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Panorama: Atombombe im Eis vergessen

Seit 40 Jahren liegt irgendwo in Grönland ein Sprengsatz, den die Amerikaner dort verloren haben

Die von Eisbergen überzogene Landschaft Nordgrönlands ist hübsch und zugleich trostlos. Irgendwo unter dem endlosen Weiß und Grau soll eine 1968 von den USA zurückgelassene Atombombe liegen. Das berichten die BBC und dänischer Medien. Der britische Sender befragte noch lebende Augenzeugen und die damaligen Piloten John Haug und Joe D'Amario. Zudem analysierte er bis vor kurzem noch als geheim eingestufte Verteidigungs-Dokumente. Demnach gilt es als sicher, dass der atomare Sprengkopf, der damals bei einem Militärflugzeugabsturz abhanden kam, trotz verzweifelter Suche der US-Streitkräfte am Unglücksort in der Nähe des US-Stützpunktes Thule, nie gefunden wurde.

Dänen und Grönländer zeigten sich am Dienstag geschockt über die Top-Nachricht. Das US-Verteidigungsministerium hat eine Stellungnahme zum BBC-Bericht bislang abgelehnt und verweist auf alte Pressenmitteilungen, wonach „alle vier Atombomben zerstört“ wurden.

Die amerikanische Basis Thule wurde in den fünfziger Jahren errichtet. Sie bot den USA im kalten Krieg mit der Sowjetunion eine bedeutsame strategische Position im arktischen Nordatlantik, zwischen Nordamerika und Europa. Unter anderem war es von dort aus möglich, trotz der erheblichen räumlichen Begrenzungen der damaligen Radar-Technik den Himmel über dem gesamten Nordpol nach Flugkörpern auf dem Weg in die USA abzusuchen.

Zum Schutz der Basis hatte die US-Luftwaffe ständig mit Atombomben bestückte B52-Bomber über der Basis in der Luft. Falls eine russische Bombe die Basis zerstören sollte, sollten die Bomber Moskau angreifen.

Am 21. Januar 1968 stürzte einer dieser Flieger auf das grönländische Eis. Er hatte vier Atombomben an Bord. Die Sprengköpfe waren glücklicherweise nicht scharf. Sonst hätte es, mit einigen unglücklichen Missverständnissen, zum dritten Weltkrieg kommen können. Allerdings explodierte der konventionelle Sprengstoff.

Nach militärischen Dokumenten verteilten sich Flugzeugteile und hoch radioaktives Material dadurch weit über das Eis. Nach den Dokumenten, die der BBC vorliegen, konnten trotz intensiver Suche nur drei der vier atomaren Sprengköpfe gefunden werden. Zunächst ging man davon aus, dass die unauffindbare vierte Bombe sich durch das Eis auf den Meeresboden gebohrt haben könnte. Drei Monate später, im Frühling, suchte deshalb ein U-Boot im Meer nach der Bombe. Erfolglos. Die Nachforschungen wurden dann einfach eingestellt.

William Chambers, ein leitender Kernwaffenbauer aus dem US-Atombombenlabor in Los Alamos, wurde damals mit der Krise beauftragt. Er gibt nun zu, dass es bei seinen Mitarbeitern „Frustration“, darüber gab, dass man „nicht alle Teile“ des Flugzeuges finden konnte. Allerdings versucht der Pensionär zu beruhigen: „Es wäre sehr schwer gewesen für jemand anderen, die heimlichen Teile zu finden, wenn nicht einmal wir sie gefunden haben“, sagt er der BBC.

Dänemark, zu dem Grönland mit einem heute teilautonomen Status immer noch gehört, ist nie über den im Eis schlummernden Sprengstoff informiert worden. Ein Grund dafür soll die Angst der Amerikaner davor gewesen sein, dass die Russen den Sprengkörper bergen könnten, wenn sie von dessen Existenz erfuhren.

André Anwar[Stockholm]

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