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Panorama: Bewachte Hummer

Austerndiebe treiben in Frankreich die Preise in die Höhe

Wenn heute Punkt Mitternacht in Frankreich die Kirchenglocken läuten, um das Neue Jahr zu begrüßen, sind deutsche Touristen und andere Nicht-Franzosen wohl erst einmal überrascht: Es bleibt ruhig. Weder beleuchten bunte Raketen die Städte in der ersten Stunde des neuen Jahres, noch heißen Böller und Knallfrösche die kommenden zwölf Monate lärmend willkommen. Selbst der Himmel über Paris bleibt dunkel und still. Feuerwerk hat in Frankreich an Silvester keine Tradition.

Statt sich, wie in Deutschland, Punkt Mitternacht auf den Straßen zu versammeln und ein paar Raketen zu zünden, bleiben die Franzosen unter sich, meist im Freundeskreis. Beliebt sind teure Abende in Restaurants, die vor allem in der Hauptstadt Paris schon Monate vor dem 31. Dezember ausgebucht sind. Umfragen ergaben, dass der Franzose auch dieses Jahr wieder durchschnittlich 100 Euro pro Person für die Silvesterfeier veranschlagt, ausschließlich für vorzügliches Essen und Spitzengetränke, überwiegend Champagner natürlich. Auf dem Speiseplan stehen am Silvesterabend vor allem raffiniert zubereitete Fischgerichte und Meeresfrüchte. Hummer, Austern, Krabben, Langusten und Muscheln – auf jeden Fall frisch müssen sie sein. Dafür sorgen Wochen vor dem Jahreswechsel die Fischer und Austernzüchter an der französischen Atlantikküste, vor allem in der Bretagne.

Tausende Tonnen frischer Meerestiere werden von dort aus in andere Regionen Frankreichs und ins Ausland versandt. Doch die Vorbereitungen dafür verlaufen für die Züchter und Händler nach den Tankerunglücken der vergangenen Jahre schon lange nicht mehr sorgenfrei. In diesem Jahr waren es die „professionellen“ Diebe, die zu nächtlicher Stunde rücksichtslos die Zuchtparks für Hummer, Langusten und Austern plünderten. Damit schädigten sie nicht nur die Züchter, sondern trieben auch die Preise drastisch in die Höhe.

Nach Angaben des Austernzüchterverbandes in der südlichen Bretagne, Golf du Morbihan, wurden im vergangenen Jahr 60 Tonnen Austern gestohlen. Sie werden später illegal auf Märkten oder an kleine Restaurants verkauft. Manchmal machen sich die Räuber auch einfach privat einige schöne, festliche Abende mit teuren Meeresfrüchten, die sie sonst nicht bezahlen könnten, berichtet der Verbandsvorsitzende Hervé Jénot. „Da kommt einiges an Wert zusammen.“ Einzelne Züchter beklagen jetzt schon Verluste in Höhe von bis zu 5000 Euro.

„Die Diebe sind meistens in Banden organisiert und nehmen alles mit, was kreucht und fleucht, vor allem Hummer, die immerhin 60 Euro pro Kilo kosten", berichtet ein Züchter im Fischerdorf Etel in der Region Vannes, wo die Zucht von Meeresfrüchten neben dem Tourismus zu den Haupteinnahmequellen gehört. Um den Raubzügen ein Ende zu setzen, haben sich die Einwohner der Region jetzt erstmals organisiert. Während der Nachtstunden wechseln sie sich bei Wachdiensten rund um die Austern- und Hummerparks ab, „bewaffnet" mit einem Handy, um bei leisesten Verdachtsgeräuschen Alarm bei der Gendarmerie zu schlagen. Die Erfolgsquoten sind allerdings gering: Meistens entkommen die Diebe, bevor die Polizei eintrifft.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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