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Altes Modell. Filipinos verwenden SMS auch für politische Mobilisierung.

© REUTERS

Alte Handys: Auf den Philippinen werden noch immer SMS geschrieben

Nirgends werden so viele SMS geschrieben wie auf den Philippinen – dieses rückständige Medium behauptet sich, weil die Filippinos meistens noch ganz alte Handys besitzen.

Wenn Patricia Lapus eine Verabredung hat, ruft sie eigentlich nicht an. „Das haben wir früher gemacht“, sagt sie und winkt ab. An die meisten ihrer Kontakte, auch die geschäftlichen, schreibt die 27-jährige Sekretärin lieber eine kurze Nachricht. „Bin fünf Minuten später“, „danke für die Bestätigung“, „wir treffen uns vorm Eingang.“ Rund 50 Stück davon tippt sie am Tag in ihr Handy. Das Besondere: Die meisten der Nachrichten werden nicht über neuere und kostenlose Dienste wie Whatsapp, Facebook Messenger oder Line versendet, sondern über das mehr als 20 Jahre alte Medium SMS (Short Message Service).

Lapus kommt aus Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Aus der Nation also, die sich selbst zum Weltmeister im SMS-Schreiben erklärt hat. Nirgendwo sonst, so ist im Land, aber auch in Branchenreports immer wieder zu hören, schreiben die Menschen so häufig SMS wie hier. „Es ist einfach der Standard unserer Kommunikation geworden“, sagt auch Patricia Lapus. „Wenn man sich trifft, geht man nicht mit der Vereinbarung auseinander, dass man sich demnächst anruft. Sondern dass man sich schreibt.“ Für kurze Klärungen stelle sie Kontakte auch häufig ausschließlich per SMS her, ohne mit jener Person vor oder nach einer bestimmten Vereinbarung jemals zu sprechen.

Laut dem Telekommunikationsberater BuddeComm jagen die Filipinos rund zwei Milliarden SMS pro Tag durch die nationalen Mobilfunknetze. Kein anderes Land hat so eine hohe Frequenz und nirgendwo sonst sind die Erlöse der Mobilfunkbetreiber stärker abhängig von stimmenloser Kommunikation. Die Politik nennt ihre Nation deshalb „Welt-SMS-Kapitale“, genauso wie die Medien. „Ohne Telefon geht es nicht mehr, und ohne SMS schon gar nicht“, sagt Patricia Lapus. So war im Sommer die Freude im Land groß, als die Regulierungsbehörde National Telecommunications Commission den Netzbetreibern anordnete, ihre Preise pro SMS um ein Fünftel zu senken.

Bei dem Taifun "Haiyan" funktionierte das SMS-Netz teilweise noch

Kurznachrichten erwiesen sich zuletzt im Herbst vergangenen Jahres als lebenswichtig, als der Taifun „Haiyan“, infolge dessen mehr als 6000 Menschen starben und Millionen ihr Zuhause verloren, auch die Kommunikationsnetzwerke zusammenbrechen ließ. Aber während Internet und Telefongespräche besonders schlecht funktionierten, war die Kommunikation per SMS häufig noch möglich. Und im Jahr 2001 zeigte sich die SMS auch als effektives politisches Druckmittel. Damals verabredeten sich Handybesitzer zehntausendfach über Kurznachrichten in Manila zu einer Demonstration gegen die Politik von Präsident Joseph Estrada. Kurz darauf trat Estrada wegen einer Korruptionsaffäre zurück.

Gründe für die philippinische SMS-Verliebtheit gibt es viele. In dem Land mit gut 95 Millionen Einwohnern sind heute über 100 Millionen Sim-Karten registriert, also mehr als ein Handy pro Einwohner. Filipinos beschreiben sich selbst häufig als schüchtern, der Kontakt per SMS ist vielen angenehmer als persönliche Anrufe. „Gleichzeitig müssen wir uns aber ständig anderen mitteilen“, sagt Patricia Lapus. „Wir diskutieren schon alles Mögliche. Shoppingentscheidungen, das Mittagessen oder Verabredungen.“

Auf Sparsamkeit wird dabei kaum noch geachtet, die 160 Zeichen einer Kurzmitteilung werden nur selten ausgereizt. Denn das SMS-Schicken ist in den Philippinen so günstig, dass viele es sich leisten können. Mitte der 1990er Jahre liberalisierte die philippinische Regierung den Markt für Telekommunikation, seitdem haben sich mehrere private Anbieter gegründet, und unterbieten sich gegenseitig mit günstigen Preisen. Der Handyvertrag von Patricia Lapus kostet etwa 2000 philippinische Pesos (rund 35 Euro) im Monat, einer der teuren Tarife, der aber ein Smartphone und ein Kontingent von 250 SMS sowie 60 Gesprächsminuten und Internetnutzung inklusive hat. „Wenn ich das Limit überschreite, liegt es immer an den SMS, eher nicht an den Gesprächen“, sagt Lapus, die insofern eine typische Nutzerin ist. Außerdem gibt es Tageskontingente zu kaufen, ein Tag ohne SMS-Limit kostet etwa 20 Pesos (36 Cent). Bei Prepaidtarifen kostete eine SMS bisher meist einen Peso – in Zukunft werden es nur noch 80 Centimos sein.

Nur wenige Filippinos haben Smartphones

Auch Filipinos die in Armut leben, können sich diese Preise leisten. Immerhin machen sie ein Drittel der Bevölkerung aus. Dagegen ist laut der International Telecommunications Union bisher nur rund ein Drittel der philippinischen Haushalte ans Internet angeschlossen, womit das Land noch unter dem südostasiatischen Durchschnitt liegt. Auch deswegen, weil Handys im Vergleich zu einem Laptop oder Computer mit Internetanschluss günstig zu haben sind.

Auch so erklärt sich die Popularität von SMS. Denn bei der Mehrheit der philippinischen Mobiltelefone handelt es sich nicht um Smartphones. Die Dienste von Messaginganbietern wie Whatsapp, Line und anderen haben daher noch nicht die kritische Masse erreicht, um die SMS als Kommunikationsmedium ablösen zu können. „Für viele meiner Freunde und Kontakte muss ich SMS schreiben, weil es anders gar nicht geht“, sagt Patricia Lapus. Und wenn man nicht genau wisse, wie modern das Handy des Kontaktpartners ist, sei die SMS der sicherere Weg.

Aber allmählich könnte das SMS-Volumen auch in den Philippinen abnehmen. Für manchmal weniger als 1500 Philippinische Pesos (rund 27 Euro) sind durch Anbieter wie CherryMobile und MyPhone mittlerweile einfache, aber internetfähige Smartphones erhältlich. Darüber freut sich auch Patricia Lapus, auch wenn sie längst auf dem Telefon im Netz surfen kann. „Wenn irgendwann meine Kontakte online sind, werde ich bald nie wieder mein Monatskontingent überschreiten müssen.“ Allerdings dürfte es bis dahin noch einige Jahre dauern.

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