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Am Montag stieg wieder Rauch aus einem der Reaktoren des Kraftwerks Fukushima auf.

© dpa

Atomkatastrophe in Japan: Wie gefährlich ist das Kernkraftwerk Fukushima?

Die Lage im havarierten Atomkraftwerk in Fukushima ist unverändert ernst, am Montag stieg wieder Rauch über zwei Reaktoren auf. Langsam zeigt sich zudem, wie sich die Radioaktivität im Land ausbreitet.

Die einzig wirklich gute Nachricht ist, dass es den japanischen Technikern am Wochenende gelungen ist, zwei potenzielle weitere Gefahrenquellen in den Griff zu bekommen: Die beiden Brennelementebecken der Reaktoren 5 und 6 werden wieder kontinuierlich gekühlt und haben inzwischen wieder in etwa die Normaltemperatur erreicht.

Was ist los in den Akws?

Über den Reaktoren 2 und 3 ist am Montag wieder Rauch aufgestiegen. Was die Ursache sein könnte, vermochte die Betreiberfirma Tokyo Electric Power Company (Tepco) zunächst nicht zu sagen. Jedenfalls mussten alle Arbeiten zunächst eingestellt werden. Das Gelände wurde teilweise evakuiert. Nach knapp zwei Stunden war über dem Reaktor kein grauer Rauch mehr zu sehen, dafür begann über dem Reaktor 2 Dampf aufzusteigen, der nach Tepco-Angaben aber nicht vom Brennelementebecken kommen soll, in das am Montag erstmals wieder Kühlwasser gepumpt worden ist.

Am Wochenende war es der japanischen Sondereinsatz-Feuerwehr 13 Stunden lang gelungen, Wasser in das Brennelementebecken des Reaktors 3 zu pumpen. In dem Abklingbecken lagern auch plutoniumhaltige Mox-Brennelemente. Der lange Einsatz war nur deshalb möglich, weil die Feuerwehr automatisiertes Gerät im Einsatz hatte. Doch wird nicht ebenso viel Wasser nachgefüllt, wie gleichzeitig verdunstet, besteht weiterhin das Risiko, dass der Wasserspiegel wieder so gefährlich sinkt, dass die Brennelemente ihre Strahlung erneut an die Luft abgeben können. Deshalb wurde am Montag weiter gesprüht, bis das Gelände geräumt werden musste. Damit die Brennelementebecken 3 und 4 dauerhaft von außen gekühlt werden können, soll nun auch großes Räumgerät zum Einsatz kommen, mit dem radioaktiv verseuchte Trümmer abgetragen werden können. Zudem sollen nach Informationen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo auch zwei in Deutschland produzierte Lastwagen zum Einsatz kommen, die über Betonpumpen verfügen und von einem 50 Meter hohen Kran Wasser in die Becken befördern können sollen. Die Lastwagen gehören einer Baufirma in Japan.

Am Sonntagmorgen begannen die elf Wasserwerfer der japanischen Selbstverteidigungsarmee nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde Nisa mit dem Versuch, die freiliegenden Brennelemente im Abklingbecken des Reaktors 4 wieder mit Wasser zu bedecken. Die Bemühungen, die Reaktorgebäude der Blöcke 1 und 2 mit Strom zu versorgen und die Nebenkühlkreisläufe wieder in Gang zu setzen, dienten vor allem dazu, die beiden seit nunmehr elf Tagen nicht mehr gekühlten Brennelementebecken wieder zu kühlen. Das des Reaktors 1 liegt ebenso offen wie die der Reaktoren 3 und 4, weil in allen drei Fällen die Dächer der Reaktorgebäude durch Wasserstoffexplosionen in der vergangenen Woche zerstört worden waren.

Wie geht es den Arbeitern vor Ort?

Trotz des Robotereinsatzes haben 50 Feuerwehrleute, die rund um den Reaktor 3 gearbeitet haben, unzuträgliche Strahlendosen abgekommen. Bei ihnen wurden 27 Millisievert gemessen, deutsche Beschäftigte in einem Atomkraftwerk dürfen pro Jahr nur 20 Millisievert Strahlung aufnehmen. Für die japanischen Akw-Beschäftigten lagen die Werte vor der Fukushima-Krise bei 100 Millisievert, diesen Wert hat das japanische Gesundheitsministerium jedoch am vergangenen Mittwoch auf 250 Millisievert angehoben. Weiter wollte die Behörde aber nicht gehen, weil jenseits davon die Gesundheit der Beschäftigten ernsthaft gefährdet sei. Sechs Mitarbeiter haben nach Tepco-Angaben bereits mehr als 100 Millisievert erreicht, zeigten aber keine Krankheitszeichen und würden weiter in Fukushima eingesetzt.

Wie gefährlich sind die Lebensmittel?

Langsam zeigt sich, wie sich die Radioaktivität im Land ausbreitet. Schon am Samstag hatte das Gesundheitsministerium darauf hingewiesen, dass in Milch aus der Provinz Fukushima relativ hohe Werte der radioaktiven Zerfallselemente Jod-131 und Cäsium-137 gemessen worden seien. Das galt auch für Spinat aus dem südlich gelegenen Ibaraki. Am Montag entschied die japanische Regierung Lebensmittel aus vier Provinzen aus dem Verkauf zu nehmen, obwohl das Gesundheitsministerium betonte, dass die Radioaktivitätswerte nicht gesundheitsschädlich seien. Allerdings wurde in einem Spinat, der 100 Kilometer von Fukushima entfernt angebaut worden war, ein vielfach erhöhter Jod-131-Wert gemessen. Das fand dann auch die Weltgesundheitsorganisation „besorgniserregend“. Tepco hat am Montag angedeutet, Kompensationszahlungen an die Bauern zu leisten, die ihr Gemüse und ihre Milch nun nicht mehr vermarkten können. In der Region rund um die Atomkraftwerke in Fukushima ist die Landwirtschaft eine der Haupteinnahmequellen. Die andere ist die Fischerei. Ob der Atomunfall bereits das Meerwasser oder die Fische verseucht haben könnte, ist bisher noch völlig unklar, weil noch keine Untersuchungen vorliegen.

Außerdem wurde in nunmehr neun Provinzen – und auch in der Hauptstadt Tokio – Radioaktivität im Trinkwasser nachgewiesen. Diese lag jedoch bis auf die in einem Dorf etwa 30 Kilometer von den Atomkraftwerken in Fukushima entfernt noch deutlich unter den Grenzwerten, was die Bewohner kaum beruhigen dürfte. Für die Einwohner im Umkreis zwischen 20 und 30 Kilometern von den havarierten Atomkraftwerken entfernt, sind inzwischen Jodtabletten und -sirup für die Kinder verteilt worden. Die Zerfallsprodukte aus den Brennelementen Jod-131 und Jod-133 haben zwar beide eine sehr kurze Halbwertszeit, nämlich einen beziehungsweise acht Tage. In dieser Zeit zerfällt die Hälfte der radioaktiven Substanzen. Doch wenn das radioaktive Jod über die Nahrung oder das Wasser vom Körper aufgenommen wird, wird es in der Schilddrüse abgelagert. Dort strahlt es weiter und erhöht vor allem bei jungen Menschen das Krebsrisiko erheblich. Deshalb sollen Jod-Präparate eingenommen werden, um den Einbau des radioaktiven Jods zu verhindern. Ähnliche Vorsorgemöglichkeiten gibt es nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz für Caesium-134 und Caesium-137 nicht. Die Halbwertszeit von letzterem beträgt 30 Jahre.

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