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Ansichten aus dem Münsterland: Streit um schwulen Schützenkönig

Der schwule Schützenkönig Dirk Winter wollte seinen Partner als Schützenkönigin beim Umzug neben sich laufen lassen. Dies fordert die katholische Obrigkeit heraus.

Es ist Sonntag zehn Uhr in der kleinen westfälischen Burgmannsstadt Horstmar. Über 1000 Schützenbrüder aus dem Landesbezirk Münsterland sammeln sich nach dem Hochamt auf dem Kirchplatz. Dann heißt es Antreten und die Augen geradeaus. Doch stattdessen richten sich die Augen auf den schwulen Schützenkönig Dirk Winter und seinen Partner Oliver Hermsdorf aus Münster-Kinderhaus. Bis zum Antreten bleibt die Frage offen, ob sie als schwules Schützenkönigspaar beim Zug durch die historische Altstadt nebeneinander hergehen – oder sich der Verfügung des Präsidiums des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) beugend – hintereinander herschreitend am Umzug teilnehmen.

Im Münsterland ist ein Glaubensstreit entbrannt. Darf ein schwuler Lebenspartner eine wahre Schützenkönigin sein? Und darf ein katholischer Schütze ein bekennender Schwuler sein? Katholische konservative Schützen haben klare Antworten auf diese Fragen. Auch wenn sich selbst im Münsterland die Welt allmählich ändert. Doch was zunächst ein lokal begrenzter Evolutionsprozess zu sein schien, bringt inzwischen nicht nur einen Kölner Weihbischof, sondern auch die nordrhein-westfälische Landesregierung in Stellung.

Unternehmer Dirk Winter, König bei der Schützenbruderschaft St. Wilhelmi Kinderhaus und sein langjähriger Lebenspartner stehen beim Landesbezirkskönigsschießen am Sonntag im Focus des Geschehens. Der Aufmarsch beginnt. Gemeinsam und vor allem nebeneinander, gehen sie in Begleitung ihrer Schützenbruderschaft durch die Burgmannsstadt. In diesem Moment keimt die Frage auf, handelt es sich hier um „zivilen Ungehorsam“ oder gab es kurz vor dem Aufmarsch noch eine Einigung ?

Werner Aselmann, Landesbezirksbundesmeister und Diözesanbundesmeister Peter Heeß betonten jedenfalls, dass das Präsidium keinerlei Probleme mit einem schwulen Königspaar habe: „Uns geht es nicht darum, dass Homosexuelle nicht als Königspaar in Bruderschaften antreten dürfen. Die Frage ist nur das Wie.“ Da Prinzgemahl Oliver Hermsdorf nicht mit den Insignien einer Königin neben seinem Lebensgefährten angetreten sei, wäre alles im Sinne der am katholischen Glauben angelegten Statuten abgelaufen.

Im Juli hatte der gerade frisch ernannte Schützenkönig Dirk Winter vom Präsidium des BHDS eine Stellungnahme zugestellt bekommen – auf Vorschlag des Weihbischofs Dr. Heiner Koch (Köln), dem Präses. Der Weihbischof hatte beunruhigte Berichte gehört, in denen Dirk Winter seinen Lebensgefährten als „Königin mit Schärpe“ an seine Seite geholt habe. In der Stellungnahme hieß es: „Die traditionelle Ergänzung ist für uns Ausdruck und Einbeziehung der Wertschätzung beider menschlicher Geschlechter in ihrer gegenseitigen Ergänzung.“ Zudem stünden Würdenträger laut Statuten in der Verpflichtung, für die katholischen Glaubensgrundsätze einzutreten. Das sei der Grund, warum Krönung und Insignienübergabe sowie ein gemeinsames Auftreten nur im Rahmen dieser Vorgaben erfolgen dürfe.

Die Geschichte hätte vielleicht hier zu Ende sein können. Zumal die angetretenen Schützenvereine keinerlei Problem mehr sahen. Doch Dirk Winter erlangte am Sonntag nun die Bezirksmeisterwürde und damit die Qualifikation zum Bundesschießen im ostwestfälischen Harsewinkel. Und nun heißt es vom Sprecher des BHDS, Rolf Nienborg: „Wir prüfen, ob ihm der Titel aberkannt wird.“ Außerdem soll ihm die Teilnahme am Bundeskönigsschießen versagt werden. Nienborg verweist darauf, dass Winter in einem Fragebogen, den jeder Bewerber zum Bezirkskönigsschießen ausfüllen muss, sich zu der christlichen Ausrichtung des Bundes bekannte. „Wenn jemandem die Regularien unseres Verbandes nicht gefallen, steht es ihm frei auszutreten“, sagte Nienborg.

Jetzt ist nicht nur der Lesben- und Schwulenverband schockiert. Auch die rot-grüne Landesregierung, die schon die erste Auflage als Bevormundung kritisiert hatte. Schützenhilfe erhalten Prinzgemahl Oliver Hermsdorf und König Dirk Winter von Bürgern und auch von Schützenbrüdern. Der 75-jährige Münsteraner Rudi Göcke erinnert daran, wie der Zeitgeist die Dinge ändert. „Vor 30 Jahren, als ich Schützenkönig war, da hatten wie eine ähnliche Situation. Das Mitlaufen von Frauen und evangelischen Schützen war damals der Stein des Anstoßes. Alles heute kein Thema mehr.“

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