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Panorama: Barcelona sieht rot

Der linke Stadtrat verbietet den Stierkampf – obwohl er das gar nicht darf

Spaniens Toreros sehen derzeit rot. Der linke Stadtrat Barcelonas hat es gewagt, die Stadt zur „stierkampffreien Zone“ zu erklären. Gegen die Stimmen der Konservativen. „Wir sind gegen die Praxis der Stierkämpfe“, heißt es in der Entschließung, die einer Revolution in jenem Land gleichkommt, das bisher als europäische Hochburg der Tierquälerei galt.

„Das ist ein Angriff auf unser nationales Kulturgut“, toben die Stierkämpfer. Sie sprechen von Verrat an der lebenden Tradition Spaniens. „Wir waren immer ein Land des Stierkampfes. Und wir lassen uns dies nicht durch intolerante und politische Manipulationen kaputtmachen.“ Die corridas, wie die Kämpfe in der Arena in Spanien genannt werden, seien ein Heiligtum.

Tierschützer feiern derweil den historischen Beschluss in der Hauptstadt der nordspanischen Region Katalonien als „den Anfang vom Ende der Stierkämpfe in Spanien“. Das Stieretöten sei eine „überkommene und grausame Tradition“, erklärt die Welttierschutzgesellschaft. Ähnlich hatte sich auch die EU-Kommission geäußert, die Spaniens nicht vorhandene Tierschutzgesetzgebung schon lange auf der Mängelliste hat.

„Barcelona muss ihrer Hauptstadtrolle gerecht werden und Vorreiter sein bei der Beendigung des Stierkampfes“, hatte der stellvertretenden Bürgermeister, Jordi Portabella erklärt. Zuvor hatten Stierkampfgegner rund 250000 Unterschriften gegen die „furchtbare Tierquälerei“ im Rathaus der wohl fortschrittlichsten Stadt Spaniens abgegeben, in der die Sozialdemokraten die Macht haben. Rund 40000 stolze Stiere werden in Spaniens Dörfern und Städten jedes Jahr während der „fiestas“, der lokalen Feste, zu Tode gehetzt. In durchweg ausverkauften Arenen, die so groß wie Fußballstadien sind und zuweilen sogar als die wahren Kathedralen des erzkatholischen Landes gelten.

Stierkämpfer sind in Spanien zum Teil berühmter als Fußballspieler. Und die corridas gelten als Stolz und Symbol der spanischen Macho-Gesellschaft.

Die Erklärung Barcelonas gegen den Stierkampf hat freilich zunächst mehr symbolische Bedeutung. Denn in diesem heiklen Thema liegt die Entscheidungskompetenz nicht bei der Kommune, sondern beim Regionalparlament, also der politischen Vertretung Kataloniens. Die wird zwar auch von den Sozialdemokraten beherrscht. Doch dort gibt es derzeit noch keine Anstalten, die Toreros tatsächlich aus den katalanischen Städten zu verbannen.

Die Stiere werden also zunächst auch in Barcelona noch weiter sterben. Die Matadoren, wie die Stiertöter unter der südlichen Sonne gerufen werden, haben noch eine Schonfrist.

Ralph Schulze[Barcelona]

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