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Panorama: An die frische Luft gesetzt

Seit einer Woche verbietet die Stadt New York das Rauchen in Bars und Restaurants – wer es trotzdem nicht lassen kann, muss vor die Tür

Von Matthias B. Krause,

New York

Die Nacht ist kalt, nass und unfreundlich. Die New Yorker warten auf den Frühling, der in diesem Jahr Verspätung hat. Durch die schmalen Straßen SoHos quälen sich gelbe Taxen im Schritttempo zwischen den Schlaglöchern hindurch. Mitternacht nähert sich, die Häuserschluchten wirken merkwürdig leer. Nur die Gestalten, die sich in den Hauseingängen herumdrücken, fallen ins Auge. Mit einer Hand die Jacke enger um den Körper schlingend, in der anderen das Corpus delicti haltend, rotten sich die Raucher zu kleinen Gruppen zusammen, wo immer es geht. Einige fluchen ein paar Worte durch die schmalen Lippen, die meisten schweigen und gucken grimmig in den Nieselregen.

Das Schild, das seit einer Woche unübersehbar neben der Garderobe der „Mercbar“ hängt, ist halb so groß wie ein Din-A4-Blatt, schwarz mit weißer Schrift: „No Smoking“. Laut dem 47. Stadtgesetz des Jahres 2002 handle es sich um ein rauchfreies Etablissement, heißt es dort weiter. Für die fast 25 000 Restaurants und Bars New Yorks hat das Gesundheitsamt extra diese Nichtraucher-Schilder anfertigen lassen, außer in Englisch auch in Chinesisch, Spanisch, Russisch und – nach heftigen Protesten sich vernachlässigt fühlender Wirte – in Koreanisch. Am 30. März null Uhr sammelten die Kellner und Barkeeper der Stadt demonstrativ die letzten Aschenbecher ein und verwiesen Gäste, die ihrem Laster weiter frönen wollten, auf die Terrasse oder die Straße.

Die Sonntagszeitungen waren voll von Geschichten empörter Gäste und verzweifelter Restaurantbesitzer, ratloser Barkeeper und offener Widerständler. Zwischen 200 und 2000 Dollar werden fällig, wenn gegen das Verbot verstoßen wird – allerdings für den Wirt, nicht für den Gast. Und erlaubt sich ein Etablissement drei Gesetzesbrüche in einem Jahr, kann es geschlossen werden. Das Gesundheitsamt stellte extra zwölf neue Mitarbeiter ein, um dem neuen Recht Geltung zu verschaffen, 112 Kontrolleure ziehen nun Tag und Nacht durch die Stadt auf der Suche nach Rauch-Sündern. Bis zum 1. Mai allerdings haben die noch Schonfrist, statt einer Buße gibt es zunächst nur Verwarnungen.

David Rabin, Chef der New York Nightlife Association, macht das von Ex-Raucher und Jetzt-Bürgermeister Michael Bloomberg gegen allen öffentlichen Widerstand durchgepeitschte Gesetz ratlos. Nicht nur, dass er und seine Kollegen des nächtlichen Gewerbes Umsatzeinbußen fürchten. Er weiß auch nicht so genau, wie er gegen widerspenstige Kunden vorgehen soll, die seiner Aufforderung, vor der Tür zu rauchen, nicht Folge leisten. Ein Stadtangestellter schlug ihm vor, in Streitfällen die Polizei zu rufen. Rabin lacht nur gequält: „Das ist ein wunderbarer Plan, um ein Geschäft im Jahre 2003 zu eröffnen: Ich lasse meine Kunden einfach verhaften.“

Am dunklen Holztresen der „Mercbar“ stehen Amanda Fernandez, Erin Cheni und Sonia Wilson, drei Lektorinnen Ende 20 auf ihrem Streifzug durchs nächtliche Manhattan. Amanda, Gelegenheitsraucherin, versteht die ganze Aufregung nicht: „In Kalifornien, wo ich aufgewachsen bin, darf schon seit Ende der 70er Jahre niemand mehr in Bars und Restaurants rauchen. Das ist doch ganz normal.“

Erin findet Bloombergs Begründung, der Zigarettenqualm gefährde die Angestellten der Bars und Restaurants, und in der Stadt stürben pro Jahr 1000 Menschen durch Passivrauchen, wenig überzeugend: „Ich habe noch nie einen Barmann getroffen, der nicht raucht.“ Sonia schließlich, ebenso wie Erin eine mäßig-starke Raucherin, fügt sich in ihr Schicksal: „Klar nervt das, wenn man vor die Tür muss, aber eigentlich ist es keine große Sache. Manche Leute haben mich auch schon früher gebeten rauszugehen. Raucher zu sein in diesem Land, ist nun mal eine einsame Angelegenheit.“ Und eine teure. Rund sieben Dollar kostet eine Packung Zigaretten derzeit, nur wenn man sie wie Erin und Sonia in großen Mengen im Internet bestellt, kriegt man die Schachtel für vier. Die andere Kundschaft in der „Mercbar“, ein buntes Volk aus der kreativen Mittelschicht, gibt sich von der neuen Regelung unbeeindruckt. Es ist so dunkel wie immer, die laute Musik zwingt zu körpernaher Kommunikation, und die Cocktails fließen wie gewohnt. Nur die Luft ist irritierend klar. Und ab und zu verschwindet jemand vor die Tür.

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