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Panorama: Autofahren nur für Betuchte

Als der rote BMW 316i endlich in der Garage stand, war die Freude nicht eben ungetrübt. "Autofahren ist ein verdammt teures Vergnügen in Singapur", stöhnt der neue Besitzer, ein deutscher Geschäftsmann.

Als der rote BMW 316i endlich in der Garage stand, war die Freude nicht eben ungetrübt. "Autofahren ist ein verdammt teures Vergnügen in Singapur", stöhnt der neue Besitzer, ein deutscher Geschäftsmann. Obwohl schon zwei Jahre alt, schlug der Wagen mit knapp 100 000 Singapur-Dollar (62 200 Euro) zu Buche, und der Unterhalt kostet noch einmal um die 500 Dollar im Monat. Wohl nirgendwo sonst auf der Welt sind die eigenen vier Räder so teuer wie in dem südostasiatischen Stadtstaat, der wie so vieles andere auch den Verkehr über den privaten Geldbeutel zu steuern sucht.

Nach einer festgelegten Quote dürfen auf der Tropeninsel pro Jahr nicht mehr als drei Prozent Autos hinzukommen, denn Platz ist im kleinen Singapur eines der knappsten Güter: Knapp vier Millionen Menschen leben auf einer Fläche, die etwas größer als Hamburg ist. Wären Autos zum selben Preis wie etwa in Europa zu haben, würde das insgesamt rund 3110 Kilometer lange Straßennetz im reichen Stadtstaat in kürzester Zeit hoffnungslos verstopft sein. Derzeit sind auf der Tropeninsel auch nur rund 425 000 Personenwagen unterwegs.

Für die Bequemlichkeit, über Schnellstraßen zügiger ans Ziel zu kommen oder in der Innenstadt herumzufahren, wird man ebenfalls zur Kasse gebeten - im technologieversessenen Singapur vollelektronisch. Hinter jeder Windschutzscheibe steckt ein kleiner grauer Kasten, in dem auf ein Sendesignal hin von einer Geldkarte bis zu zwei Singapur-Dollar (1,24 Euro) abgebucht werden, je nach Strecke und Uhrzeit. Doch bleiben morgendliche Staus Richtung Stadtzentrum oder am Abend auf der Einkaufsmeile Orchard Road deswegen noch lange nicht aus.

Wer auf vier Räder als Statussymbol verzichten kann oder sie ohnehin nicht zwingend braucht, kommt andererseits äußerst günstig herum - wobei auch Taxis Teil des öffentlichen Nahverkehrs sind. Gerade einmal etwa 10 Dollar kostet eine 20-minütige Fahrt, und es wird traditionell noch nicht einmal ein Trinkgeld erwartet. Singapurs mehr als 18 000 blaue, gelbe oder weiße Taxis werden allenfalls zur Stoßzeit einmal knapp. Doch für 3,20 Dollar Gebühr ist auf telefonische Bestellung hin so gut wie immer eines zu haben. Der Auftrag erreicht den Fahrer über ein satellitengestütztes System.

Der größte Stolz von Singapurs Verkehrsplanern kürzt sich indes MRT ab - Mass Rapid Transport, das örtliche U-Bahn-System, mit seinen rund 50 Bahnhöfen. Selbst die abgelegensten Winkel lassen sich mit den silberfarbenen Zügen wenigstens näherungsweise erreichen. In den unterirdischen, blitzblanken Gängen bemüht sich das sonst für spontane Darbietungen eher weniger berühmte Singapur um ein Flair wie in der Pariser Metro - und lässt Straßenmusiker aufspielen.

Wie bei den Taxis sollen im internationalen Vergleich äußerst niedrige Preise die Menschen in die streng gekühlten MRT-Züge locken: Das teuerste Ticket für eine einfache Fahrt kostet nur 1,80 Dollar, und niemand muss länger als sechs Minuten auf die nächste Bahn warten. Wer noch günstiger vorankommen will, nimmt den Bus, Singapurs am stärksten genutztes öffentliches Verkehrsmittel. Am Tage bleibt der Fahrpreis auf den meisten Strecken unter einem Dollar. Die zuständige Behörde für Überland-Verkehr (LTA) wähnt sich angesichts der Bandbreite an Verkehrsmitteln am selbstgesteckten Ziel, ein "Transportsystem der Weltklasse" aufzubauen. Nicht weniger hatte man sich 1996 vorgenommen, kurz nachdem die LTA gegründet worden war. In einer im vorigen Jahr von der Behörde in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1500 in Singapur lebenden Menschen fand die Mehrheit tatsächlich, dass das Nahverkehrs-Angebot auf der Tropeninsel anderswo auf dem Erdball seinesgleichen suche.

Mancher noch immer genervter Pendler sieht das freilich anders. "Wir sind noch nicht einmal in der Nähe von Weltklasse", schrieb Lim Boon Hee erbost an die Zeitung "Straits Times" nach Veröffentlichung der Umfrage. "Pünktlichkeit, Taktabstimmung und Verfügbarkeit der verschiedenen Verkehrsmittel zu Stoßzeiten lassen viel zu wünschen übrig", beschwerte er sich. Und: "Die LTA sollte nicht so laut ins Horn stoßen. Das schmerzt in den Ohren leidender Pendler." Behördlicherseits gibt man sich kritikfähig: "Dass nicht 100 Prozent der Befragten das Transportsystem für gut halten, zeigt uns, dass Raum für Verbesserungen ist", schrieb die LTA zurück.

Wer erstmal ein Auto hat, lässt sich freiwillig kaum zum Umsteigen verleiten - wegen der extrem hohen Preise sind die eigenen vier Räder ein viel zu bedeutendes Prestigeobjekt. Das mussten Singapurs Umweltbehörden im vorigen Jahr schmerzlich erfahren, als sie zum ersten autofreien Tag auf der Tropeninsel aufriefen: Um gerade einmal 1,4 Prozent sank das Fahrzeugaufkommen im zentralen Business-Distrikt, ein Minus von 2,1 Prozent wurde auf den Schnellstraßen registriert.

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