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Panorama: Alle Wege fließen nach Rom Auch der Stiefel läuft voll

Füssen-Rom in 36 Stunden: Bericht einer Horrorfahrt / Von Thomas Migge Hochwasser, Sturm und Schnee: In Italien spielt das Wetter verrückt

Meine Horrorfahrt nach Rom begann Freitagmorgen um 10 Uhr in Füssen. Wegen des starken Regens und der vielen dadurch verursachten Unfälle auf den Straßen kam ich erst um 17 Uhr in Trento an. Es goss in Strömen und Hagelfälle wurden vorausgesagt. An eine Weiterfahrt war gar nicht zu denken. Im strömenden Regen suchte ich ein Hotelzimmer in Andalo. Der Regen fiel so stark, dass ein Stück der Straße zu diesem Ferienort das Tal herunterutschte. Erst gegen 22 Uhr kam ich im Hotel an. Die normale Fahrt von Trento nach Andalo hätte 45 Minuten und nicht 5 Stunden gedauert.

Samstagmorgen ging es bei Dauerregen Richtung Süden. In weiten Streckenabschnitten stand die Autobahn zwischen Trento und Modena unter Wasser. Fahren war nur noch im Schritttempo möglich. Von Bologna bis Florenz regnete es wie aus Gießkannen und auf der Autobahn bewegte sich wegen der vielen Unfälle gar nichts mehr. Also weiter über Landstraßen Richtung Florenz. Teilweise konnte man keine fünf Meter weit sehen, die Wolken hingen extrem tief, rechts und links der Fahrbahn schlugen Blitze ein. Durch Florenz ging es über Straßen, die bis zu 20 cm unter Wasser standen. Die Autobahnstrecke Florenz-Rom war eine einzige Wasserfläche. Raser verursachten Wasserspritzer, die die miese Sicht noch zusätzlich verschlechterten. Gegen 22 Uhr kam ich in Rom an: Statt zehn Stunden hatte ich für die Strecke Füssen-Rom 36 Stunden gebraucht. Als ich ankam, hatte es aufgehört zu regnen.

auf den Weg. Zwei Monate zu früh. Der italienische Vogelexperte Matteo Balzini glaubte seinen Augen nicht, als er durch das Fernglas blickte: Ein Schwarm von Schwalben flog Richtung Süden. Eigentlich verlassen diese Zugvögel erst im Oktober das kühler werdende Italien, um in wärmeren Gefilden Zuflucht zu suchen.

Auch die Touristen machen sich auf den Weg. Allerdings nicht in den Süden. Seit Freitag sind Tausende, vor allem deutsche Urlauber mit ihren Autos und Wohnmobilen auf dem Weg gen Norden. Viele von ihnen brachen ihren Urlaub in Italien ab. Vorzeitig, denn, wie ein Münchner auf der Autoraststätte zwischen Bologna und Modena feststellte, „dieser italienische Sommer ist ja zum Kotzen“.

Wahre Worte. „La bella stagione“, die schöne Jahreszeit ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Reinfall geworden. Ein nasser und windiger Reinfall, der Zugvögel und Touristen vertreibt. Claudio Cetola vom Wetteramt in Rom schüttelt nur mit dem Kopf. „So etwas habe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt“, sagt er und versucht anhand zahlloser Statistiken und Tabellen nachzuweisen, dass „irgendetwas mit diesem Wetter nicht mehr funktioniert“. Konnte man bisher in den Sommermonaten von wochenlangen schönem Wetter ausgehen, ab und an von kurzen Regengüssen unterbrochen, so sieht die Situation jetzt ganz anders aus.

„Man kann gar nicht mehr etwas für abends planen, was außer Haus stattfindet“, klagt Gianni Borgna, der für das zwei Monate dauernde Sommerfestival „Estate Romana“ in Rom verantwortlich ist. Die meisten der Veranstaltungen finden unter freiem Himmel statt. Genauer: sollten unter freiem Himmel stattfinden. Seit Ende Juni aber regnet es abends in der Hauptstadt so oft wie schon seit 50 Jahren nicht mehr. Am Wochenende stand in Rom in einigen Stadtvierteln das Wasser 20 Zentimeter hoch.

120 Liter pro Quadratmeter

Das gleiche Spektakel bietet sich in Mailand und Turin. An einigen Orten in Nord- und Mittelitalien fielen am Samstag innerhalb weniger Stunden bis zu 120 Liter pro Quadratmeter. Begleitet werden diese Sturzbäche aus dem Himmel von Temperaturen, die an den Herbst erinnern. Anstatt der für den August durchschnittlichen 33 Grad werden seit Tagen maximal 20 bis 23 Grad gemessen. Regen und dazu Hagelkörner, die bis zu 700 Gramm wiegen. In Piemont und im Aostatal traten zahlreiche Flüsse über die Ufer, in den Bergen fiel bis 2000 Meter Schnee. Dort waren zahlreiche Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten. Straßen rutschten weg und Brücken brachen zusammen.

Immer wieder wird der Regen auch von Windhosen begleitet, wie am Samstag: Das historische Zentrum von Viterbo nördlich von Rom wurde von einer solchen Windhose heimgesucht, Dutzende von Dächern wurden in Sekundenschnelle abgedeckt. An der Versiliaküste haben die heftigen Sturmböen ganze Strandbäder davongeweht. Nur noch Trümmer blieben übrig, der Sachschaden geht in die Millionenhöhe.

Ein Großteil der Weinernte wurde in der Gegend um Verona sowie in anderen Regionen durch Hagel zerstört. Verbraucher befürchten Preissteigerungen.

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