteln zu versorgen.

Experten sehen keine außergewöhnlichen Ursachen für den dramatischen Wintereinbruch, der auch Iran, Kasachstan, Südrussland und China betrifft. Im Kontinentalklima dieser Regionen komme es immer wieder zu kalten Wintern, erklärt der Meteorologe Werner Wehry von der Freien Universität Berlin. Heiße Sommer und kalte Winter seien dort durchaus üblich. Die Temperaturen reichen von gelegentlichen Tiefsttemparaturen um die minus 50 Grad Celsius in den Bergen bis hin zu 50 Grad plus im Süden Afghanistans. Während der Süden des Landes mit mildem Klima eher zu den Subtropen gehört, zählt der Norden zur kontinentalen Zone.

„Auch früher hat es in Afghnaistan solche Winter gegeben, nur hat sich damals kaum jemand dafür interessiert“, sagte Wehry dem Tagesspiegel. Hinzu komme, so der Wetterexperte, dass viele Ortschaften in mehr als 2000 Metern Höhe liegen, in denen es besonders kalt wird und die besonders schwer zugänglich sind. Bei starken Schneefällen gäbe es in solchen Höhenlagen auch in anderen Ländern Schwierigkeiten. So habe der Verkehr in China so massiv zugenommen, dass die Infrastruktur den aktuellen Schneefällen auch dort nicht gewachsen war und zu Chaos führte.

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