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Panorama: Amokschütze: In Dortmund halten Polizisten einen Autofahrer an - er erschießt einen von ihnen, flieht und tötet zwei weitere Beamte

Bremsspuren. Flatterband.

Bremsspuren. Flatterband. Der Untere Graffweg in Dortmund, eine Nebenstraße. Das Schlimmste waren bisher die Raser. Seit Mittwoch ist es Polizistenmord. 45 unfassbare Minuten. Eine Amokfahrt. Eine Mordserie aus dem Hinterhalt.

Sie beginnt hier, in diesem Unteren Graffweg, mit seinen gepflegten Einzwei-Familienhäusern und Vorgärten. "Ich stand in der Küche, als ich Schüsse hörte", sagt Elke Sterz. Sie stürzt zum Fenster, sieht eine Polizistin, die um einen Streifenwagen robbt. Drei Bahnarbeiter, die vorsichtig näher kommen. Dann Nachbarn, die helfen wollen mit Decken. Für den 35-jährigen Fahrer der Streife ist es zu spät. Schüsse in Brust und Kopf. "Meine Schwiegertochter ist kurz vorher mit ihrem Sohn hierher gelaufen. Sie zittert jetzt noch am ganzen Körper", sagt Roswitha Dick.

45 unfassbare Minuten haben begonnen. Das Unheil rast von Dortmund nach Waltrop. Es war viertel vor zehn an diesem Mittwoch morgen, als eine Streife in Dortmund-Brackel einen BMW vorbeifahren sieht, dessen Fahrer nicht angeschnallt ist. Die Polizisten jagen hinter ihm her, folgen ihm in den Unteren Graffweg. Hier, so belegen die Spuren, versucht der Fahrer die Streife auszubremsen, schafft es aber nicht. Der 35-jährige Polizist steigt aus, da fallen aus dem BMW, der bei laufendem Motor steht, vier Schüsse. Drei töten ihn, den zweifachen Familienvater; der vierte verletzt die 25-jährige Polizistin am Oberschenkel. Während der Täter flüchtet, gibt sie eine erste Beschreibung durch: ein silberner BMW, verbreitert, tiefer gelegt, eine Dortmunder Nummer, ein junger Mann.

Die Streife steht still

Die Fahndung beginnt; um 10.17 Uhr sieht ein Polizist in Lünen einen solchen BMW vorbei rasen und notiert die ganze Nummer: DO-BM 325. Dann ist das Auto wieder weg. An der Kreuzung von Oberlipper Straße und Borker Straße in Waltrop sitzen um diese Zeit zwei Polizeibeamte in ihrer Streife. Ein 35-jähriger Mann, eine 34-jährige Frau, beide aus Datteln. Ob sie schon gehört hatten von der Fahndung, man weiß es nicht; jedenfalls steht die Streife still am Bordstein, sperrt keine Straße, baut keine Hindernisse auf.

Da geschieht das Unfassbare, um 10 Uhr 29: Der BMW hält bei grüner Ampel neben den Arglosen, wieder fallen Schüsse aus dem Innern, durchschlagen die rechte hintere Fensterscheibe, treffen Polizist und Polizistin in den Kopf. Beide werden in den Mittagsstunden im Krankenhaus sterben. Da ist das Auto längst wieder weg, ist die Spur des Täters vorerst verloren.

Entsetzen in Waltrop. "Es ist schlimm, dass man nicht helfen kann", sagt Peter Rosa, der Leiter des Rettungseinsatzes. Auch um einen zunächst unbeteiligten Kollegen muss man sich kümmern: Er kam später zum Tatort und erlitt einen Schock - eines der Opfer war sein Patenkind.

Jetzt suchen mehrere Einsatzhundertschaften, SEKs und Polizisten des Landeskriminalamts nach dem Täter. Im Kreis Recklinghausen, im Kreis Coesfeld. Am Nachmittag entschließt sich die Polizei, eine gezielte Fahndung herauszugeben. Sie sucht nach Michael Berger, dem Besitzer des BMW, auf den auch die Beschreibungen von Zeugen passen können; ein 31-jähriger, allein stehender Dortmunder aus Körne, ein Brillenträger ohne Strafeintragungen und ohne Waffenschein.

Nur eines geben die Polizei-Computer her: Dass das Amtsgericht Lünen Michael Berger vor acht Wochen den Führerschein weggenommen hat. "Ob das das Motiv ist, wissen wir noch nicht", sagt Staatsanwalt Heiko Artkämper. Kann das ein Motiv für einen Amoklauf sein?

Nördlich von Dortmund, in Olfen-Vinnum, wird am frühen Abend ein BMW mit einem schwer verletzten Mann gefunden. Er stirbt im Krankenhaus. Der Mörder hat sich selbst getötet.

Hubert Wolf

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